Kriminalität und Sozialsystem in USA und Deutschland

Giacomo_S

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Ein_Liberaler schrieb:
Gerade die Sozialsysteme sind doch von Anfang an, seit Bismarck sie eingeführt hat, nichts anderes als die Standardwährung beim Stimmenkauf.

Staaten mit kleineren Sozialsystemen und größerer Schere zwischen Arm und Reich erkaufen sich ein solches System aber auch mit einer höheren Kriminalität. In den USA sind die Kriminalitätsraten für Einbruch, Diebstahl, Gewaltkriminalität, Raub und Mord deutlich höher als in Europa.
Daran ändert sich auch nichts, indem man dem durch härtere Verfolgung durch die Justiz zu begegnen sucht (Anzahl der Gefängnisinsassen: USA: ca. 1,9 Mio., ca. 6,7 Promille, Deutschland ca. 60.000, ca. 0,7 Promille der Bevölkerung).
 

agentP

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Das hat imho überhaupt nix damit zu tun, wie weit die Schere klafft, sondern wie hoch die Schere insgesamt hängt. In einem Land mit Vollbeschäftigung, wo die Ärmsten sich noch 2 Autos leisten können und 2 Urlaube im Jahr, wird die Schere klaffen können wie sie will und trotzdem keinen Einfluss auf die Kriminalitätsrate haben.

Wenn dieser Zusammenhang, wie du in beschreibst tatsächlich so funktioniert, würde mich mal interessieren, warum die Kriminalitätsraten in Schweden mit seinem deutlich dichteren sozialen Netz höher sind als die Deutschland und warum die von dir genannten Raten in Deutschland seit 1999 sogar sinken, obwohl das Sozialsystem in genau dieser Zeit eher ab- als aufgebaut wurde.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,464595,00.html
Man sollte nicht hinter jeder Korrelation gleich eine zwingende Kausalität vermuten und schon gar nicht bei Kriminalität, die eine Menge Ursachen haben kann.

Mich würden übrigens mal Vergleichszahlen in Bezug auf Einbruch, Diebstahl und Raub interessieren zwischen USA und Deutschland. Hast du da welche?
 

Giacomo_S

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agentP schrieb:
Schade finde ich allerdings dass du zwar auf diese nebensächlich Frage so ausführlich eingegangen bist, auf meine eigentlich ausführlicher formulierten Zweifel an der von dir behaupteten Kausalität zwischen Sozialsystem und Kriminalität nicht.
Macht aber auch nix ist eh offtopic.

Semi-off-topic:
Natürlich ist so ein komplexes Thema wie die Kriminalität niemals monokausal. Neben politischen und sozialen Gründen spielen auch demografische und historische Aspekte sicher eine Rolle.
Dennoch möchte ich hier festhalten: In der BRD nimmt die Kriminalität ab, in den USA nimmt sie zu. Und was die Politikverdrossenheit betrifft, so hat sie in den USA geradezu Tradition.

Noch eine Anmerkung zu den Zahlen:
Ich halte sie nur sehr bedingt für vergleichbar, im Grunde stellen sie nur Trends dar. Z.B. die Morde - im Vergleich zu unserer Rechtsprechung haben die USA einen ausgeweiteten Notwehrbegriff, in einigen Staaten geradezu pervers ausgedehnt: Es muss keine Bedrohung vorliegen, das Gefühl der Bedrohung reicht aus. Folgerichtig ist es zu Tötungen und deren Freispruch gekommen (die in Deutschland mit Sicherheit nicht mit einem Freispruch enden würden). Man darf annehmen, das die Rate für Gewaltkriminalität noch wesentlich höher ausfiele, zöge man deutsche Rechtsprechung in Betracht.

So kann man die Gewalt in einem Land auch anheizen: Man überlässt das Gesetz einfach den Menschen selbst und sie bringen sich, an der Kriminalstatistik vorbei, einfach gegenseitig um.
 

agentP

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Dennoch möchte ich hier festhalten: In der BRD nimmt die Kriminalität ab, in den USA nimmt sie zu.

Ich nehme an, wenn du das FBI als glaubwürdige Quelle akzeptierst, dann wirst du auch nix gegen das Justizministerium haben:

Die Gewaltverbrechensrate ist seit 1994 tatsächlich seit deutlich zurückgegangen. Laut der Studie des Bureau of Justice Statistics, der National Crime Victimization Survey, ist der Prozentsatz an Gewaltverbrechen von 1993 bis 2004 um 57% zurückgegangen, und ist damit auf dem niedrigsten Stand seit es diese Untersuchungen gibt. Eigentumsdelikte sind im selben Zeitraum ebenfalls um 50 % zurückgegangen.
http://usa.usembassy.de/gesellschaft-crime.htm bzw.
http://www.ojp.usdoj.gov/bjs/glance/viort.htm


Ich halte sie nur sehr bedingt für vergleichbar, im Grunde stellen sie nur Trends dar. Z.B. die Morde - im Vergleich zu unserer Rechtsprechung haben die USA einen ausgeweiteten Notwehrbegriff, in einigen Staaten geradezu pervers ausgedehnt: Es muss keine Bedrohung vorliegen, das Gefühl der Bedrohung reicht aus.

3 von 50 sind nicht "einige", sondern bestenfalls "wenige Staaten" und die Tötung aus einem glaubwürdigen Bedrohungsgefühl heraus, würde auch in Deutschland nicht als "Mord" gewertet werden, weil der Vorsatz fehlt, sondern bestenfalls als Totschlag.


