Gab es früher matriarchale Kulturen?

Gab es früher matriarchale Kulturen

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Telepathetic

Großmeister
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Also erstmal Danke für die umfassenden Erklärungen.

sillyLilly schrieb:
Ja, eine egalitäre Gesellschaft ohne ein vorherrschendes Geschlecht.... wie wir es heute haben?
Naja, wenn ich mir die Sprache so anschaue, dann sind da viele Relikte langer Männerherrschaft noch tief verwurzelt. Es ist immernoch History und selten Herstory ;)
Also da bin ich noch nicht so ganz mit mir im Reinen. Jedenfalls bietet unsere Gesellschaft viel größere Chancen ein eigenbestimmtes Leben zu führen. Alle reden öffentlich über alles und der Eindruck, dass es keine übergreifendes Nationalgefühl (meinetwegen europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl) gäbe, entsteht womöglich aus dem fehlenden Zwang zum einheitlichen Denken und Fühlen und Handeln.

Da hatte ich einst ein schönes Büchlein besessen, dass sich um die Spuren der Männerherrschaft in der deutschen Sprache gedreht hat. Spontan fällt mir die früher vorherrschende Meinung ein, Frauen seien des Denkens nicht mächtig. Zeigt sich dann in einem Wort wie "dämlich". Die Männer dagegen sind etwas Gutes und wenn etwas Gutes noch besser wird, dann wird es "herrlich".

Muß gerade an den King of Queens denken. Die Serie gehört zu einer Reihe von TV-Serien in denen die früheren US-amerikanischen Verhältnisse gerade umgedreht worden sind. Der Mann ist doof und kindisch, während die Frau vernünftig ist und die Familie am Laufen hält.
 

Ein_Liberaler

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Dämlich (schwindelig, taumelig, benebelt, dumm) hat nichts mit dem französischen Lehnwort Dame zu tun... Und natürlich git es Herr und Herrin (von hehr = höher), Frau und Fron (wie in Fronleichnam) usw. usf. War das Büchlein vielleicht scherzhaft gemeint?
 

Telepathetic

Großmeister
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Es war nicht scherzhaft gemeint. Ich habe eindeutig etwas falsch wiedergegeben.

Ich will schauen, ob ich das Buch im Internet finden kann.

(edit) Die Autorin heißt Luise F. Pusch und das Buch "Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik". (edit)
 

sillyLilly

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Ein_Liberaler schrieb:
Dämlich (schwindelig, taumelig, benebelt, dumm) hat nichts mit dem französischen Lehnwort Dame zu tun... Und natürlich git es Herr und Herrin (von hehr = höher), Frau und Fron (wie in Fronleichnam) usw. usf. War das Büchlein vielleicht scherzhaft gemeint?


Naja ich gestehe das mit History und Herstory ist ja auch ein wenig geschummelt. Sprachwissenschaftlich ist die Herleitung nicht haltbar.
Aber es ist so schön plakativ in der Aussage ;)

Wo wir über Sprache reden erinnere ich mich an die graue Vorzeit
:derweise:
Ich weiß nicht mehr genau mit wem das war :gruebel: war es mit dem agenten?
Da man ja oft in männlicher Form redet und schreibt, wenn es eigentlich gar nicht geschlechtlich zuzuordnen ist.... (z.b. Wenn du das liegen läßt kann einer darüber stolpern.) ..... wollten wir das mal eine Woche lang umdrehen und es im Zweifel weiblich ausdrücken, um auszuprobieren wie das so ist.
(z.b. Bitte räum das weg, sonst kann eine darüber solpern.)

Ich weiß gar nicht mehr ob wir das auch durchgehalten haben. :gruebel:
Ob ich das noch wiederfinde?
 

Giacomo_S

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sillyLilly schrieb:
Ich bin der Meinung das es mit Macht zu tun hat und der Monthistische Vaterglaube -die Kirche- in den letzten 2000 Jahren wirklich viel schlimmes angerichtet hat. (Gläubige Menschen mögen mir an dieser Stelle verzeihen)
Aber z.B. Hexenverbrennung ist an sich schon ein Thema über das es Bücher und Abhandlungen gibt, dass damit "kluge Frauen" und " altes Wissen" bewußt vernichtet wurde.

