Der Fall: U.S.S Liberty

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Im Juni 1967 ereignete sich ein Vorfall, zu dem es bis heute keine eindeutige Erklärung gibt. Das US-Schiff U.S.S. Liberty (AGTR-5) wurde angegriffen und schwer beschädigt. Viele Seeleute fanden den Tod oder wurden schwer verletzt. Die Regierungen beider Seiten vertreten bis heute die Version, dass es sich lediglich um eine Verwechselung; also um einen tragischen Unfall gehandelt habe. Doch die Männer der U.S.S. Liberty behaupten, es habe eine Verschwörung gegeben, welche seit 1967 geheimgehalten worden sei.

Lloyd Painter, Besatzung U.S.S. Liberty:

Der Angriff geschah offensichtlich mit voller Absicht. Ich betrachte ihn als einen kaltblütigen Mord an amerikanischen Seeleuten.

Das nicht alles so eindeutig ist, wie die Verantwortlichen es darstellen, wird schon dadurch klar, dass ausdrücklich verlangt wurde, dass keiner der Beteiligten öffentlich darüber sprechen sollte. Auch wurden den Überlebenden ihre Ehren- und Verwundetenabzeichen unter Ausschluss der Öffentlichkeit übergeben. Nicht alltäglich in einem Land, welches das Heldentum als Kulturgut betrachtet.

Die U.S.S. Liberty war ein unbewaffnetes Spionageschiff der NSA zur elektronischen Aufklärung; in ihrem Jargon Signal Intelligence oder Sigint genannt. Sie war dafür ausgerüstet, elektronische Kommunikationssysteme abzuhören und die so gewonnenen Geheiminformationen an die höchsten Stellen der US-Regierung weiterzugeben. Spionageschiffe arbeiteten zu dieser Zeit meist autark. Ihr Kommandant, William L. McGonagle, war schon seit dem 2. Weltkrieg in der Navy. Zu seiner Besatzung von 294 Mann gehörten hochspezialisierte Experten für die Nachrichtenentschlüsselung, Abhörspezialisten und Übersetzer.
Die Ausrüstung des Schiffes war zu dieser Zeit einzigartig: 45 Antennen, die ständig auf Empfang waren. Sie konnte jeglichen Funkverkehr auf allen Frequenzen empfangen: Niederfrequenz, Mittelfrequenz, Hochfrequenz und sogar Niedrigstfrequenz. Wenn beim Abhören verschlüsselte Signale nicht verstanden wurden, schickte man sie zur NSA, wo man sie dann mit Hilfe von Computern entschlüsselte. Von dort kamen auch die Anweisungen für die U.S.S. Liberty nach einem Hafenaufenthalt in Abidjan:
Kurs Richtung Naher Osten.

Dort brodelte es zu dieser Zeit gewaltig. Die Sowjetunion unterstützte radikale Regierungen in Syrien und Ägypten und gewann dort in dieser Zeit massiv an Einfluss. Der Präsident von Ägypten, Gamal Abdel Nasser, war zum führenden Sprecher der arabischen Welt in ihrem Kampf gegen Israel geworden.
Schon im Mai 1967 ließ Nasser tausende ägyptischer Soldaten auf die Sinai-Halbinsel verlegen. Die Situation war angespannt: Israel und Ägypten standen sich nun direkt gegenüber. Es war die Vorstufe zum Krieg: Nasser ließ die Straße von Tiran abriegeln und blockierte so den israelischen Hafen Eliath, was die Situation noch zusätzlich verschärfte. Israel betrachtete dieses als einen Kriegsakt und begann nun mit der Mobilisierung. Auf eine Machtprobe mit den arabischen Nachbarn hatte man in der israelischen Regierung geradezu gewartet. Nun bereiteten sich beide Seiten offen auf den Krieg vor.

Der damalige US-Präsident, Lyndon Johnson, warnte beide Seiten vor einem Angriff und unterstrich seine Absicht, für die politische Unabhängigkeit und die Grenzen aller Nationen im Nahen Osten einzutreten. Er sprach sich dafür aus, sich gegen jegliche Form von Agression einzusetzen; sei sie offen oder unter der Hand geführt.
Diese Erklärung gab Washington genau 13 Tage vor Israels Angriff gegen seine Nachbarn bekannt. Erst Jahre danach sind Unterlagen ans Licht gekommen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass der damalige israelische Premierminister Levi Eschkol den amerikanischen Präsidenten bei einem Besuch in Washington kurz vor dem Angriff über diese Absicht informiert hatte.

