agentP schrieb:
Warum sollte ich nicht jemanden vom Handel ausschliessen dürfen?
Das ist eine gute Frage. Wieso sollte man dies nicht dürfen? Um ehrlich zu sein, bin ich hin und hergerissen. Auf der einen Seite sehe ich Dein späteres Argument, daß man ja auch Menschen ausschließen könnte, die mit dem Kauf/Handel eine nach eigener Meinung unmoralische Verhaltensweise verknüpfen. Umgekehrt kann natürlich der Ausschluß selber unmoralisch bewertet werden. Man kann nun behaupten, daß solche diskriminierenden Ausschlüsse ("ich verkaufe nicht an Deutsche") der Markt selber regelt. Was aber, wenn sich in einer Region ein diskriminierendes Verhalten enorm verdichtet, sodaß eine Gruppierung enorme soziale Nachteile in Kauf nehmen muss, daß sie kaum am regionalen Handel teilnehmen kann? Wäre das in Ordnung?
Ein_Liberaler schrieb:
Also befürwortest Du auch Geschäftspraktiken, die nicht auf Vertragswerk beruhen, andere aber als Verhalten wider der Würde des Menschen ansehen könnten?
Ja, das tue ich. Der Mensch ist mir völlig egal[...]. Mich interessieren nur einzelne Menschen
Hmmm - das interpretiere ich so, daß Du "dem Menschen", also allen Menschen, keine einheitlichen Gemeinsamkeiten zuordnest, die als "Würde" definiert werden kann. Später sagst Du aber selber:
Ein_Liberaler schrieb:
Das Eigentum an sich selbst kann niemand aufgeben, sonst wäre auch Sklaverei legal.
Also darf "der Mensch" nicht jemand anderes gehören - besitzt also doch eine Würde. Irgendwie widersprichst Du Dir da.
Wenn Du sagst, daß niemand das Eigentum an sich aufgeben kann, so impliziert dies, daß man jedoch den Besitz an sich aufgeben könnte. Ist dem so? Muss ja eigentlich, da jeder Arbeits-Vertrag ein Abtritt an Bestimmung über sich selber beinhaltet. Wie weit darf die Abtretung dieser Bestimmung gehen? Das ist doch der Kern der Frage.
Deine Aussagen lassen mich annehmen, daß jegliche Besitzübereignung an sich selber möglich ist, solange die Eigentumsverhältnisse nicht angetastet würden. Aber wir wissen auch, daß manche Besitzverhältnisse extrem lange dauern können. Wäre es OK, wenn ein Vertrag vorsieht, daß jemand über Jahre seinen Besitz an sich selber abtritt? Oder doch nur stundenweise? Und welche Einschränkungen muss es geben? Keine?
Zum Beispiel könnte eine Mutter ihr Kind an eine satanssekte zur Opferung verkaufen. Dieser Vertrag wäre nichtig, weil sie nicht die Eigentümerin des Kindes, sondern nur seine Sachwalterin ist.
Aber vermieten? Wir vermieten uns in Arbeitsverträgen ja schließlich zu einem erheblichen Teil selber. Also könnte man ja auch (s)ein Kind vermieten, welches man "sach"-verwaltet (übrigens finde ich die freudsche Fehlleistung widerlich, daß Du bei einer Mutter von "Sach"verwaltung gegenüber dem eigenen Kind redest, aber dazu später nochmal mehr).
Schwache müssen sich zusammenschließen.
Was ist, wenn sie sich daran (aus welchen Gründen auch immer) nicht beteiligen - selber schuld? Freigabe zur Ausbeutung, solange nicht das "Eigentum" an sich selber berührt wird?
Ich würde meinen Arbeitsvertrag entweder von den ebenso schlauen Juristen der Gewerkschaft prüfen lassen oder von einem darauf spezialisierten Anwalt.
Was ist, wenn Du nicht die Mittel dazu hast, da sich Anwälte in einer solchen Welt so gut bezahlen lassen, daß Du sie Dir nicht leisten kannst? In einer solchen Welt gäbe es ja auch keine staatlich verordneten Verrechnungssysteme für Anwälte.
Einen kleinen Einblick in dieses System kannst Du in den USA begutachten. Jemand der sich gute (und damit teure) Anwälte leisten kann, hat einen erheblichen Vorteil in einem Gerichtsverfahren.
Ein Vertrag ist ein Vertrag, egal mit wem.
Jeder Vertrag ist ja anfechtbar, wie Du selber erwähnt hast. Somit entscheiden am Ende die Juristen.
Kleingedrucktes dient dazu, das allgemein Übliche zusammenzufassen, das nicht Gegenstand der Verhandlungen im Einzelfall ist, nicht dazu, den Kontrahenten zu besch... ummeln.
So allgemein von Dir formuliert klingt diese These ziemlich unglaubwürdig, findest Du nicht auch?
Noch eine Grundbemerkung:
Du vertrittst die Ansichten, die ich eigentlich in allen BWL-Vorlesungen bisher erlebt habe. Alle BWL-Vorlesungen sind geprägt von einem Grundgedanken: Reduktion des Menschen auf einige wenige für die situative Betrachtung relevante Funktionen. Eine Eigenschaft, die wir Menschen leider in vielen Bereichen unseres Lebens an den Tag legen - in der modernen Wirtschaft wird sie jedoch zu dem entscheidenden Grundprinzip. Wohlweislich wird sie kaum irgendwo ausgesprochen (habe ich jedenfalls in keiner Vorlesung oder irgendeinem Buch so gelesen).
Dabei ist völlig klar, daß jeder Mensch unterschiedlichste Funktionen einnehmen kann. Mal ist er Arbeitnehmer, mal ist er Kunde, mal potentieller Kunde, mal Zielgruppe, mal Randgruppe, mal Arbeitgeber, mal Kreditgeber, mal Kreditnehmer, etc etc etc...
Reduktion auf die situative Funktion. Ich glaube, daß mit dieser Maxime folgendes erreicht wird:
1. Die soziale Kompetenz der Menschen wird vernachlässigt.
2. Gier, welche sich zum Teil stark unsozial auswirken kann, wird nicht selten belohnt.
Der freudsche Versprecher der Mutter, die "Sachverwalter" des Kindes ist, zeigt aus meiner Sicht eindeutig dieses sozial kalte Funktionsdenken.
gruß
Booth