Und was die Politikverdrossenheit betrifft, so hat sie in den USA geradezu Tradition.

Immer diese Vorurteile. Ich empfehle bei Gelegenheit mal folgenden Artikel zu lesen:

Jetzt können wir auch eine Frage beantworten, die Europäer alle vier Jahre wieder zur Verzweiflung treibt: Warum es viele US-Bürger scheinbar nicht interessiert, wer ihr Präsident wird. Die Wahlbeteiligung auf Bundesebene ist tatsächlich vergleichsweise niedrig. Der Grund liegt aber nicht in einem allgemeinen politischen Desinteresse der Amerikaner, sondern einfach daran, dass der Bund für das Leben des Durchschnittsbürgers kaum eine Rolle spielt. Wesentlich wichtiger für ihn ist die Politik auf Landes- und Kommunalebene, wo er zudem einen großen und direkten Einfluss hat. Amerikaner sind ihrerseits völlig entsetzt, wie wenig sich Deutsche für Lokalpolitik interessieren. Oft wissen diese ja nicht einmal, wie der Polizeipräsident ihrer Stadt heißt.

Die jeweilige Haltung ist damit für das jeweilige politische System richtig - die Deutschen mit ihrer Betonung der Bundesebene und die Amerikaner mit ihrer Konzentration auf die Kommunalebene. Der Bürger ist halt nicht doof, zum Glück für beide Staaten und für die Demokratie an sich.
http://usaerklaert.wordpress.com/20...r-usa-oder-wo-man-vor-bush-am-sichersten-ist/
 

Giacomo_S

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agentP schrieb:
Ich nehme an, wenn du das FBI als glaubwürdige Quelle akzeptierst, dann wirst du auch nix gegen das Justizministerium haben:

Warum sollte ich das FBi als Quelle nicht akzeptieren ? Sie sind die offizielle übergeordnete Polizeibehörde, genauso wie das BKA in Deutschland.

agentP schrieb:
Die Gewaltverbrechensrate ist seit 1994 tatsächlich seit deutlich zurückgegangen. Laut der Studie des Bureau of Justice Statistics, der National Crime Victimization Survey, ist der Prozentsatz an Gewaltverbrechen von 1993 bis 2004 um 57% zurückgegangen, und ist damit auf dem niedrigsten Stand seit es diese Untersuchungen gibt. Eigentumsdelikte sind im selben Zeitraum ebenfalls um 50 % zurückgegangen.
http://usa.usembassy.de/gesellschaft-crime.htm bzw.
http://www.ojp.usdoj.gov/bjs/glance/viort.htm

Das haben sie aber schön formuliert ... :-%:

violentcrime06.gif
Quelle: FBI

... und sich dabei genau den Zeitraum herausgegriffen, in dem sie in einem guten Licht da stehen !!!
Offenbar ist das FBI da ehrlicher.

Hier noch einmal die (leider perdu gegangenen) Links:

Kriminalstatistik für das Jahr 2006 der USA, Quelle: FBI
Kriminalstatistik für das Jahr 2006 der BRD, Quelle: BKA

agentP schrieb:
3 von 50 sind nicht "einige", sondern bestenfalls "wenige Staaten" und die Tötung aus einem glaubwürdigen Bedrohungsgefühl heraus, würde auch in Deutschland nicht als "Mord" gewertet werden, weil der Vorsatz fehlt, sondern bestenfalls als Totschlag.

Das ist richtig, und was die Staaten betrifft, sind das sicher Extreme.
Allerdings: Es gibt auch eine Reihe von Staaten, in denen ich einen unbefugten Eindringling auf einem Privatgelände einfach erschiessen darf, und das wäre in Deutschland so nicht möglich (die Verhältnismäßigkeit wäre nicht gegeben).

Jetzt können wir auch eine Frage beantworten, die Europäer alle vier Jahre wieder zur Verzweiflung treibt: Warum es viele US-Bürger scheinbar nicht interessiert, wer ihr Präsident wird. Die Wahlbeteiligung auf Bundesebene ist tatsächlich vergleichsweise niedrig. Der Grund liegt aber nicht in einem allgemeinen politischen Desinteresse der Amerikaner, sondern einfach daran, dass der Bund für das Leben des Durchschnittsbürgers kaum eine Rolle spielt. Wesentlich wichtiger für ihn ist die Politik auf Landes- und Kommunalebene, wo er zudem einen großen und direkten Einfluss hat. Amerikaner sind ihrerseits völlig entsetzt, wie wenig sich Deutsche für Lokalpolitik interessieren. Oft wissen diese ja nicht einmal, wie der Polizeipräsident ihrer Stadt heißt.

Die jeweilige Haltung ist damit für das jeweilige politische System richtig - die Deutschen mit ihrer Betonung der Bundesebene und die Amerikaner mit ihrer Konzentration auf die Kommunalebene. Der Bürger ist halt nicht doof, zum Glück für beide Staaten und für die Demokratie an sich.
http://usaerklaert.wordpress.com/20...r-usa-oder-wo-man-vor-bush-am-sichersten-ist/

Nun, wenn ich de facto nur die Wahl zwischen 2 Parteien hätte, dann würde ich vielleicht auch nicht wählen gehen.
 