Lyndon Johnson schreibt in seinen Memoiren, dass Israel ihn damals hintergangen hat: Eschkol habe ihm versprochen, mit dem Angriff abzuwarten, bis er, mit Ägypten in der Frage der Passage durch die Meeresenge von Tiran verhandelt habe. Johnson hat geglaubt, dafür ein paar Wochen Zeit zu haben und hat Präsident Nasser von seiner Absicht zu Verhandlungen informiert. Dazu war auch der Sondergesandte Anderson am 1.6.1967 in Kairo gewesen.

Nassers Vize, Zakaria Muhjeddin, bereitete sich darauf vor, am 5.6. nach Washington zu fliegen, um dann am 7.6.1967 den amerikanischen Präsidenten Johnson zu treffen.
Führende amerikanische Persönlichkeiten aus Militär, Spionage und dem Außenministerium haben einstimmig bestätigt, dass Ägypten keinen Angriff vorbereitete und dass Israel darüber und über die weitere Vorgehensweise des Präsidenten informiert worden sei. Ägypten plante oder erwartete also keinen Angriff in den nächsten Tagen.

Der Morgen des 5. Juni, 1967:

An diesem Montag schlug Israel jedoch trotzdem – oder gerade deshalb – los. Es war der Beginn des 6-Tage-Krieges. Kampfflugzeuge bombardierten Luftstützpunkte im Sinai und am Suezkanal. Sie zerstörten mit einem Schlag einen Großteil der ägyptischen Luftwaffe. Sie hatten das Überraschungsmoment auf ihrer Seite.

Shlomo Gazit, militärischer Geheimdienst Israel 1967:

Es steht fest, dass sie von unserem Angriff nichts ahnten und völlig überrascht wurden. 9 Luftstützpunkte griffen wir an: 2 im Sinai, 5 in Ägypten, 2 in Oberägypten. Wir flogen nicht nur einen Angriff, sondern 2, 3 oder 4.

Die Sowjetunion verstärkte zudem in dieser Zeit ihre militärische Präsenz in der Nähe des Kriegsgebietes: 20 Kriegsschiffe wurden ins östliche Mittelmeer verlegt. Die 6. US-Flotte bekam vom Pentagon den Befehl, alle Schiffe und Flugzeuge in einem Mindestabstand von hundert Meilen von der Küste entfernt zu halten. Nur die U.S.S. Liberty, mit Kurs auf die Küste von Sinai, erhielt diese Anweisung nicht.

Dave Lewis, Research Officer U.S.S. Liberty:

Uns wurde gesagt: Kein Anlass zur Unruhe. Wir baten den Kommandanten der 6. Flotte, uns einen Zerstörer als Geleitschutz zur Seite zu stellen. Er antwortete: Wir befänden uns in internationalen Gewässern. Und mit gehisster amerikanischer Flagge bestünde keine Notwendigkeit für eine bewaffnete Eskorte.

Der Abend des 7. Juni

Die U.S.S. Liberty lag 13 Meilen vor der Küste von Gaza, also in internationalem Gewässer. Das Pentagon entschied jetzt jedoch, dass sie sich doch sicherheitshalber auf 20 Meilen Entfernung von der Küste zurückziehen sollte. Diese Anweisung erreichte die U.S.S. Liberty jedoch nicht; das Pentagon erfuhr aber zunächst nichts davon, dass die Nachricht irrtümlicherweise an die Flottenführung auf den Philippinen gegangen war.


8. Juni 1967

Das Wetter war bei Tagesanbruch schön und klar. Der Krieg ging dort nun in den 3. Tag über und Israel schickte Aufklärer vom Sinai aus los, um die U.S.S. Liberty zu überprüfen.

John Hrankowsky, U.S.S. Liberty:

Gegen 5 Uhr morgens hörten wir, dass Flugzeuge dicht über uns hinweggeflogen waren.

Jim Ennes, U.S.S. Liberty:

Die Flugzeuge kamen neun mal. Wir wurden an diesem Morgen ca. zwölf mal von ihnen umrundet.

Lloyd Painter, Besatzung U.S.S. Liberty:

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich durch die Bullaugen nach unten auf das Deck 01 sah, wo die Offiziere in der Sonne lagen. Als wir Überflogen wurden, fühlte ich mich innerlich sehr wohl und sicher. Sie wussten, wer wir waren.

