Die Weiße Rose - In Sachen Widerstand gegen Hitler

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"Ist es nicht eine Tatsache, dass heute jeder anständige Deutsche sich seiner Regierung schämt?" fragte vor etwa 60 Jahren eine Gruppe junger Studenten auf einem Flugblatt. Kaum eine Wiederstandsbewegung im Dritten Reich erreichte einen solchen Bekanntheitsgrad wie die Aktivitäten der Gruppe um Sophie und Hans Scholl – „Die Weiße Rose“. Ausgenommen eventuell das gescheiterte Hitler-Attentat durch Stauffenberg. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil sie alle scheiterten – die Mitglieder der Weißen Rose als auch der Graf wurden hingerichtet und die Herrschaft der Nationalsozialisten erst von den Alliierten für beendet erklärt.

Von den einen als selbstmörderische Truppe betitelt, von anderen als Vorbilder grenzenloser Zivilcourage bewundert – emotional bewegend ist die Geschichte der Weißen Rose auch heute und für den Historiker Prof. Hans Mommsen ist es "eine noch offene Forschungsfrage, wieso die Studenten, die vorher ihre Flugblätter per Post verschickten", sie plötzlich offenkundig in einen Lichthof der Münchener Universität fallen ließen, "Das war der reinste Selbstmord." findet Mommsen. Die Ideale der Widerstandsgruppe aber überlebten: eine Dauerausstellung und eine Stiftung in München, Gedenkstätten in Ulm und Rastatt sowie nach den Widerstandskämpfern benannte Schulen in ganz Deutschland erinnern an die Arbeit und den frühen Tod der Geschwister Scholl und ihrer Freunde.

Allen Mitgliedern der Weißen Rose gemeinsam, war eine tiefe und verinnerlichte Abneigung gegen das Nazi-Regime, das den Menschen nach Ansicht der Weißen Rose die persönliche Freiheit nahm. Zwar hatte Hitler seine Pläne bereits vor der Machtübernahme in seinem Buch „Mein Kampf“ klar und ausführlich beschrieben, doch als er 1933 schließlich Reichskanzler wurde, erschien er den Deutschen nach den politischen Splitterungen der Weimarer Republik als letzte Hoffnung. Die Euphorie hielt jahrelang an – groß war die Freude über das gestärkte Nationalbewusstsein, über Arbeitsplätze und neu gebaute Autobahnen. Erst als der Holocaust immer öffentlicher wurde, immer mehr Menschen in KZ´s verschwanden und der Krieg zunehmend den Alltag beherrschte, begannen sich kritischere Stimmen zu regen. Zu spät: das Regime hatte innerhalb weniger Monate das demokratische System der Weimarer Republik gründlich zerstört, die öffentliche Meinung vollkommen im Griff. Andersdenkende waren längst emigriert oder verschwanden rasch in einem der errichteten Konzentrationslager.
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"Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen; die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!"
Aus einem Flugblatt der Weißen Rose


Auch Hans Scholl war zuerst ein begeisterter Anhänger der neuen politischen Bewegung und trat gleich 1933 in die Hitlerjugend ein, seine Schwester Sophie engagierte sich im Bund Deutscher Mädchen – beides sehr zum Leidwesen ihres Vaters Robert Scholl, der den Nationalsozialisten und ihrer Ideologie von Anfang an kritisch gegenüber stand und die politischen Entwicklungen eher mit Sorge betrachtete. Doch auch die Kinder verloren rasch ihre Begeisterung am Nationalsozialismus: Hans fand die „Rekrutengruppe“ bald stupide und Sophie gefiel es gar nicht, dass ihre jüdischen Freundinnen beim BDM nicht mitmachen durften.

Sophie, geb. 1921, und Hans Scholl, geb. 1918, lebten mit ihren Eltern und Geschwistern bis 1930 in Forchtenberg - hier war der Vater Bürgermeister - bevor die Familie nach Ludwigsburg und 1932 schließlich nach Ulm zog.