agentP

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... und sich dabei genau den Zeitraum herausgegriffen, in dem sie in einem guten Licht da stehen !!!
Offenbar ist das FBI da ehrlicher.
Nochmal: Mir geht es nicht darum, ob nun die Kriminalitätsrate steigt, sinkt höher oder niedriger ist. Mir geht es um den angeblichen Zusammenhang zwischen Sozialsystem und Kriminalität. Mir geht es darum dass zum einen sich die Kriminalitätsraten völlig unabhängig von wesentlichen Änderungen am Sozialsystem ändern. Dafür sprechen die Zahlen in den USA, in Schweden und in Deutschland, die alle einer einfachen Gleichung: Wenig ausgeprägtes Netz => hohe Kriminalität widersprechen.
Du behauptest die Kriminalität steigt weil die USA nicht so ein ausgeprägtes Sozialsystem haben. Ich zeige dir, dass die Kriminalität in den letzten Jahren über längere Zeit sogar gesunken ist völlig unbeeindruckt vom schwachen Sozialsystem und du kommst mir damit dass sie in den letzten beiden Jahren wieder steigt? Gut, und wo ist jetzt nochmal der Zusammenhang mit dem Sozialsystem? Mit den Korrelationen haut es offenbar schon nicht immer so hin und wo der kausale Zusammenhang zwischen Kriminalität und sozialem System liegt darüber schweigst du dich sowieso aus.

Nun, wenn ich de facto nur die Wahl zwischen 2 Parteien hätte, dann würde ich vielleicht auch nicht wählen gehen.

Mir ist das zu müssig diese Diskussion zu führen, denn wer sich ernsthaft mit dem politischen System der USA auseinandergesetzt hat, dem ist klar, dass Parteien in den USA einen entscheidend niedrigeren Stellenwert haben, als z.B. in Deutschland und dass Programme dort sehr viel stärker an den Personen hängen, als an Parteien was auch eine logische Folge des Mehrheitswahlrechts ist.
Wer versucht das 1:1 mit unserem System zu vergleichen, der hat imho wesentliche Unterschiede zwischen den Systemen einfach nicht begriffen.
 

Winston_Smith

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Nun, wenn ich de facto nur die Wahl zwischen 2 Parteien hätte

Stimmt nicht. Und schon gar nicht auf Landes- und Kommunalebene. Oder glaubst Du, dass im Stadtrat von z.B. San Francisco nur Demokraten und Republikaner sitzen?


ws
 

Giacomo_S

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agentP schrieb:
Mir geht es darum dass zum einen sich die Kriminalitätsraten völlig unabhängig von wesentlichen Änderungen am Sozialsystem ändern. Dafür sprechen die Zahlen in den USA, in Schweden und in Deutschland, die alle einer einfachen Gleichung: Wenig ausgeprägtes Netz => hohe Kriminalität widersprechen.

Für komplexe Systeme gibt es weder monokausale Ursachen, noch Patentlösungen. Ich denke, das habe ich einer meiner Antworten auch schon zumindest als Randbemerkung dargestellt.

Außerdem sprach ich nicht davon, dass kurzfristige Änderungen am Sozialsystem auch kurzfristig die Kriminalitätsraten verändern.

agentP schrieb:
Du behauptest die Kriminalität steigt weil die USA nicht so ein ausgeprägtes Sozialsystem haben.

Hier legst Du mir eine aussage in den Mund, die ich so nicht gemacht habe, oder zumindest so nicht gemeint.
Ich sprach nicht davon, dass in den USA die Kriminalitätsraten steigen, weil sie ein weniger ausgeprägtes Sozialsystem haben, sondern dass die Kriminalitätsrate generell höher ist, und das bereits schon immer.
Das die Kriminalitätsrate höher ist - aus welchem Grund auch immer - lässt sich eindeutig an Hand der Zahlen zeigen, daran gibt es nichts zu deuteln.
Zudem ist der Unterschied beträchtlich, je nach Art des Verbrechens immer hin der Faktor 1,8 (Raub) bis 6,4 (Mord - mehr als das sechsfache, das muss man sich mal geben !).

Den Begriff "Sozialsystem" möchte ich in diesem Zusammenhang auf die Kohle vom Staat für das Individuum beschränkt sehen.
Es gibt noch eine Reihe von Aspekten, die man unter dem Begriff "sozial" auffassen kann, die sicher eine Rolle spielen:

- Zugang zu Bildung und Ausbildung und somit die Chance, einen sinnvollen Beruf ergreifen zu können
Einen ähnlichen Effekt sehen wir doch in Ansätzen auch bei uns. Es gelingt den Schulen nicht, bestimmte Teile der Bevölkerung (z.B. bestimmte Migrantengruppen) entsprechend auszubilden, und Arbeitslosigkeit und Kriminalitätsraten dieser Gruppen steigen. Das finde ich nachvollziehbar: bereits als Jugendliche und junge Erwachsene chancenlos oder nur für die allerletzte Arbeit qualifiziert, lockt die Kriminalität mit einem hohen Einkommen.

agentP schrieb:
Ich zeige dir, dass die Kriminalität in den letzten Jahren über längere Zeit sogar gesunken ist völlig unbeeindruckt vom schwachen Sozialsystem und du kommst mir damit dass sie in den letzten beiden Jahren wieder steigt? Gut, und wo ist jetzt nochmal der Zusammenhang mit dem Sozialsystem?

Also die Belege für Schweden bist du bis auf bloße Behauptung bisher schuldig geblieben. Außerdem sehe ich nicht, warum das gegen meine Behauptung spricht, denn gerade die Schweden haben ja in den letzten 20 Jahren innerhalb ihres Sozialsystems erhebliche Einschnitte hinnehmen müssen. Es wäre hierbei interessant, welche Kriminalität gestiegen ist - behalten wir einmal im Hinterkopf, dass z.B. die Prostitution bis vor kurzem in Schweden gar nicht strafbar war.

agentP schrieb:
Mit den Korrelationen haut es offenbar schon nicht immer so hin und wo der kausale Zusammenhang zwischen Kriminalität und sozialem System liegt darüber schweigst du dich sowieso aus.