Die Besatzung der U.S.S. Liberty war im festen Glauben, von den Israelis identifiziert worden zu sein. Es herrschten ausgezeichnete Sichtverhältnisse und auch Anweisungen zum Verlassen des Gebietes gab es nicht. Doch dieser Glaube wurde bitter enttäuscht: Die Offiziere auf der Brücke sahen um 2 Uhr Nachmittags, wie sich 3 Mirage Jets mit den für sie typischen Deltaflügeln näherten.

Lloyd Painter, Besatzung U.S.S. Liberty:

Ich habe sie sofort kommen sehen, weil ich gerade aus dem Bullauge schaute. Die Jets stützten auf uns herunter und gingen zum Angriff über.

Jim Ennes, U.S.S. Liberty:

Ich wunderte mich erst über die roten Blitze unter den Tragflächen und dann wurde das Schiff auch schon von Geschossen und Raketen getroffen.

Lloyd Painter, Besatzung U.S.S. Liberty:

Plötzlich wurden die Bullaugen aus der Verankerung gerissen. Das vor mir prallte mir gegen die Brust; dem Mann neben mir flog seins ins Gesicht. Alle wurden durch die Wucht des umherfliegenden Glases zu Boden geworfen.

Joe Lentini, Besatzung U.S.S. Liberty:

Als nächstes hörte ich unten in meinem Bereich einen panischen Ruf über die Bordlautsprecher:
Durchsage an alle, Durchsage an alle, dies ist keine Übung! Durchsage an alle, das Schiff wird angegriffen!


Die oberen Decks der U.S.S. Liberty wurden schwer beschädigt. Man versuchte, einen S.O.S.-Ruf abzusetzen, doch die Frequenzen der U.S.S. Liberty wurden von außen gestört.


Joe Lentini, Besatzung U.S.S. Liberty:

Dazu muss man unsere Sendefrequenzen gekannt haben. Und wenn man die Frequenzen kannte, hat man auch gewusst, dass unser Schiff ein amerikanisches Schiff war; denn die Sendefrequenzen der Flotte waren offen, nicht verschlüsselt.

Die Angreifer waren also über ihr Ziel genaustens informiert. Aber wer griff das Schiff an? Einige Besatzungsmitglieder versuchten, die Flugzeuge zu identifizieren, doch keines der Flugzeuge trug Hoheitskennzeichen.

Jim Ennes, U.S.S. Liberty:

Während des Angriffs hatte niemand Kennzeichen an den Flugzeugen gesehen, obwohl einige der Männer extra versucht haben, die Flugzeuge zu identifizieren. Sie schwören, dass diese Flugzeuge nicht gekennzeichnet waren.

Die Angreifer schienen mit ihrem Angriff ein genaues Ziel zu verfolgen:

Dave Lewis, Research Officer U.S.S. Liberty:

Zuerst wurden alle unsere Antennen zerstört und dann wurde Napalm auf das Deck abgeworfen. Ich hatte den Eindruck, die Angreifer waren darauf aus, unsere gesamten Kommunikationssysteme zu zerstören und das Betreten des Decks und damit die Instandsetzung der Antennen und Kommunikationssysteme zu verhindern. Wenn das ein Unfall war, dann war es der bestgeplanteste Unfall, von dem ich je gehört habe. Schließlich konnten wir doch noch ein S.O.S.-Signal senden, weil ein paar verrückte Matrosen noch während des Beschusses die Antennen hinauf kletterten und lange Leitungen spannten.

Als die Flugzeuge abzogen, waren 8 Männer tot und 75 verletzt. Das Ganze dauerte an die 22 Minuten. Doch es war noch nicht das Ende des Angriffs. Gegen Mittag näherten sich 3 Torpedoboote der U.S.S. Liberty.

Udi Erell, israelischer Marinesoldat, 1967:

Die See war ruhig und das Wetter schön. Es war gegen Mittag, vielleicht etwas früher.
Erst unterwegs wurde uns gesagt, ein unbekanntes Schiff sei südlich oder südwestlich von uns geortet worden und wir nahmen Kurs in diese Richtung.
Sehr bald konnten wir das Schiff sehen. Es war eindeutig ein Marine-Schiff.