Beim Reichsparteitag – Quellen geben einmal das Jahr 1935, ein anderes Mal das Jahr 1936 an - kam die Wende: Hans war von der Veranstaltung in Nürnberg deprimiert nach Hause gekommen. Er hatte dort keine Gelegenheit zum vernünftigen Austausch mit anderen Jugendlichen gefunden, „alle Tage waren mit nichtssagendem Quatsch und Exerzieren gefüllt. Ernüchtert stellte er fest, dass es hier um leere Parolen und Herdendenken ging. Auch aufgrund ständiger Bevormundung in der Organisation, die zudem seinen Individualismus strengstens ablehnte, trat er schließlich aus.“

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Hans Scholl
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Sophie Scholl
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Christoph Probst
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Willi Graf
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Alexander Schmorell
Nach diesem einschneidenden Erlebnis, trat Hans einem anderen Jugendbund bei. Die "Deutsche Jungenschaft vom 1.11." - 1929 gegründet - war unter dem Nazi-Regime eigentlich verboten, fand sich aber dennoch unter dem Dach der Hitlerjugend zusammen. Im Mittelpunkt der Debatte standen hier vor allem fremde Kulturen, Natur und Literatur und kein Wunder zog es Hans hierhin - war er doch von Haus aus eher zur Toleranz erzogen und an Schöngeistigem interessiert. Das „Treiben“ der Gruppierung blieb nicht unbemerkt und im Herbst 1937 nahm die Gestapo bei Razzien in ganz Deutschland Inge, Sophie, Hans und Werner Scholl fest und verfrachtete sie nach Stuttgart. Sophie wurde relativ rasch wieder freigelassen, zumal sie die jüngste war. Hans war bereits zum Wehrdienst eingezogen worden und verbrachte etwa fünf Wochen im Gefängnis.

Damit war für die Geschwister eine deutliche Grenze überschritten und sie sagten sich endgültig vom Nationalsozialismus und seiner Ideologie los. Im Mai 1939 begann Hans in München sein Medizinstudium und gründete schließlich zusammen mit den gleichgesinnten Kommilitonen Christoph Probst, Alexander Schmorell und Willi Graf die Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“. Christoph Probst, geb. 1919, war der einzige Familienvater in der Gruppe und bezeichnete den Nationalsozialismus als „geistige Krankheit“. Alexander Schmorell, geb. 1917, war ein künstlerisch äußerst talentierter junger Mann und schloss sich der Gruppe aus tiefster Überzeugung an. Willi Graf, geb. 1918 war ebenfalls ein Bruder im Geiste. Er setzte sich in erster Linie dafür ein, Mitglieder zu gewinnen und ein Netz von Widerstandskämpfern aufzubauen.

1942, nach einem Luftangriff auf Köln, bringen Schmorell und Scholl die ersten tausend Flugblätter in Umlauf. Inhalte: Aufruf zum Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft, Forderungen auf das Recht er persönlichen Freiheit, auf die Freiheit des Redens und Denkens, für mehr Demokratie und bessere Entlohnung vieler Arbeiter. Mit ihren Aktionen verfolgte die Weiße Rose vor allem das Ziel, die deutsche Bevölkerung aufzuklären und öffentliches Bewusstsein für die tatsächliche politische Lage zu wecken. Aus einem Flugblatt:

,,Jedes Wort, das aus Hitlers Mund kommt, ist Lüge. Wenn er Frieden sagt, meint er den Krieg, und wenn er in frevelhafter Weise den Namen des Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen Engel, den Satan. (...) Wohl muss man mit rationalen Mitteln den Kampf wider den nationalsozialistischen Terrorstaat führen; wer aber heute noch an der realen Existenz der dämonischen Mächte zweifelt, hat den metaphysischen Hintergrund dieses Krieges bei weitem nicht begriffen. (...) Gibt es Dich, der Du ein Christ bist, gibt es in diesem Ringen um die Erhaltung Deiner höchsten Güter ein Zögern, ein Spiel mit Intrigen, ein Hinausschieben der Entscheidung in der Hoffnung, dass ein anderer die Waffe erhebt, um Dich zu verteidigen? Hat Dir nicht Gott selbst die Kraft und den Mut gegeben zu kämpfen. Wir müssen (kursiv im Original) das Böse dort angreifen, wo es am mächtigsten ist, und es ist am mächtigsten in der Macht Hitlers"In der Minderheit und eigentlich eher ohnmächtig, war den Beteiligten wohl klar: das Nazi-Regime ist allein mit machtpolitischen Mitteln zu stürzen und so riefen sie zu passivem Widerstand und zur Sabotage auf, setzten auf die Solidarität der Bevölkerung. Aus dem Flugblatt 2:
,,Wenn so eine Welle des Aufruhrs durch das Land geht, wenn es in der Luft liegt, wenn viele mitmachen, dann kann in einer letzten gewaltigen Anstrengung dieses System abgeschüttelt werden."Wir müssen das Böse dort angreifen, wo es am mächtigsten ist, und es ist am mächtigsten in der Macht Hitlers. Flugblatt Nr. 4

Im Widerstand gegen Hitler, finden sich weitere Aktivisten: Carl Muth und Theodor Haecker förderten den "Münchner Kreis", beeinflussen ihn religiös und philosophisch.

1940 schrieb Sophie jedenfalls ihr Abitur und begann anschließend eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Damit hoffte sie, den Arbeitsdienst zu umgehen, wurde nach dem Ausbildungsende trotzdem verpflichtet und hatte im Anschluss auch noch einen halbjährigen Kriegshilfsdienst zu leisten. So begann sie erst im Mai 1942 ihr Studium in München und widmete sich den Fächern Biologie und Philosophie. Hier traf sie auch ihren Bruder wieder und lernte seine Freunde kennen. Glaubte Sophie zunächst an kameradschaftliche Treffen, fand sie recht schnell heraus, für welche Ziele sich die jungen Männer tatsächlich einsetzten. Die Flugblattaktionen begeisterten sie – es gab also Gleichgesinnte die den Mut aufbrachten, ihre Meinung auch in der Masse zu veröffentlichen. Doch als sie erfuhr, dass ihr Bruder an diesen Aktionen beteiligt war, bekam sie Angst – um sich und um Hans. Trotzdem trat sie der Gruppe bei, engagierte sich aktiv im Kampf gegen Hitler.

Scholl, Probst, Schmorell und Graf waren außerdem Mitglieder der Studentenkompanie, gehörten also der Wehrmacht an und hatten in den Semesterferien Wehrdienst zu leisten. Im Sommer '42 wartete der Fronteinsatz in Russland auf die Widerstandskämpfer und so blühte die Weiße Rose erst im Herbst 1942 vollends auf. In nächster Nachbarschaft zur Wohnung der Geschwister Scholl, fanden sie in einem Hinterhaus Raum um ihre Flugblätter zu produzieren, in denen sie die Lügen der Hitler´schen Propaganda zur Menschenvernichtung anprangerten, eine Mitschuld jedes einzelnen Deutschen feststellten und später die Siegeslüge im Krieg entlarvten. Die Flugblätter fanden ihren Weg per Post mit der Bahn in andere Städte an vollkommen willkürliche Empfänger – meist jedoch Studenten, die der Gruppe bekannt waren.

Insgesamt vier Flugblätter der Weißen Rose erschienen im Sommer 1942 und am Abend vor der Abreise an die Ostfront fiel der Entschluss, den Kreis zu erweitern, Kontakt zu anderen Widerständlern aufzunehmen und die Arbeit fortzusetzen.

Die Wahrheit rückt näher

Sophie fuhr vorübergehend zu ihren Eltern nach Hause. Vater Robert saß eine viermonatige Haftstrafe ab, weil er nicht in den Siegesruf der Nazis mit einstimmte und den Krieg verloren glaubte. Und Sophie erfuhr noch andere schreckliche Wahrheiten: eine Bekannte erzählte ihr aus erster Hand, dass die SS in der Heilanstalt in der sie arbeite, schon seit einiger Zeit geistesgestörte Kinder abhole, um sie als unwürdiges Leben zu vernichten.