Wie ich schon sagte: Sicher ist das ein komplexeres Szenario.
Und wenn ich so diese Korrelation so todsicher belegen könnte, dann würde ich mich gleich als US-Präsidentenberater bewerben.

Aber drehen wir den Spieß doch mal um:
Ich behaupte jetzt einmal, dass KEIN westliches Land mit diesem Pro-Kopf-Einkommen, BIP/Einwohner usw. usf. eine Kriminalitätsrate auf diesem Niveau aufweist. Auch andere anglikanische Länder Kanada, Australien, Neuseeland sicher nicht.
Warum ist dann also die Kriminalitätsrate in den USA so verhältnismäßig hoch ?
 

Winston_Smith

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Warum ist dann also die Kriminalitätsrate in den USA so verhältnismäßig hoch ?

Vielleicht, weil die Gesetze in den USA härter sind und vieles, was in anderen Staaten erlaubt ist dort unter Strafe steht?

ws
 

agentP

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Es gibt noch eine Reihe von Aspekten, die man unter dem Begriff "sozial" auffassen kann, die sicher eine Rolle spielen:

- Zugang zu Bildung und Ausbildung und somit die Chance, einen sinnvollen Beruf ergreifen zu können
Einen ähnlichen Effekt sehen wir doch in Ansätzen auch bei uns. Es gelingt den Schulen nicht, bestimmte Teile der Bevölkerung (z.B. bestimmte Migrantengruppen) entsprechend auszubilden, und Arbeitslosigkeit und Kriminalitätsraten dieser Gruppen steigen. Das finde ich nachvollziehbar: bereits als Jugendliche und junge Erwachsene chancenlos oder nur für die allerletzte Arbeit qualifiziert, lockt die Kriminalität mit einem hohen Einkommen.

Die Argumentation würde ich verstehen, wenn wir alleine über Eigentumsdelikte sprechen würden, aber ausgerechnet da sind die Unterschiede ja gar nicht so groß, wenn ich deine Zahlen betrachte.
Auch da sollte man womöglich vorsichtig sein, wenn man ausgerechnet die USA zum Vergleich für Bildung als Hemmschuh nimmt, denn:
Die Schulen in den USA haben ein miserables Image, schlugen die deutschen beim Pisa-Vergleich aber um Längen. Vor allem die Integration von Einwanderer-Kindern gelingt dort besser.
http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,204618,00.html


Also die Belege für Schweden bist du bis auf bloße Behauptung bisher schuldig geblieben.
Nein, ich habe einen entsprechenden Artikel zitiert. Kuck dir mein Posting oben an, da ist der Link. Da gibt es auch Links zu einzelnen Aufstellung aus denen hervorgeht, dass Schweden z.B. auch bei Raub und Autodiebstählen vorne liegt.


Ich behaupte jetzt einmal, dass KEIN westliches Land mit diesem Pro-Kopf-Einkommen, BIP/Einwohner usw. usf. eine Kriminalitätsrate auf diesem Niveau aufweist. Auch andere anglikanische Länder Kanada, Australien, Neuseeland sicher nicht.
Warum ist dann also die Kriminalitätsrate in den USA so verhältnismäßig hoch ?
Zum einen bezeichnet "anglikanisch" die Zugehörigkeit zur Anglikanischen Kirche und da gehören diese Länder sicher nicht dazu. Das nur so als Hinweis.
Zum anderen dürfte es wohl nach wie vor eher schwierig sein ein westliches Land mit einem vergleichbaren Pro-Kopf Einkommen zu finden.
Und dann, wie soll man das vergleichen? Wenn ich Schweden anführe, dann ist das plötzlich nicht vergleichbar, wenn es dir in die Argumentation passt, dann sind diese Dinge doch vergleichbar.


... und sich dabei genau den Zeitraum herausgegriffen, in dem sie in einem guten Licht da stehen !!!
Offenbar ist das FBI da ehrlicher.

Und du pickst den Zeitraum heraus, der deine Argumentation stützt. Nicht viel besser btw. Auf der von mir ebenso wie von der Botschaft verlinkten Seite zum Justizministerium wären natürlich auch die Daten von 2006 und 2007 zu finden gewesen, wenn man sich die Mühe gemacht hätte den Links zu folgen.
 

Booth

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Winston_Smith schrieb:
Warum ist dann also die Kriminalitätsrate in den USA so verhältnismäßig hoch ?
Vielleicht, weil die Gesetze in den USA härter sind und vieles, was in anderen Staaten erlaubt ist dort unter Strafe steht?
Wie zum Beispiel... was? Waffenbesitz kann es wohl kaum sein ;)

Was ist aber an "Raub" und insbesondere "Mord" so anders interpretierbar?

Prinzipiell finde ich den Gedanken, den Giacomo äussert, logisch nachvollziehbar. Dort wo es relativ vielen Menschen finanziell eher schlecht geht, und sie weniger Zukunftsperspektiven für sich sehen, wird es relativ viele dieser Menschen geben, die ausserhalb der Gesetze ihren Vorteil und Profit suchen. Und wenn ich keine notwendige Bildung besitze, um Wirtschaftsdelikte zu begehen (für die man ja heutzutage idealerweise einen BWL-Abschluss macht :D ), beschränke ich mich auf simplere Delikte, wie einfachen Raub oder Diebstahl.