Auf der angeschlagenen U.S.S. Liberty schallte es über die Bordlautsprecher: "Bereit für Torpedoangriff auf Steuerbord!" Die Männer im Maschinenraum bereiteten sich darauf vor, zu sterben: Wenn ein Torpedo den Kessel aufreißt, ist man auf der Stelle tot. Trifft kaltes Wasser auf den unter Volldampf stehenden Kessel, explodiert dieser sofort.
Der erste Torpedo lief vorbei. Die nächsten drei verfehlten ihr Ziel ebenfalls. Der nächste traf. Das Schiff wurde schwer erschüttert und begann sich langsam um 10° zu neigen. Der Kessel wurde zwar beschädigt, doch er hielt den Belastungen stand. Die U.S.S. Liberty jedoch war nun bewegungsunfähig. Sie konnte weder Fahrt aufnehmen, noch war sie manövrierfähig. Doch das von ihr geschickte S.O.S.-Signal wurde von der 6. US-Flotte, die 600 Meilen vor Kreta kreuzte, empfangen. Der Kommandant befahl unverzüglich einen Vergeltungsschlag: Auf dem Flugzeugträger U.S.S. America wurden 2 Bomber einsatzbereit gemacht und eine Jagdflieger-Eskorte losgeschickt.

Mike Ratigan, U.S.S. America:

Einer der A4-Bomber wurde zum ersten Katapult hinaus gerollt. Er hatte so eine Art Tuch unten um den Rumpf und wurde von Wachen eskortiert. Das war etwas sehr ungewöhnliches, das ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Die Flugzeuge wurden bereitgestellt und ich glaube sie flogen los, bevor wir zu „Condition November“ übergingen.


Condition November bedeutete, dass mit Atomwaffen bestückte A4-Bomber eingesetzt werden sollten. Die Vereinigten Staaten standen jetzt kurz davor, Ägypten - das sie hinter dem Angriff der U.S.S. Liberty vermuteten - mit Atomwaffen zu anzugreifen.

Tony Hart, 1967 US-Marine-Funkaufklärung:

So wie ich mich erinnere, erhielten wir eine Blitzmeldung von einem der Flugzeugträger mit der Nachricht, dass die speziell bestückten Flugzeuge gestartet waren. Gemeint waren mit Atomwaffen ausgerüstete Bomber.

Kairo stand in diesen Minuten kurz vor der Auslöschung. Der Angriff auf die Liberty sollte die Auslöschung einer ganzen Stadt und ihrer Einwohner fordern. Die amerikanische Botschaft wurde über den bevorstehenden Angriff informiert:

Richard Parker, US-Konsul, 1967 in Kairo:

Wir erhielten die Nachricht, dass die Navy wegen dem Angriffs auf die U.S.S. Liberty einen Vergeltungsschlag auf Ägypten vorbereitete. Man ging davon aus, dass Ägypten der Angreifer war. Im Gegenzug würde man nun Ägypten bombardieren.

Wenige Minuten später jedoch übermittelte Tony Hart eine Mitteilung des Pentagons an den Kommandanten der Flotte: Flugzeuge zurück rufen!

Tony Hart, 1967 US-Marine-Funkaufklärung:

Im ersten Moment dachte ich, dass man wohl doch auf den Einsatz von Atomwaffen verzichten und die Flieger mit anderen Waffen bestücken würde.

Etwa 10 Minuten später war eine Sprechverbindung zwischen der U.S.S. America und Washington, dem Verteidigungsminister Robert McNamera persönlich, hergestellt.

Tony Hart, 1967 US-Marine-Funkaufklärung:

McNamera wies den Kommandanten der 6. Flotte an, die Flugzeuge zurückzurufen und der Kommandant fragte: "Sind sie sicher?" Er antwortete: "Absolut sicher! Rufen sie die Flieger zurück!"
Der Admiral bat nun um die Erlaubnis, das bereitstehende Flugzeug oder ein anderes Flugzeug loszuschicken. Aber McNamara sagte nein. Kein Flugzeuge sollte starten. McNamara war letztlich der Boss. Er brauchte seine Entscheidungen nicht zu begründen.


McNamara war nicht bereit, der U.S.S. Liberty unmittelbar aus der Luft zu helfen - und der Beschuss der U.S.S. Liberty dauerte an, während der Kommandeur der 6. Flotte mit Washington stritt. Die israelischen Torpedoboote griffen immer wieder an und beschossen den Bereich des Schiffes, wo sich der Kessel befand. Sie wussten genau, was sie taten, sie wollten den Kessel zur Explosion bringen, um das Schiff so versenken. Die Besatzung der U.S.S. Liberty bereitete sich jetzt darauf vor, das Schiff mit den Rettungsbooten zu verlassen.