Auch die Gerüchte über die Verfolgung jüdischer Bürger verdichteten sich und während ihres Kriegsdienstes kamen Hans Scholl und seine Freunde den Grausamkeiten der Massenhinrichtungen und Zwangsarbeit ein reales Stück näher. Bereits auf der Reise nach Russland begegneten sie auf einem polnischen Bahnhof abgemagerten jüdischen Frauen, die körperlich schwer arbeiteten. Als Hans auch noch miterlebte, wie bewaffnete SS-Männer alte Männer zur Arbeit zwangen, sprang er angeblich aus dem Zug und verteilte seine karge Ration an Zigaretten, Obst und Süßigkeiten an diese Menschen.

Zurück in München, besuchen alle Mitglieder der Weißen Rose die Vorlesungen in Philosophie bei Professor Kurt Huber, der keinen Hehl aus seiner politischen Gesinnung machte. Erfahren und gesetzt, bereicherte er die euphorischen jungen Gruppenmitglieder der Weißen Rose, denen es über den Lehren von Kierkegaars und Thomas von Aquin, immer unerklärlicher erschien, dass die Mehrheit der Deutschen dem diktatorischen Terror und dem aberwitzigen Kriegswillen des Regimes nichts entgegensetzten.

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Verbreitungsgebiete der Flugblätter

Das Flugblatt Nr. 5 erscheint:
An alle Deutsche! Der Krieg geht seinem sicheren Ende entgegen. Wie im Jahre 1918 versucht die deutsche Regierung alle Aufmerksamkeit auf die wachsende U-Boot-Gefahr zu lenken, während im Osten die Armeen unaufhörlich zurückströmen, im Westen die Invasion erwartet wird. Die Rüstung Amerikas hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht, aber heute schon übertrifft sie alles in der Geschichte seither Dagewesene. Mit mathematischer Sicherheit führt Hitler das deutsche Volk in den Abgrund. Hitler kann den Krieg nicht gewinnen, nur noch verlängern! Seine und seiner Helfer Schuld hat jedes Maß unendlich überschritten. Was aber tut das deutsche Volk? Es sieht nicht und es hört nicht. Blindlings folgt es seinen Verführern ins Verderben. Sieg um jeden Preis! haben sie auf ihre Fahne geschrieben. Ich kämpfe bis zum letzten Mann, sagt Hitler - indes ist der Krieg bereits verloren.
Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder dasselbe Schicksal erleiden, das den Juden widerfahren ist? Wollt Ihr mit dem gleichen Maße gemessen werden wie Eure Verführer? Sollen wir auf ewig das von aller Welt gehasste und ausgestoßene Volk sein? Nein! Darum trennt Euch von dem nationalsozialistischen Untermenschentum! Beweist durch die Tat, dass Ihr anders denkt! Ein neuer Befreiungskrieg bricht an. Der bessere Teil des Volkes kämpft auf unserer Seite. Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch, ehe es zu spät ist!
Was lehrt uns der Ausgang dieses Krieges, der nie ein nationaler war?
Der imperialistische Machtgedanke muß, von welcher Seite er auch kommen möge, für alle Zeit unschädlich gemacht werden. Ein einseitiger preußischer Militarismus darf nie mehr zur Macht gelangen. Nur in großzügiger Zusammenarbeit der europäischen Völker kann der Boden geschaffen werden, auf welchem ein neuer Aufbau möglich sein wird. Das kommende Deutschland kann nur föderalistisch sein. Nur eine gesunde föderalistische Staatenordnung vermag heute noch das geschwächte Europa mit neuem Leben zu erfüllen. Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa.“
Ein Skandal verhalf der Weißen Rose zu einem Schwerpunktthema für ihr sechstes Flugblatt: in einer Rede am 14. Januar 1943, appellierte der Gauleiter Paul Giesler im Deutschen Museum an die anwesenden Studentinnen, sie sollten „statt sich an den Universitäten herumzutreiben, dem Führer ein Kind schenken". Wer den Saal nun aus Takt verlassen wollte, wurde stande pedes verhaftet. Männliche Studenten befreiten schließlich ihre Kommilitoninnen - Zivilcourage hatte offenbar doch ab und an Erfolg.