So etwas nachzuweisen, halte ich allerdings auch für kaum machbar.

gruß
Booth
 

Ein_Liberaler

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Prinzipiell finde ich den Gedanken, den Giacomo äussert, logisch nachvollziehbar. Dort wo es relativ vielen Menschen finanziell eher schlecht geht, und sie weniger Zukunftsperspektiven für sich sehen, wird es relativ viele dieser Menschen geben, die ausserhalb der Gesetze ihren Vorteil und Profit suchen.

Und die Menschen sehen in den USA weniger Perspektiven für sich als in Deutschland? Nicht nur angesichts der Fakten, sondern auch der sprichwörtlich optimistischen Einstellung der Amerikaner möchte ich da Zweifel anmelden.
 

Booth

Erleuchteter
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Ein_Liberaler schrieb:
Prinzipiell finde ich den Gedanken, den Giacomo äussert, logisch nachvollziehbar. Dort wo es relativ vielen Menschen finanziell eher schlecht geht, und sie weniger Zukunftsperspektiven für sich sehen, wird es relativ viele dieser Menschen geben, die ausserhalb der Gesetze ihren Vorteil und Profit suchen.
Und die Menschen sehen in den USA weniger Perspektiven für sich als in Deutschland?
Hö? Wieso "die Menschen"? "Diese Menschen"... oder... meinst Du das damit? Es geht nicht darum, direkt die Perspektivlosigkeit zu vergleichen, sondern zu überlegen, ob es in den USA verhältnismäßig mehr Menschen mit Perpektivlosigkeit gibt, die zudem von Sozialsystemen im Stich gelassen werden.
Nicht nur angesichts der Fakten, sondern auch der sprichwörtlich optimistischen Einstellung der Amerikaner möchte ich da Zweifel anmelden.
Tja - zu zweifeln finde ich eh immer gut. Zu Verallgemeinern nicht. Es gibt so wenig "die Amerikanier", wie es "die Deutschen" gibt. Und ganz sicher gibts sowohl hier als auch da nicht wenige, die keine Perspektive für ihr Leben sehen.

Die Frage ist, ob dies durch soziale Systeme zum Teil aufgefangen werden kann. Dies ist eine Theorie... eine, die nicht völlig aus der Luft gegriffen ist... der man aber statistisch in Millionen-Völkern kaum auf die Spur kommen kann.

Es sei denn, der Haus-und-Hof-Statistiker (also antimagnet) hat interessante Ideen dazu ;)

gruß
Booth
 

Ein_Liberaler

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Booth, widersprichst Du aus Prinzip? Ich kann jetzt keine bestimmten Statistiken nennen, aber ich habe schon einige gesehen, aus denen die positivere, optimistischere Lebenhaltung der Amerikaner hervorgeht, und wenn Du nicht alles prinzipiell so auslegen würdest (so kommt es mir jedenfalls vor), daß Du widersprechen kannst, dann würdest Du erkennen, daß es um ein Aggregat geht, eine Tendenz, nicht um alle Amerikaner und nicht um ein Klischee, und daß ich genau das ausdrücken wollte: Daß sich in den USA anteilig wahrscheinlich weniger Menschen deklassiert, ausgegrenzt und perspektivlos fühlen als hierzulande.
 

Booth

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Ein_Liberaler schrieb:
Booth, widersprichst Du aus Prinzip?
Bei Dir immer :D
Ich kann jetzt keine bestimmten Statistiken nennen, aber ich habe schon einige gesehen, aus denen die positivere, optimistischere Lebenhaltung der Amerikaner hervorgeht
Hier gehts nicht um DEN Amerikaner, sondern um Amerikanier, die aus dem Sozialnetz rausgefallen sind. Das ist eine spezielle Abteilung... so wie bei uns ebenfalls die Leute, die quasi auf Jahre in diesem Sozialnetz "gefangen" sind, oder sich dort gar aalen.
dann würdest Du erkennen, daß es um ein Aggregat geht, eine Tendenz, nicht um alle Amerikaner und nicht um ein Klischee, und daß ich genau das ausdrücken wollte: Daß sich in den USA anteilig wahrscheinlich weniger Menschen deklassiert, ausgegrenzt und perspektivlos fühlen als hierzulande.
Tja dann... gibts da wahrscheinlich anteilig mehr Mord und Totschlag, weil sie die Statistiker erschlagen und erschießen, die diese falschen Umfragen veröffentlichen ;)

Ich finde die Theorie plausibel, einen Zusammenhang zu vermuten. Ob sie stimmt, weiss ich nicht. Aber ich bin mir sicher, daß die Untermauerung durch Statistiken, ganz gleich in welche Richtung, allenfalls als schwaches Indiz gewertet werden kann.

Wie Giacomo sagte... soziale Zusammenhänge in Grössenordnungen von Millionen von Menschen sind komplexe, chaotische Systeme.

Prinzipiell finde ich aber den Gedanken nachvollziehbar, daß jemand, der keine andere Möglichkeit sieht, sich den "üblichen" Luxus der umgebenden Gesellschaft zu gönnen, zu kriminellen Methoden greifen könnte... für mich ist dies eine plausible Motivation. Für Dich nicht?