Die Hexenverbrennungen der Kirche anzukreiden ... das glauben wir alle gerne, ist aber zum größten Teil eher falsch.

Es waren weltliche Gerichte und Verfolger, von denen die Hexenverfolgungen ausgingen. Die Kirche hatte an den Hexenverfolgungen so gut wie keinen Anteil und wohl auch kein Interesse. Deren Augenmerk lag vielmehr auf Ketzern, Abweichlern, Wissenschaftlern und anderen Überzeugungstätern.
Giordano Bruno landete nicht wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen.
Die staatliche spanische Inquisition, gegründet im späten 15. Jahrhundert, lehnte Hexenverfolgung ausdrücklich ab.

Die Hochphase der Hexenverfolgungen lag auch nicht im Mittelalter, sondern danach, in der frühen Neuzeit, vor allem während des 30jährigen Krieges (1618-1648). Eine weitere Ursache ist sicherlich in der sog. "kleinen Eiszeit" zu sehen, einer ungewöhnlich kalten Klimaperiode vom 15.-19. Jh. Kalte und lange Winter, kühle und verregnete Sommer lösten Missernten aus.

"Kluge Frauen" und "altes Wissen" - das halte ich in der Form für romantisches feministisches Wunschdenken. Sicher mag es Kräuterheilkundige weiblichen und männlichen (vergessen wir die Klostermedizin nicht) Geschlechts gegeben haben. Mit Sicherheit gab es aber genauso unter ihnen Quacksalberei, unwirksame Rezepturen und Rosskuren, die sich heute niemand mehr antun würde (weil's bessere Medikamente gibt).

Im übrigen verstellt es den Blick darauf, dass auch die Kräuterheilkunde keineswegs statisch ist. Deutschlands größter Hersteller von Naturheilkunde (die Fa. Klosterfrau. Haben neben dem Melissengeist noch rund 30 andere, ausschließlich naturheilkundlich hergestellte Präparate) ist im Übrigen die Nr. 1 in Punkto Umsatz. Denn sie verkaufen mehr als die Nr. 2 (Bayer: Aspirin).
Allerdings sind deren Präparate auch nicht mehr die Naturheilmedikamente von früher, deren grundsätzliches Problem schwankende Wirkstoffgehalte waren. Die Wirkstoffgehalte moderner Naturheilmedikamente sind konstant, teils hat man auch schädliche Substanzen entzogen. Es hat also auch in diesem Bereich - und zwar durch naturwissenschaftliche Methoden - eine Weiterentwicklung stattgefunden.
 

Goatboy

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Giacomo_S schrieb:
Die Kirche hatte an den Hexenverfolgungen so gut wie keinen Anteil und wohl auch kein Interesse.
Na ja, solche Unschuldslämmer waren die Kirchenvertreter nun auch wieder nicht, auch wenn es stimmt, dass die Hexenprozesse - ich glaube so um das 16. Jahrhundert herum - der weltlichen Gerichtsbarkeit übergeben wurden. Ein wesentlicher Bezugspunkt der Hexenverfolgungen war der vom Dominikanermönch und Inquisitor Heinrich Kramer 1486 verfasste Hexenhammer. Ferner beteiligte sich die Kirche sehr wohl an den Verfolgungen und war an ihnen interessiert, obwohl sie die Prozesse nicht mehr selbst durchführte. Außerdem war es auch mehr eine Frage des Begriffes: wen die Richter Hexen nannten, nannten die Inquisitoren Ketzer. Ein anderer Name für dasselbe Kind.