Das sechste und gleichzeitig letzte Flugblatt

Eines Morgens lasen Münchener Passanten in der Innenstadt die Parolen "Nieder mit Hitler", "Es lebe die Freiheit", und "Hitler, der Massenmörder"- die Weiße Rose beschränkte sich bei der Verbreitung ihrer Botschaften nicht mehr allein auf Papier sondern malte ihr Anliegen großflächig auf Häuserwände. Kurz vorher erlebte die deutsche Armee ihr endgültiges Fiasko bei Stalingrad. Zigtausende von Soldaten fanden den Tod, die Überlebenden kapitulierten im Februar 1943 - Deutschland war besiegt.

Am 18. Februar 1943 verließen Hans und Sophie Scholl ihre Wohnung mit hunderten Exemplaren ihres sechsten Flugblattes im Gepäck. Mit der neuen Aktion sprachen sie vor allem die Studenten an und verurteilten Hitlers Politik, die zur vollkommenen Niederlage Deutschlands führte:

„Erschüttert steht unser Volk vor dem Untergang der Männer von Stalingrad. Dreihundertdreißigtausend deutsche Männer hat die geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten sinn- und verantwortungslos in Tod und Verderben gehetzt. Führer, wir danken dir! Es gärt im deutschen Volk: Wollen wir weiter einem Dilettanten das Schicksal unserer Armeen anvertrauen? Wollen wir den niedrigsten Machtinstinkten einer Parteiclique den Rest unserer deutschen Jugend opfern? Nimmermehr! Der Tag der Abrechnung ist gekommen, der Abrechnung der deutschen Jugend mit der verabscheuungswürdigsten Tyrannis, die unser Volk je erduldet hat. Im Namen des ganzen deutschen Volkes fordern wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste Gut der Deutschen zurück, um das er uns in der erbärmlichsten Weise betrogen hat.
In einem Staat rücksichtsloser Knebelung jeder freien Meinungsäußerung sind wir aufgewachsen. HJ, SA und SS haben uns in den fruchtbarsten Bildungsiahren unseres Lebens zu uniformieren, zu revolutionieren, zu narkotisieren versucht. Eine Führerauslese, wie sie teuflischer und zugleich bornierter nicht gedacht werden kann, zieht ihre künftigen Parteibonzen auf Ordensburgen zu gottlosen, schamlosen und gewissenlosen Ausbeutern und Mordbuben heran, zur blinden, stupiden Führergefolgschaft. Wir ´Arbeiter des Geistes´ wären gerade recht, dieser neuen Herrenschicht den Knüppel zu machen. Deutsche Studentinnen haben an der Münchner Hochschule auf die Besudelung ihrer Ehre eine würdige Antwort gegeben, deutsche Studenten haben sich für ihre Kameradinnen eingesetzt und standgehalten. Das ist der Anfang unserer freien Selbstbestimmung, ohne die geistige Werte nicht geschaffen werden können. Es gibt für uns nur eine Parole: Kampf gegen die Partei! Heraus aus den Parteigliederungen, in denen man uns politisch weiter mundtot halten will! Es geht uns um wahre Wissenschaft und echte Geistesfreiheit! Kein Drohmittel kann uns schrecken, auch nicht die Schließung unserer Hochschulen. Es gilt den Kampf jedes einzelnen von uns um unsere Zukunft, unsere Freiheit und Ehre in einem seiner sittlichen Verantwortung bewussten Staatswesen.