Ob das nun in den USA tatsächlich ein "wesentlicher" (Mit)-Grund für die dort offenbar höhere Rate von Raub und Mord ist... kann ich nicht beurteilen. Aber die Möglichkeit sehe ich. Was ist an dieser Formulierung auszusetzen? Siehst Du die Möglichkeit etwa nicht?

gruß
Booth
 

agentP

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Prinzipiell finde ich den Gedanken, den Giacomo äussert, logisch nachvollziehbar. Dort wo es relativ vielen Menschen finanziell eher schlecht geht, und sie weniger Zukunftsperspektiven für sich sehen, wird es relativ viele dieser Menschen geben, die ausserhalb der Gesetze ihren Vorteil und Profit suchen.

Dem Gedanken würde ich auch nicht widersprechen. Das war aber nicht der Ausgangspunkt, es sei denn, man impliziert von vorne herein, dass nur ein gut ausgebautes Sozialsystem diese Probleme grundsätzlich beheben kann.
 

Giacomo_S

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agentP schrieb:
Die Argumentation würde ich verstehen, wenn wir alleine über Eigentumsdelikte sprechen würden, aber ausgerechnet da sind die Unterschiede ja gar nicht so groß, wenn ich deine Zahlen betrachte.

Und die Argumentation "nicht so groß" kann ich nicht nachvollziehen. Ein Faktor von 1,8 ist immerhin fast das Doppelte.
Im übrigen ging es nicht um Eigentumsdelikte allgemein, sondern nur um Wohnungseinbrüche. Wenn schon das fast Doppelte von Dir als "nicht so groß" angesehen wird - was ist dann in Deinen Augen "groß".

Im Übrigen: Meine Zahl war falsch. Manchmal ist es nicht so einfach, die Zahlen zu vergleichen, weil unterschiedliche Kategorien zugrunde gelegt werden.

Wohnungseinbrüche USA (Burglary, Residence (dwelling):: 1.147.891
Wohnungseinbrüche Deutschland Wohnungseinbruchdiebstahl:106.107

Berechnet auf die jeweilige Bevölkerung ergibt sich hier sogar ein Faktor BRD:USA von 2,9 !
Oder im Klartext: Es gibt in den USA (Bevölkerungszahl rausgerechnet) rund 3x soviele Wohnungseinbrüche wie bei uns !

Findest Du das noch immer "nicht so groß" ?

agentP schrieb:
Nein, ich habe einen entsprechenden Artikel zitiert. Kuck dir mein Posting oben an, da ist der Link. Da gibt es auch Links zu einzelnen Aufstellung aus denen hervorgeht, dass Schweden z.B. auch bei Raub und Autodiebstählen vorne liegt.

Nun, was die generelle Gefährlichkeit (sprich: Gesamtkriminalität) betrifft, liegt Schweden auf Platz 7 und Deutschland auf Platz 9.
Jetzt erlaube ich mir einmal ein "der Unterschied ist nicht so groß".
Und ob das heutige schwedische Sozialsystem so viel dichter ist, wage ich zu bezweifeln. Gerade die Schweden haben in den letzten 20 Jahren deutliche einschnitte hinnehmen müssen:

Wikipedia schrieb:
Eine schwere Wirtschaftskrise zu Beginn der 1990er-Jahre führte zu einer Kürzung von Sozialleistungen und die erwartete demographische Entwicklung führte zu einem radikalen Umbau des Rentensystems, das nun an die wirtschaftliche Entwicklung gekoppelt ist. Die letzten Wahlen zeigten aber, dass gerade die Kernbereiche des Wohlfahrtsstaates auch heute noch dem Staatsbürger am Herzen liegen, auch wenn vom „Volksheim“ nicht sehr viel übrig geblieben ist, auch wenn die sozialen Leistungen teilweise immer noch über dem Niveau anderer europäischen Staaten liegen.

Was Deinen Link betrifft: "Für den aktuellen Opferreport wurden insgesamt rund 35.000 repräsentativ ausgewählte Menschen aus den 15 alten EU-Mitgliedsstaaten sowie aus Polen, Ungarn und Estland über ihre Erfahrungen mit "gewöhnlichen Straftaten" befragt."
Eine Befragung also, keine Fallstudie. Man möchte meinen, das hier auch viel gefühlte Kriminalität mit hineinspielt und nicht nur die reale.
Aber schauen wir uns doch einmal die ersten Plätze an:

1. Irland
2. Großbritannien
3. Estland

Sind es etwa nicht entweder "arme" EU-Länder resp. Länder mit vergleichsweise "konservativen" Gesellschaftsordnungen (jetzt komm' mir bitte nicht mit dem Argument, in GB regiere ja Labour).
Es wäre interessant, die Zahlen für die vergleichsweise ärmeren "neuen" EU-Länder zu sehen: Spanien, Portugal.

agentP schrieb:
Zum anderen dürfte es wohl nach wie vor eher schwierig sein ein westliches Land mit einem vergleichbaren Pro-Kopf Einkommen zu finden.

Ich wollte vermeiden, dass Du mir mit der Kriminalitätsstatistik von Rumänien oder Südafrika kommst.

agentP schrieb:
Und dann, wie soll man das vergleichen? Wenn ich Schweden anführe, dann ist das plötzlich nicht vergleichbar, wenn es dir in die Argumentation passt, dann sind diese Dinge doch vergleichbar.

Wir können gern die Kriminalitätsstatistik von Schweden mit der der USA vergleichen. Ich bezweifle nur, das substanziell andere Quoten dabei herauskommen.

agentP schrieb:
Und du pickst den Zeitraum heraus, der deine Argumentation stützt. Nicht viel besser btw. Auf der von mir ebenso wie von der Botschaft verlinkten Seite zum Justizministerium wären natürlich auch die Daten von 2006 und 2007 zu finden gewesen, wenn man sich die Mühe gemacht hätte den Links zu folgen.