Es sei jedoch ausdrücklich betont, daß der Niedergang der kirchlichen Gerichtsbarkeit nicht bedeutete, daß der Klerus weniger an der Verfolgung der Hexerei interessiert war. Er sorgte sich nicht minder als zuvor um Satanskult und die Ausübung schädlicher Zauberei. Aber er änderte seine Taktik und unterstützte die Justizbehörden in etwa derselben Weise wie früher umgekehrt weltliche Magistrate die kirchlichen Richter. Im 16. und 17. Jahrhundert drängte der Klerus die Behörden oft, schärfer gegen Hexen vorzugehen; er half bei der Ergreifung Verdächtiger und nutzte die Kanzel, um zur Hexenjagd aufzurufen. In Salem, Massachusetts, unterstützte der Klerus die Hexenverfolgung aktiv, obwohl die Verfahren vor weltlichen Gerichten stattfanden. In Schottland verhörte der Klerus die Hexen nach ihrer Verhaftung und drängte die Regierung sogar mehrfach, die Hexenverfolgungen fortzusetzen. In Cambrésis beteiligten sich Gemeindepfarrer an der Identifizierung und Verfolgung von Hexen. Den unmittelbarsten Einfluß auf weltliche Hexenprozesse übten die Kleriker in den deutschen und burgundischen Territorien aus, in denen Bischöfe oder Mönche über weltliche Macht verfügten. In diesen Territorien übertrugen die kirchlichen Herren die Hexenprozesse weltlichen Instanzen, eine Taktik, die ihnen größeren Handlungsspielraum als bei dem Einsatz geistlicher Gerichte einräumte und sie nicht in die Verlegenheit brachte, daß kirchliche Gerichte körperliche Bestrafungen verhängen könnten. Die Hexenjagden in den von geistlichen Herren regierten Gebieten von Ellwangen, Mergentheim, Trier, Würzburg und Bamberg waren ebenso umfangreich wie die in anderen Teilen Deutschlands.

Brian P. Levack: Hexenjagd: Die Geschichte der Hexenverfolgung in Europa, Seite 93f.

Noch was zum Interesse der Kirchenvertreter an der Hexenverfolgung:

Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen… Sie können ein Kind verzaubern… Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird… Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann … Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder … Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.

Martin Luther: Predigt vom 6. Mai 1526, WA 16, 551f.
Der gut genährte Luther litt bekanntlich an Gicht. Ich frage mich gerade, ob er diese mit der geheimnisvollen Krankheit im Knie meinte - wäre ja praktisch, wenn man dafür einfach eine Zauberin hinrichten könnte.


Giacomo_S schrieb:
Giordano Bruno landete nicht wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen.
Nein, sondern wegen Ketzerei und Magie. Gejagt und gefangen wurde er von der Inquisition. Gibt es in dem Zusammenhang wirklich einen so großen Unterschied zwischen Hexerei und Magie?
 

sillyLilly

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Witziger Zufall ist das gerade ....

Ich habe gerade eben in meinem Regal nach Büchern geschaut, weil ich für 2 Tage wegfahren wollte und gucken wollte, was ich mitnehme.
Dabei hab ich ein Buch im Regal gefunden und eingepackt, welches ich noch nicht gelesen habe.

"Vernichtung der weisen Frauen" von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger
Klappentext schrieb:
"Der Holocaust an den Hexen sei, lautet die zentrale These der Bremer Professoren Gunnar Heinsohn und Otto Steiger, 'nicht nur ein Produkt geisteskranker Hysterie einzelner Staats- und Kirchenmänner', sondern von Klerus und Adel aus 'exaktem politischem Kalkül entwickelt' worden: um mit den Frauen 'das alte Volkswissen über Geburtenkontrolle auszurotten', das von den vorrangig als Hexen verdächtigten Hebammen gehütet und weitergegeben wurde. Durch die gewaltsame Tilgung des Verhütungswissens sollten die Frauen dazu gebracht werden, mehr Kinder zu empfangen und aufzuziehen, als sie für die ökonomische Reproduktion ihrer Familien brauchten." (Der Spiegel)

Und dann komm ich an den Computer und lese eure Beiträge über Hexenverbrennung. Das sie nicht von den Kirchen sondern von weltlichen Gerichten forciert wurde.
Na wenn das nicht ne gute VT ist *hehe* ;)
Jetzt bin ich ja richtig neugierig auf das Buch



Zum Unterschied zwischen Magie, Zauberei und Hexerei wüßte ich auch nix.
Wurde das unterschieden?
 