Unser Volk steht im Aufbruch gegen die Verknechtung Europas durch den Nationalsozialismus, im neuen gläubigen Durchbruch von Freiheit und Ehre.“
Die Scholls legen die Flugblätter zuerst auf Treppen, in Nischen und auf Fensterbänke und verlassen die Universität. Die gedruckten Aufrufe Hubers liegen allerdings noch im Koffer. Die Geschwister entsinnen sich ihrer Pflicht, und lassen von einem oberen Stockwerk aus die übrigen Blätter in einen Lichthof „regnen“. Jakob Schmied, der Hausmeister der Universität, beobachtet sie dabei, verhaftet sie und liefert die Geschwister sofort der Gestapo aus, die bei Hans Scholl noch einen handschriftlichen Textenturf von Christoph Probst in der Tasche findet. Einen Tag später verhaftet die Gestapo dann auch Probst. Sophie und Hans Scholl werden im Münchner Hauptquartier der Gestapo tagelang verhört, als Probst eintrifft, gestehen sie und nehmen alle Schuld auf sich, um ihn zu entlasten.

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Prof. Kurt Huber
Verurteilt

Dennoch: der gefürchtete Präsident des Volksgerichtshofes, Roland „Der Henker“ Freisler, führt am 22. Februar 1943 den Prozess gegen die drei Mitglieder der Weißen Rose und verurteilt sie noch in den letzten Kriegstagen wegen Hochverrat zum Tode. Die drei Verurteilten sterben am selben Tag durch das Fallbeil. Nach seinem Fluchtversuch entgeht auch Alexander Schmorell nicht seiner Verhaftung. Ihn sowie Kurt Huber und Willi Graf ereilt das selbe Schicksal wie die drei anderen Widerstandskämpfer. Scheinbar träumte Sophie Scholl noch in der Nacht vor ihrer Verhaftung von diesen Ereignissen, ließ sich davon aber nicht abhalten, die Flugblätter zu verbreiten.

Auch die Eltern von Hans und Sophie kommen nach München, um beim Prozess dabei zu sein - sie hatten allerdings keine Einladung. Dennoch gelangen sie unbemerkt in den Sitzungssaal. Als Robert Scholl für seine Kinder zu sprechen beginnt, werden er und seine Frau unwiderruflich nach draußen gebracht. Nach der Urteilsverkündigung am Nachmittag, gab es ein letztes Zusammentreffen von Kindern und Eltern. Robert Scholl umarmte seinen Sohn Hans und sagte dabei angeblich: "Ihr werdet in die Geschichte eingehen; es gibt noch eine Gerechtigkeit." Dann wurden die Gefangenen abgeführt. Als erste wurde Sophie hingerichtet. Sie wahrte Ruhe und Würde bis zuletzt und starb "ohne mit der Wimper zu zucken". Dann folgten Christof Probst und auch Hans fand noch die Kraft für seine legendären letzten Worte "Es lebe die Freiheit!", die scheinbar durch das Gefängnis hallten. „Wir konnten alle nicht begreifen, dass so etwas möglich war. Selbst der Scharfrichter sagte, so habe er noch niemanden sterben sehen.“ (I. Aicher-Scholl, S. 64). Die meisten Mitglieder der „Weißen Rose" waren tiefgläubig. So ist von Hans Scholl der Satz bekannt: „Welche Kraft habe ich im Beten gefunden! Endlich weiß ich, an welcher immer fließenden Quelle ich meinen fürchterlichen Durst löschen kann". Wussten diese jungen Leute also genau wofür sie starben und gingen sie deshalb so ruhig und aufrecht in den Tod?
Auch der Auslöser für die Widerstandsaktivitäten der Weißen Rose sollen religiös motiviert gewesen sein: Bischof Clemens August Graf von Galen, seines Zeichens Bischof in Münster, predigte ab 1941 nach Verfolgungen durch die Gestapo offen gegen die planmäßige Vernichtung Geisteskranker und erstattete Anzeige beim Münsteraner Landgericht. Seine Reden gingen ebenfalls durch ganz Deutschland und bewegten auch Hans und Sophie Scholl in den Widerstand. Da das Regime keinen weiteren "Kriegsschauplatz" - zumal in den Reihen der katholischen Christen - riskieren wollte, kam der Bischof quasi mit einem Schrecken davon.