Nein, ich picke mir den aktuellen Zeitraum heraus. Ich hätte 2007 gewählt, wenn der Bericht des BKAs für diesen Zeitraum verfügbar gewesen wäre. Anderenfalls hätte ich 1991 herausgegriffen, da waren es noch 24.703 Morde (statt 2006: 17.034) - und das mit rund um 43 Millionen Menschen kleineren Bevölkerung.

Gewaltverbrechen von 1993 bis 2004 um 57% zurückgegangen

Diese Aussage halte ich deshalb für schön geredet, denn wie diese FBI-Tabelle zeigt, ist die Violent Crime Rate zwischen 1987 und 1993 kontinuierlich um 22% auf ein Hoch angestiegen, um danach bis 2004 wieder auf ein Tief abzufallen:

Jahr, Violent Crime Rate, Veränderung im Vergleich zu 1987:

1987: 612.5
1989: 666.9 + 9%
1991: 758.2 + 23,8%
1993: 747.1 + 22%
1995: 684.5 + 11,8%
1999: 611.0 - 0,24%
2001: 504.5 - 17,6%
2004: 463.2 - 24,4%

Wenn ich also den schlechtesten VCR-Wert mit dem besten VCR-Wert vergleiche, ja dann bekomme ich natürlich so schöne Werte wie "um 57% gesunken". Denn 1993 war der VCR-Wert ungewöhnlich hoch, 2004 ungewöhnlich niedrig ! Und wie geht's weiter:

2005: 469.0 -23,4%
2006: 473,5 -22,7%

Immer noch bessere Werte als 1987, man sieht aber auch, dass die Rate wieder im Steigen begriffen ist.
 

agentP

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Immer noch bessere Werte als 1987, man sieht aber auch, dass die Rate wieder im Steigen begriffen ist.
Schön in´s negative formuliert. Ich sehe daran eher, dass sich der Rückgang verlangsamt.

Wir können gern die Kriminalitätsstatistik von Schweden mit der der USA vergleichen. Ich bezweifle nur, das substanziell andere Quoten dabei herauskommen.

Wir können auch die Kriminalstatistiken von Neuseeland und Australien nehmen, beides Länder mit einem zum Teil noch schlankeren Sozialsystem als in den USA. Nach deiner These müsste da dann die Kriminalität noch höher sein, als in den USA.

Und ob das heutige schwedische Sozialsystem so viel dichter ist, wage ich zu bezweifeln.
Kannst du diese Zweifel auch an Fakten festmachen oder bestehen sie nur, weil sie in die Argumentation passen? Dein wiki-Schnipsel sagt ja selber:
auch wenn die sozialen Leistungen teilweise immer noch über dem Niveau anderer europäischen Staaten liegen.

Ehrlich gesagt ist mir das auch egal und bevor wir antimagnet mit unserem dilettantischen Interpretieren von Statistiken möglicherweise noch Alpträume bereiten, hake ich diese Diskussion für mich ab, denn wir drehen uns eh längst im Kreis.

Dass die Kriminalität in den USA höher ist, habe ich nie bezweifelt, ebenso wenig wie dass das Sozialsystem weniger ausgebaut ist. Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen USA machen es fast unmöglich einen direkten Vergleich mit Deutschland anzustellen, weil auch viele andere Faktoren die für die Kriminalität eine große Rolle spielen völlig unterschiedlich sind, z.B. Rechtssprechung, Grad und Form der Urbanisierung, Sozialstruktur.
Ganz abgesehen davon, dass das Sozialsystem in den USA im wesentlichen bei den Bundestaaten und Kommunen aufgehängt ist und nicht beim Bund, wie in Deutschland.
Wenn überhaupt, dann könnte man aus den USA vielleicht Erkenntnisse ziehen, indem man die einzelnen Bundesstaaten vergleicht.
Letzten Endes dürfte aber die Kriminalität am stärksten vom Wohlstand abhängig sein und für den allgemeinen Wohlstand, der nun mal auch von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängt und die Chancen die du vorher angesprochen hast, ist ein dichtes Sozialsystem nicht immer von Vorteil und ein schlecht konzipiertes oft sogar Gift.
Und genau aus diesem Grund halte ich die Argumentation, man könne anhand von Kriminalitätsraten von Deutschland und den USA nachweisen, dass "Staaten mit kleineren Sozialsystemen und größerer Schere zwischen Arm und Reich erkaufen sich ein solches System aber auch mit einer höheren Kriminalität" schlicht für mehr als lückenhaft.
 

antimagnet

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agentP schrieb:
Ehrlich gesagt ist mir das auch egal und bevor wir antimagnet mit unserem dilettantischen Interpretieren von Statistiken möglicherweise noch Alpträume bereiten, hake ich diese Diskussion für mich ab, denn wir drehen uns eh längst im Kreis.

nur auf die schnelle - ich schreib später noch was: keine alpträume, kein dilettantismus, ich finde auch nicht, dass ihr euch arg im kreis dreht. ich glaube, die ursachen für kriminalität zu finden, dürfte schwerer sein als quantenphysik - deshalb kann ich später auch nur anmerkungen und ideen loswerden; eine fertige erkenntnis ist mir und dürfte auch anderen unmöglich sein zu formulieren...
 