Goatboy

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Gunnar Heinsohn ist umstritten. Ich finde seine Vorstellung vom youth bulge sehr interessant, auch wenn dieses Konzept nicht alle Fragen beantwortet (aber welches tut das schon). Die Richtigkeit der These über die Vernichtungen der weisen Frauen, von der du schreibst, wird jedoch teilweise angezweifelt, das sollte man im Hinterkopf behalten. Könntest du hier ein paar Punkte aufführen, wenn du mit dem Buch fertig bist?
 

sillyLilly

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naja, Thesen sind halt so. Derer gibt es viele .... manche werden mit der Zeit immer wahrscheinlicher und manche überholen sich mit neuen Erkenntnissen.

Kenne Gunnar Heinsohn nicht und nach youth bulge musste ich eben mal googlen.
:gruebel: tja das ist wahrlich interessant, wenn man sich die demografische Zusammensetzung der Bevölkerung in manchen Ländern so vor Augen führt.


Wie es scheint ist er aber kein Vertreter sonst von Feminismusthemen sondern hat irgendwie den Schwerpunkt Bevölkerungspopulation und Entwicklung.
Tja da bin ich dann noch gespannter auf das Buch :)


Klar kann ich danach hier was darüber schreiben.
Wie ich gesehen habe ist es sehr klein gedruckt. Weiß noch nicht wie lange ich dafür brauche und wie flüssig es zu lesen ist.

Nachtrag:
Wenn spannend ist und vom Thema hier wegführt können wir ja sonst einen eigenen Thread aufmachen, um über die These zu reden.
 

Goatboy

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Auch die vorangehenden Absätze besagen nicht, dass der Klerus an den Hexenverfolgungen "so gut wie keinen Anteil und wohl auch kein Interesse" hatte. :egal:
 

Helika

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Zu Hexenverbrennung und Kirche:

In der Hexenausstellung vor zwei Jahren in Speyer wurde das aber etwas anders erklärt:

Die Inquisition diente der Verfolgung von Ketzern, nicht Hexen. Also Glaubensabtrünnigen. Viele gelehrte Kirchenmänner zweifelten eher daran, dass es Magie (und damit eine solch große Macht des Teufels) wirklich geben konnte.
Die Hexenverfolgung wurde vielmehr von Weltlichen und dem niederen Priestertum vorangetrieben. Die Hochzeit der Hexenverfolgung liegt nicht umsonst in Zeiten der Pestepidemien. Man brauchte eine/n Buhmann/frau, dem man die Schuld an beidem in die Schuhe schieben konnte.

Oder um kurz die Wiki zu:

Hexenverfolgungen wurden teilweise aktiv wie auch gegen den Willen der Obrigkeit eingefordert und praktiziert. Frauen stellten in Mitteleuropa die Mehrzahl der Opfer wie auch der Denunzianten von Hexerei und Hexen. In Nordeuropa waren Männer stärker betroffen. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Konfessionszugehörigkeit und Hexenverfolgung liegt nicht vor.

Den weisen Frauen/Priesteirnnen ging es schon viel früher an den Kragen, nicht erst mit der Hexenverfolgung. Unter anderem, als man Astarte/Aschera Abbilder aus JHWHs Tempeln entfernte.
 

Goatboy

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Nun gut, wenn der Liberale auf die Absätze, die vor dem von mir zitierten verweist, dann ist das eine gute Gelegenheit für mich, auf den Absatz danach aufmerksam zu machen:

Obwohl Hexerei nun zum weltlichen Verbrechen geworden war, das von weltlichen Gerichten abgeurteilt wurde, und obwohl die meisten weltlichen Behörden die Rechtsprechung darüber wegen des involvierten Verbrechens des maleficium und nicht wegen Ketzerei beanspruchten, entsprachen die verhängten Strafen stärker dem häretischen als dem verbrecherischen Aspekt der Tat. Außer in England und Neuengland, wo verurteilte Hexen wie andere Verbrecher erhängt wurden, verbrannte man Hexen meist auf dem Scheiterhaufen. Dies war die traditionelle Strafe für rückfällige Ketzer, und daß sie nun gegen Hexen verhängt wurde, sollte die Hexe mit dem Ketzer gleichsetzen, da beide als Diener des Teufels galten. Die Ketzerverbrennung gründete sich auf den Bibelspruch "Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen." Die Hexenverbrennung war außerdem ein Reinigungsritual, das in allen Mythologien mit Feuer verbunden wird, und stellte wohl auch einen Ersatz für das Gottesurteil durch Feuer dar, welches die Kirche gerade zu dem Zeitpunkt abgeschafft hatte, als sie mit der Verfolgung und Hinrichtung von Ketzern begann. In der Praxis mag die Verbrennung für ängstliche Richter eine Gewähr gewesen sein, daß keine Hexe mit Hilfe von Zauberei wieder lebendig werden konnte. Der wichtigste Grund dafür, daß weltliche Gerichte diese Todesart wählten, lag aber darin, daß Hexerei als ein Verbrechen galt, das der Ketzerei zumindest gleichkam, wenn nicht mit ihr identisch war.