Von "Verrätern" zu Volkshelden

Einige Tage nach der Vollstreckung der Urteile gab es eine stille Beerdigung. An diesem Tag lasen Münchener Passanten wieder Parolen an den Hauswänden: „Ihr Geist lebt weiter!". Anhänger der Weißen Rose hielten die Widerstandsarbeit weiterhin aufrecht.

Es folgen weitere Verhaftungen im Sympathisantenkreis der Weißen Rose -der Einfluss der Gruppe ging längst über die Grenzen Münchens hinaus und ihre Freunde fanden sich auch in Saarbrücken, Freiburg, Hamburg, Berlin und Köln. Etwa 80 Menschen werden festgenommen und verurteilt, sterben teilweise im KZ. Doch selbst dort hörte man bereits seit Jahren die "Stimme der Freiheit", und trotz aller Verwunderung darüber, dass es junge Studenten sind, die solchen Mut aufbringen, bringt diese Stimme sicher einen Funken Hoffnung in die Zwangslager der Nationalsozialisten.

Das letzte Flugblatt der Weißen Rose fand übrigens den geschmuggelten Weg nach England und wurde auch dort vervielfältigt. Britische Bomber warfen die Blätter über Deutschland ab. Die Frage, ob die Angriffe der Alliierten die Art von Befreiung war, die sich Weiße Rose vorstellte, bleibt unbeantwortet. Aber den Flugblattabwurf als Erfolg für den Widerstand zu werten, scheint nicht ganz abwegig, forderten sie doch "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende". Und mit dieser Haltung standen sie wohl nicht allein.

Zumindest von der Nachwelt ist bekannt, dass sie den Widerstand im Dritten Reich zu schätzen und zu achten wusste, das Andenken an diese Einzelpersonen und Gruppen - und hier nimmt die Weiße Rose fast eine Stellvertreterfunktion für alle ein - wird in Ehren gehalten. So erfährt der Leser auf der Internetseite der Erinnerungsstätte Rastatt: "Die Widerstandskämpferin Sophia Scholl wurde kürzlich zur `Frau des Jahrhunderts´ gekürt. Ihre Büste wird demnächst in der Ruhmeshalle Walhalla bei Regensburg zu finden sein." Von dieser Seite stammt auch das folgende Foto:

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Zu sehen sind hier u.a. ein Selbstbildnis von Sophie und eine Art Totenmaske von Hans

Eine Stiftung sowie eine Dauerausstellung in München halten die Erinnerung an die Weiße Rose aufrecht und Gedenkstätten in Ulm und Rastatt zeugen ebenfalls vom Wirken der couragierten Studenten. Die Stiftung hat es sich zum Ziel gesetzt, die Grundgedanken und Ideale der Weißen Rose, die Geschichte des Widerstandes im Nationalsozialismus weiterzutragen sowie für Prävention gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt an Schulen einzustehen. Sie bietet außerdem die Möglichkeit der Quellen- und Spurensuche in Archiven, vermittelt Kontakte zu Zeitzeugen und will politische Bildungsarbeit im Sinne von Demokratie und Bürgergesellschaft leisten. Eine besondere Zusammenarbeit verbindet die Stiftung mit den etwa 200 Schulen, die nach den Mitgliedern der Widerstandsgruppe benannt sind. Auch die Plätze vor der Münchener Universität sind mittlerweile nach den Geschistern Scholl und Prof. Huber benannt und Flugblätter in Stein zeugen als stilles Mahnmal von der Haltbarkeit menschlicher Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Weitere Informationen:

http://www.weisse-rose-stiftung.de/
Stiftung Weiße Rose

http://www.gsi.uni-muenchen.de/hintergrund/
Das Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft

http://ssg.lernnetz.de/sophie-scholl/freisler.html
Der "Henker"

http://www.bundespraesident.de/top/dokumente/Rede/ix_91449.htm
Gedenkrede von Johannes Rau anlässlich der 60. Jährung des Prozesses gegen die Mitglieder der Weißen Rose
 
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