antimagnet

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also, dann will ich mal:


es gibt sehr viele theorien zur erklärung von kriminalität; bzw. besser: devianz, d.h. abweichendes verhalten. soziologen benutzen lieber diesen begriff, weil damit sämtliche nicht-normkonformen verhaltensweisen gemeint sind. erstens ist dann die reichweite der theorie größer (immer gut) und zweitens müssen sie sich dann nämlich nicht noch damit rumplagen , wie aus sozialen normen rechtsnormen werden.

eine weit verbreitete theorie ist die anomietheorie dürkheims und mertons. nach dieser gibt es in jeder gesellschaft bestimmte ziele, die jedermann erreichen soll. z.b. ein haus, ein auto, genug geld, etc. nun gibt es menschen, die diese ziele nicht mit normkonformen mitteln (wie arbeiten gehen) erreichen (wollen oder können?). und diese müssen dann eben zu nicht-normkoformen mitteln greifen, zeigen also deviantes verhalten.

giacomos hypothese lautet "Staaten mit kleineren Sozialsystemen und größerer Schere zwischen Arm und Reich erkaufen sich ein solches System aber auch mit einer höheren Kriminalität." und im prinzip finde ich das gar nicht so abwegig oder falsch. man kann davon ausgehen, dass der reiche mainstream die ziele definiert, und unterprivilegierten schichten bleibt häufig nur kriminelles verhalten. je größer die schere bzw. je dürftiger das sozialsystem (und damit einhergehend je mehr unterprivilegierte es gibt), desto größer müsste dann die kriminalitätsrate sein.

insofern würde ich agentp also eher nicht zustimmen, wenn er sagt:

agentP schrieb:
Das hat imho überhaupt nix damit zu tun, wie weit die Schere klafft, sondern wie hoch die Schere insgesamt hängt. In einem Land mit Vollbeschäftigung, wo die Ärmsten sich noch 2 Autos leisten können und 2 Urlaube im Jahr, wird die Schere klaffen können wie sie will und trotzdem keinen Einfluss auf die Kriminalitätsrate haben.

es könnte doch sein, dass in diesem land mit vollbeschäftigung die vorgeschriebenen ziele eben nicht zwei autos und zwei urlaube sind, sondern eher fünf bis zehn autos und urlaube. die anomietheorie würde hier durchaus greifen.

insofern ist auch sein einwand, nicht aus jeder korrelation eine kausalität zu machen, zwar generell berechtigt, aber hier eventuell zu streng. eine korrelation wird dann zu einem kausalen zusammenhang, wenn der theoretische background gegeben ist. abstrakt gesagt: empirisch feststellen können wir immer nur korrelationen. kausalitäten entstehen erst durch die theoretische fundierung. je besser diese ist, desto besser für die kausalitätsannahme. nun ist die anomietheorie bestimmt nicht der weisheit letzter schluss, aber es ist immerhin eine theorie, und auch keine so abwegige.


um die konkreten kriminalitätsstatisken mag ich mich eigentlich kaum kümmern - aber ein paar hinweise loswerden: generell besteht bei der betrachtung von zeitverläufen immer die gefahr, dass man sich die passenden zeiträume herauspickt - da hilft nur, das zeitfenster größer zu machen. dann gibt es verzerrungen dadurch, dass durch gesetzesänderungen bislang legale verhaltensweisen kriminalisiert werden; das kann zu einer erhöhung der kriminalitätsrate führen, ohne dass sich das verhalten der bevölkerung verändert hat. des weiteren kann es sein, dass sich das anzeige- bzw. ahndungsverhalten, z.b durch eine verstärkte medienberichterstattung über ein bestimmtes thema, verändert. so entstehen, im zeitverlauf und abhängig von der kategorie der kriminalität unterschiedliche dunkelfeld-quoten. in den offiziellen kriminalitätsstatisken finden sich ja nur die angezeigten bzw. nur die überführten kriminalitätsfälle, das sog. hellfeld. und das zeigt nicht das tatsächliche verhalten der bevölkerung.

um diesem problem herr zu werden, sind umfragen weit bessere möglichkeiten zur erfassung des tatsächlichen verhaltens der bevölkerung. so lässt sich dem dunkelfeld/hellfeld-problem begegnen und wir können auch länder mit unterschiedlichen legalitätsauffassungen vergleichen (die fragen sollten halt gleich sein und sich auf konkret erlebtes beziehen und nicht auf hypothetisch wahrgenommenes).


aber um nochmal den bogen zur theoretischen fundierung zu giacomos hypothese zu schlagen:

agentP schrieb:
Wir können auch die Kriminalstatistiken von Neuseeland und Australien nehmen, beides Länder mit einem zum Teil noch schlankeren Sozialsystem als in den USA. Nach deiner These müsste da dann die Kriminalität noch höher sein, als in den USA.

das ist ein sehr guter vorschlag - so werden hypothesen überprüft. man muss sie auf eine harte probe stellen und nicht nur dort bestätigen, wo die zahlen eh dafür sprechen. man muss nach widerlegungen suchen. insofern ist hier agentps forderung genau richtig (das durchführen überlass ich aber euch...).


und einen punkt wollte ich noch loswerden, auch wenn er etwas off-topic ist:

ob jetzt generell alle amerikaner eine optimistischere lebenseinstellung haben oder nur die privilegierten, weiß ich nicht, und kann auch keine umfrage-ergebnisse zur optimistischen lebenseinstellung der amerikaner vorweisen. mir ist allerdings keine andere nation bekannt, die explizit das streben nach glück als ein unveräußerliches menschenrecht betrachtet...
 
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