Brian P. Levack: Hexenjagd: Die Geschichte der Hexenverfolgung in Europa, S. 94
 

Giacomo_S

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Helika schrieb:
Die Hexenverfolgung wurde vielmehr von Weltlichen und dem niederen Priestertum vorangetrieben. Die Hochzeit der Hexenverfolgung liegt nicht umsonst in Zeiten der Pestepidemien. Man brauchte eine/n Buhmann/frau, dem man die Schuld an beidem in die Schuhe schieben konnte.

Sicherlich, häufig genug dürften jedoch auch viel profanere Gründe im Spiel gewesen sein.
In meiner Heimatregion liegt die Stadt Lemgo, damals ein Zentrum der Hexenverfolgung. Deren Bürgermeister Hermann Cothmann benutzte den Hexenwahn, um politische Gegner auszuschalten und sich an deren Besitz schamlos zu bereichern:

Der Nachfolger Kerkmanns war Hermann Cothmann, der noch zu seinen Lebzeiten den Beinamen Hexenbürgermeister bekam. Cothmann war von 1667 bis 1683 Bürgermeister und in seiner Amtszeit gab es annähernd 100 Todesurteile und Hinrichtungen. Cothmann wurde 1666 zum Direktor des peinlichen Gerichts ernannt und erwarb sich schnell das Vertrauen Kerkmanns. Bürgermeister Cothmann benutzte den Hexenwahn der Bevölkerung, um seine persönlichen Machtinteressen durchzusetzen und seine Gegner auszuschalten. Er selbst war offenbar frei von Aberglauben und benutzte die Ängste anderer, um sich am Eigentum der Stadt und seiner Bürger zu bereichern.
Quelle: wikipedia, Hexenverfolgung in Lemgo
 

agentP

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Schon der römische Arzt Marcus Terentius Varro ahnte, dass Krankheiten durch Mikroorganismen hervorgerufen werden....
Ja, super! Trotzdem hat es noch eineinhalb Jahrtausende gedauert bis Chirurgenbestecke gereinigt wurden, bevor ein anderer Patient damit aufgeschnitten wurde.
Möglich dass auch der eine oder andere steinzeitliche Jäger und Sammler geahnt hat, dass er was mit der Schwangerschaft seiner Gefährtin zu tun hat, aber das heisst noch lange nicht, dass es allgemein anerkanntes und verbreitetes Wissen war.

Ja, hochentwickelt was die systematische Erfassung und Erweiterung von Wissen anbelangt. Zumindest im Vergleich zu den jungsteinzeitlichen Jäger und Sammler-Kulturen, von denen hier bislang die Rede war.
 

Ein_Liberaler

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Schiefenhövel schreibt, die Trobriander seien Schweinezüchter und kastrierten ihre männlichen Ferkel aus zwei Gründen: Erstens seien adulte Eber aggressiv und wenig schmackhaft, und zwotens wüßten sie darum, daß ihre Säue von wilden bzw. verwilderten Ebern gedeckt würden.

Die zwote Behauptung wäre zu belegen. Nur sie würde von einem Verständnis für die Bedeutung des Deckaktes zeugen. (Es handelt sich dabei übrigens gar nicht um einen Grund für die Kastration, sondern um die Ausräumung von Bedenken gegen die Kastration, aber das mag Beckmesserei sein.)
 

