Booth schrieb:
Was aber, wenn sich in einer Region ein diskriminierendes Verhalten enorm verdichtet, sodaß eine Gruppierung enorme soziale Nachteile in Kauf nehmen muss, daß sie kaum am regionalen Handel teilnehmen kann? Wäre das in Ordnung?
Nicht schön, aber in Ordnung. Wir können, meine ich, nicht die Grundlagen unserer freien Gesellschaft umstoßen, weil in irgendeiner Stadt z.B. die Mitglieder einer Sekte nicht akzeptiert werden. Wo soll das anfangen und aufhören? Bedientwerden im Supermarkt, oder auch in der Kneipe?
Hmmm - das interpretiere ich so, daß Du "dem Menschen", also allen Menschen, keine einheitlichen Gemeinsamkeiten zuordnest, die als "Würde" definiert werden kann. Später sagst Du aber selber:
Ein_Liberaler schrieb:
Das Eigentum an sich selbst kann niemand aufgeben, sonst wäre auch Sklaverei legal.
Also darf "der Mensch" nicht jemand anderes gehören - besitzt also doch eine Würde. Irgendwie widersprichst Du Dir da.
Daß jeder einzelne eine Würde hat, steht, meine ich, nicht im Widerspruch dazu, daß ich das Abstraktum "der Mensch" in seiner Existenz leugne. Wobei Würde vielleicht der falsche Ausdruck ist, schließlich gibt es ausgesprochen würdelose Subjekte. Ich bin eher der Ansicht, daß jeder Mensch sich selbst gehört und sich nicht veräußern kann, bzw., daß so ein Handel unwirksam wäre. Die sogenannte Menschenwürde wird doch heute ausgesprochen inflationär gebraucht, und geht doch nur auf den Gundgesetzartikel zurück, der eigentlich nur dem Staat verbietet, einen Menschen zu entwürdigen...
Wenn Du sagst, daß niemand das Eigentum an sich aufgeben kann, so impliziert dies, daß man jedoch den Besitz an sich aufgeben könnte. Ist dem so? Muss ja eigentlich, da jeder Arbeits-Vertrag ein Abtritt an Bestimmung über sich selber beinhaltet. Wie weit darf die Abtretung dieser Bestimmung gehen? Das ist doch der Kern der Frage.
Schwierige Frage. Gibt man Deiner Ansicht nach mit dem Arbeitsvertrag wirklich Besitz an sich selbst ab? In jedem Fall sehe ich die Implikation nicht. Wenn ich das Selbsteigentum unveräußerlich genannt habe, dann habe ich damit nicht sagen wollen, daß der Selbstbesitz aufgebbar ist.
Deine Aussagen lassen mich annehmen, daß jegliche Besitzübereignung an sich selber möglich ist, solange die Eigentumsverhältnisse nicht angetastet würden. Aber wir wissen auch, daß manche Besitzverhältnisse extrem lange dauern können. Wäre es OK, wenn ein Vertrag vorsieht, daß jemand über Jahre seinen Besitz an sich selber abtritt? Oder doch nur stundenweise? Und welche Einschränkungen muss es geben? Keine?
Oder wie wäre es, wenn man sich in Erbpacht verkaufte? Ne, das kann wohl nicht sein. Im Moment tendiere ich dazu, einen Arbeitsvertrag als Vertrag zur Erbringung einer Dienstleistung anzusehen, nicht als Vermietung seiner selbst.
Zum Beispiel könnte eine Mutter ihr Kind an eine satanssekte zur Opferung verkaufen. Dieser Vertrag wäre nichtig, weil sie nicht die Eigentümerin des Kindes, sondern nur seine Sachwalterin ist.
Aber vermieten? Wir vermieten uns in Arbeitsverträgen ja schließlich zu einem erheblichen Teil selber. Also könnte man ja auch (s)ein Kind vermieten, welches man "sach"-verwaltet (übrigens finde ich die freudsche Fehlleistung widerlich, daß Du bei einer Mutter von "Sach"verwaltung gegenüber dem eigenen Kind redest, aber dazu später nochmal mehr).
Meine etymologische Auslegung ist eine andere: Die Mutter verwaltet die Sache, d.h. die Interessen des Kindes. Das kann auch einen Arbeitsvertrag umfassen. Selbst bei uns gibt es ja Kinder als Schauspieler...