Gammel

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agentP schrieb:
Ja, super! Trotzdem hat es noch eineinhalb Jahrtausende gedauert bis Chirurgenbestecke gereinigt wurden, bevor ein anderer Patient damit aufgeschnitten wurde.
Du vergleichst das Reinigen von Chirurgenbestecken mit der Schwangerschaft ? Das sind doch eben zwei sehr unterschiedliche Sachverhalte ! Man muss überhaupt erstmal ein Chirurgenbesteck haben, um sich diese Frage stellen zu können :)

Möglich dass auch der eine oder andere steinzeitliche Jäger und Sammler geahnt hat, dass er was mit der Schwangerschaft seiner Gefährtin zu tun hat, aber das heisst noch lange nicht, dass es allgemein anerkanntes und verbreitetes Wissen war.
Sicherlich wäre es denkbar, dass die das nicht gewusst haben. Ich halte es aber für unwahrscheinlich. Die Leute waren damals auch nicht dümmer.

Kompliziertes Wissen kann wieder verloren gehen. Siehe z.b.
Schädeloperaationen Steinzeit.
Es gibt heute Kulturen wo das Wissen "reinige dein Operationsbesteck" oder genaue Kalender etc. nicht bekannt sind/waren. Wie erklärst du dir dass Wissen über Vaterschaft sich flächendeckend über der Erde verbreitet hat, selbst zu abgelegenen Kulturen wie den australisches Ureinwohnern, niemals wieder vergessen wurde etc...
Pfeil und Bogen haben diesen "Siegeszug" nicht hingelegt, geschweige denn von Metallverarbeitung oder dem Zusammenhang von Sauberheit und Krankheiten.

Ich würde es für möglich halten, das einzelne Kulturen dieses Wissen aus kulturellen Gründen unterdückt bzw. tabuisiert haben. Das dieses Wissen flächendeckend vor der Erfindung der Viehzucht nicht zugänglich war halte ich für albern.

@Liberaler
Die Quellendichte zu den Trobriandern ist leider nicht sehr dicht.
Ich habe nichts gefunden, was sich weiter ernsthaft mit diesem Thema auseinander setzt. Ich könnte den Prof.Schiefenhövel ja mal anschreiben...
 

Ein_Liberaler

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Wird Dir das Buch eigentlich auch mit wild durchgestrichenen Zeilen angezeigt? Ich hätte nämlich mehr von dem Text gelesen, wenn das nicht der Fall wäre...

Edit: Die Vermutung, daß das Wissen um die Vaterschaft irgendwann einmal flächendeckend unbekannt war, halte ich nicht für albern, sondern für zwingend logisch. Einzig fraglich ist, wann es erstmals endeckt wurde und wann es sich durchgesetzt hatte. Meinetwegen kann schon der Homo erectus darauf gekommen sein, vielleicht hat aber auch der Homo sapiens zehn oder hundert oder noch mehr Generationen gebraucht, bis er es so weit verbreitet hatte, daß es nie mehr verloren ging - ich habe keine Ahnung.
 

Gammel

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Ein_Liberaler schrieb:
Wird Dir das Buch eigentlich auch mit wild durchgestrichenen Zeilen angezeigt? Ich hätte nämlich mehr von dem Text gelesen, wenn das nicht der Fall wäre...

Nein, leider hab ich auch nur die Quelle gefunden.

Ein_Liberaler schrieb:
Edit: Die Vermutung, daß das Wissen um die Vaterschaft irgendwann einmal flächendeckend unbekannt war, halte ich nicht für albern, sondern für zwingend logisch.
Ok, falsch formuliert :) Ich bezog mich hier explizit auf die Zeit direkt vor Erfindung der Viehzucht. Wie schon geschrieben würde ich dieses Wissen vor dem auftreten des Homo sapiens ansetzen.

Und nein, ich habe dafür natürlich keine Quellen .
 

agentP

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Du vergleichst das Reinigen von Chirurgenbestecken mit der Schwangerschaft ? Das sind doch eben zwei sehr unterschiedliche Sachverhalte ! Man muss überhaupt erstmal ein Chirurgenbesteck haben, um sich diese Frage stellen zu können

Ich vergleiche gar nichts. Du kammst mit Varro um die Ecke der schon im alten Rom ahnte, dass Mikroorganismen für Krankheiten verantwortlich sein könnten und ich nehme den als Beispiel davor, dass bloss weil einer was ahnt noch ein weiter Weg ist, bis sich diese Erkenntnis allgemein verbreitet und genutzt wird.
 

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