Schwache müssen sich zusammenschließen.
Was ist, wenn sie sich daran (aus welchen Gründen auch immer) nicht beteiligen - selber schuld? Freigabe zur Ausbeutung, solange nicht das "Eigentum" an sich selber berührt wird?
Was ist Ausbeutung? Freiheit zum Abschluß unvorteilhafter Verträge, ja, wenn nicht mangelnde Einsichtsfähigkeit ausgenutzt wurde.
Was ist, wenn Du nicht die Mittel dazu hast, da sich Anwälte in einer solchen Welt so gut bezahlen lassen, daß Du sie Dir nicht leisten kannst? In einer solchen Welt gäbe es ja auch keine staatlich verordneten Verrechnungssysteme für Anwälte.
Nein, aber jede Menge Anwälte, die einander Konkurrenz machen.
Einen kleinen Einblick in dieses System kannst Du in den USA begutachten. Jemand der sich gute (und damit teure) Anwälte leisten kann, hat einen erheblichen Vorteil in einem Gerichtsverfahren.
Das amerikanische Rechtssystem ist in meinen Augen eine obszöne Parodie auf das Recht. Für Klagen gegen Industrieunternehmen finden sich aber immer Anwälte, die gegen Erfolgshonorar, wenn nicht sogar Geweinnbeteiligung arbeiten.
Ein Vertrag ist ein Vertrag, egal mit wem.
Jeder Vertrag ist ja anfechtbar, wie Du selber erwähnt hast. Somit entscheiden am Ende die Juristen.
Das eine ist ein moralischer Grundsatz, das andere eine Möglichkeit, gegen Menschen vorzugehen, die sich nicht an moralische Grundsätze halten. Wo ist der Widerspruch?
Kleingedrucktes dient dazu, das allgemein Übliche zusammenzufassen, das nicht Gegenstand der Verhandlungen im Einzelfall ist, nicht dazu, den Kontrahenten zu besch... ummeln.
So allgemein von Dir formuliert klingt diese These ziemlich unglaubwürdig, findest Du nicht auch?
Aha, verstehe. Ich hatte nicht deutlich gemacht, daß ich meine Moralvorstellungen von denen der Startrekversion des Unternehmers abgrenzen wollte.
Noch eine Grundbemerkung:
Du vertrittst die Ansichten, die ich eigentlich in allen BWL-Vorlesungen bisher erlebt habe. Alle BWL-Vorlesungen sind geprägt von einem Grundgedanken: Reduktion des Menschen auf einige wenige für die situative Betrachtung relevante Funktionen. Eine Eigenschaft, die wir Menschen leider in vielen Bereichen unseres Lebens an den Tag legen - in der modernen Wirtschaft wird sie jedoch zu dem entscheidenden Grundprinzip. Wohlweislich wird sie kaum irgendwo ausgesprochen (habe ich jedenfalls in keiner Vorlesung oder irgendeinem Buch so gelesen).
Nein, diesen Standpunkt vertete ich nicht. Ein Mensch ist ein Mensch, Punkt. Er ist auch Mieter, Arbeitgeber und Kunde, und wenn man sich mit wirtschaftlichen Zusammenhängen befaßt, betrachtet man ihn notgedrungen in dieser Funktion. Er bleibt aber Mensch.
Reduktion auf die situative Funktion. Ich glaube, daß mit dieser Maxime folgendes erreicht wird:
1. Die soziale Kompetenz der Menschen wird vernachlässigt.
2. Gier, welche sich zum Teil stark unsozial auswirken kann, wird nicht selten belohnt.
Befasse Dich mal mit Mises und Rothbard. Der Abschied vom homo oeconomicus ist längst vollzogen, und was soll das überhaupt heißen, Gier wird belohnt? Gier wird befriedigt, ja. Anderen mag das abstoßend erscheinen, aber das macht ja den Gierigen aus, daß er die Befriedigung seiner Gier über alles stellt und auf einen sozialen Umgang mit denen keinen Wert legt, die anders empfinden.
Der freudsche Versprecher der Mutter, die "Sachverwalter" des Kindes ist, zeigt aus meiner Sicht eindeutig dieses sozial kalte Funktionsdenken.
Wie gesagt, hast Du mich da mißverstanden.