Lloyd Painter, Besatzung U.S.S. Liberty:

Wir machten uns fertig zum Verlassen des Schiffes. Das bedeutete hinaufgehen, sich bereit machen und zu den Rettungsbooten laufen. Ich ging als erster hinauf, stieß die Luke auf und suchte nach den Rettungsbooten. Doch die waren entweder verschwunden oder sie brannten. In diesem Moment schaute ich zum Heck des Schiffes hinüber und sah, wie eines unserer Rettungsboote, das hinten zu Wasser gelassen war, von einem Torpedoboot systematisch mit dem Maschienengewehr beschossen wurde. Wir schnitten die Rettungsboote los, weil sie brannten oder beschädigt waren und ließen sie hinter uns im Wasser treiben. Und sie wurden sofort so stark beschossen, daxs darin niemand überlebt hätte, wenn sie besetzt gewesen wären.

Die Angriffe dauerten über 75 Minuten. Ob es sich nun tatsächlich um eine Verwechselung mit einem ägyptischen Schiff gehandelt hat oder nicht, das Beschießen von Rettungsbooten und Menschen, die versuchen, sich von einem Schiff zu retten, stellt eine absolute und nicht entschuldbare Unverfrohrenheit dar und zeugt auch davon, dass man um keinen Preis Überlebende hinterlassen wollte, die von dem Angriff und eventuell dessen, was die U.S.S. Liberty mitbekommen hat, berichten konnten: Informationen, die den tatsächlichen Ablauf der Kriegshandlungen am 5.6.1967 und den anschließenden zwei Tagen aufdecken.

Sie würden Israel, das bis heute darauf besteht, in diesem Krieg im Verteidigungsfall gehandelt zu haben, unleugbar seines Angriffs und seiner Eroberungsabsicht überführen.
Wenn Israel damals tatsächlich kurz davor stand, von drei Seiten angegriffen zu werden, dann ist es schon seltsam, dass es in sechs Tagen drei mächtige Nachbarn besiegen und zudem ein für die örtlichen Verhältnisse enormes Territorium besetzten konnte: Israel eroberte außer dem gesamten Sinai auch das Westjordanland, Gaza und die syrischen Golan-Höhen. Wäre die U.S.S. Liberty versenkt worden, hätte man die Schuld daran ohne Weiteres Ägypten zuschieben können und die USA hätten aktiv in den Krieg eingegriffen. Ägypten wäre auf lange Zeit erheblich geschwächt worden; wenn nicht sogar besetzt. Dennoch behauptet Israel noch bis heute, dass es sich bei dem Angriff auf die U.S.S. Liberty um eine tragische Verwechslung gehandelt habe.

Shlomo Gazit, militärischer Geheimdienst Israel 1967:

So ein dummer Fehler ist zweifellos sehr beschämend für die israelische Verteidigungsarmee, aber wir geben unseren Fehler zu. Das heisst nicht, dass eine Absicht oder eine Verschwörung oder dergleichen dahinter gesteckt hat.

Später räumte Israel ein, Aufklärungsflugzeuge hätten am Morgen die U.S.S. Liberty sehr wohl identifiziert. Die Luftwaffe habe dann das Hauptquartier der Marine in Haifa informiert und die Position des Schiffes wurde dort auf einer Gefechtskarte markiert. Später habe das Marine- Hauptquartier die Meldung erhalten, dass die Sinaiküste von der See aus mit Granaten beschossen werde. Jedoch sei zu diesem Zeitpunkt die U.S.S. Liberty schon aus der Seekarte gelöscht worden. Die Patrouillienboote, die sich auf den Weg machten, hätten sie die U.S.S. Liberty als einziges Schiff in diesem Bereich vorgefunden. Dann hätten sie zudem noch die Geschwindigkeit des unbekannten Schiffes falsch, nämlich auf 28 Knoten eingeschätzt. Bei dieser Geschwindigkeit hätte es sich nur um ein feindliches Kriegsschiff handeln können; also wurde die Luftwaffe informiert um das schnell fahrende Ziel anzugreiffen. Der Darstellung Israels nach hätten die Seeleute dann noch einen weiteren, fatalen Fehler begangen:

Sie verwechselten die U.S.S. Liberty angeblich mit dem ägyptischen Frachter Al-Qusair, der allerdings gerade einmal halb so groß wie die U.S.S. Liberty war.
liberty.jpg



Richard Block – er war 1967 Nachrichtenoffizier der Luftwaffe auf Kreta – sagt, dass es nur Ausflüchte sind. Er ist sich sicher, dass die Israelis mit voller Absicht die U.S.S. Liberty bombardierten. Blocks Einheit fing damals Funksprüche zwischen dem Kommandeur, der Israelischen Flugzeugstaffel und der Bodenkontrolle ab:

Richard Block, 1967 Nachrichtenoffizier der Luftwaffe:

Der israelische Kommandeur der Flugzeugstaffel wusste schon vor dem Abflug, dass sein Ziel ein Schiff sein sollte, das unter amerikanischer Flagge fuhr. So stand es in den mitgehörten Funksprüchen. Nach dem Start fragte er noch einmal nach und seine Leute von der Bodenkontrolle befahlen ihm, das Schiff anzugreifen. Ich hatte die Mitschrift dieses Funkverkehrs vor mir in meinen Händen. Der Pilot war sich immer noch nicht sicher und fragte noch einmal zurück: "Ist euch klar, dass das ein amerikanisches Marine-Schiff ist?" und bat darum, den Befehl nocheinmal zu bestätigen. Seine Leute sagten ihm: "Flieg´ da raus und greif´ dieses Schiff an!"

Der Morgen des 9 Juni 1967

Nun erreichten endlich Schiffe der 6. Flotte die U.S.S. Liberty. 34 Amerikaner hatten ihr Leben lassen müssen, 172 waren zum Teil schwer verwundet. Das Schiff, welches nun wieder manövriert werden konnte, nahm Kurs auf Malta, wo es dann notdürftig repariert werden sollte. Per Hubschrauber kam Konteradmiral Admiral Isaac C. Kidd Jr an Bord. Er leitete die Untersuchung des Angriffs von Seiten der US-Marine. Sein Verhalten war höchst merkwürdig: Admiral Kidd nahm zu Beginn der Aussagen eines Besatzungsmitgliedes seine Rangabzeichen ab und sagte, dass man ihm frei von seinem Rang von den Ereignissen berichten sollte. Zum Ende steckte er sich seine Abzeichen wieder an und sagte:

Kameraden, ich will nicht, dass ihr irgendetwas davon erzählt. Gebt keine Interviews, wenn wir in Malta sind. Alles was zu sagen ist, sagt ihr eurem Vorgesetzten. Sprecht nicht mit euren Familien darüber.

Auch schien für den Admiral die Angelegenheit schon von vornherein klar gewesen zu sein. Er ignorierte entscheidende Beweise. Große Teile der Aussagen, die die Besatzungsmitglieder machten, wurden gar nicht erst zu Protokoll genommen. An der Aussage des Leitenden Ingenieurs, George Golden, der immerhin eine Zeitlang das Kommando während des Angriffs hatte, war Admiral Kidd nicht interessiert. Der fertige Bericht wurde im europäischem Hauptquartier der Marine von Merlin Staring, späterer oberster Rechtsexperte der Navy, geprüft. Er ist der Ansicht, dass der Bericht in keinster Weise die Schlussfolgerung des Admirals - "der Angriff beruhe auf einem Irrtum" - unterstützt.

Merlin Staring, Marineanwalt 1967:

Ich konnte schlichtweg keine Beweisgrundlage für diese Schlussfolgerung finden. Ich hatte große Schwierigkeiten, beim Durchlesen des Berichtes Beweise oder Aussagen dafür zu finden, die die Erkenntnisse, Ansichten oder Schlussfolgerungen des Untersuchungsberichtes belegten.

Eine israelische Untersuchung des Vorfalls - unter der Beteiligung des Oberbefehlshabers der Israelischen Marine - kam zu dem Ergebnis, dass der Angriff vor allem auf eine Serie von Fehlern auf israelischer Seite zurückzuführen war. Vor ein Kriegsgericht wurde jedoch niemand gestellt. Man fand einfach niemanden, den man eines Verbrechens oder der Fahrlässigkeit beschuldigen konnte.

Der Besatzung der U.S.S. Liberty wurde nach ihrer Heimkehr unter Androhung eines Verfahrens vor dem Kriegsgericht untersagt, über die Vorfälle zu sprechen. Dann wurden sie versetzt. Es wurde darauf geachtet, dass kein Besatzungsmitglied mit einem Anderen in dieselbe Einheit versetzt wurde. Die Verwundetenabzeichnen wurden den Männern mit den Worten: Sagen sie niemandem, wofür Sie es bekommen haben. verliehen. Kapitän McGonagle erhielt die höchste Auszeichnung Amerikas: Die "Medal of Honor" – von einem Minister auf einem kleinen Stützpunkt im südosten Washingtons. Eigentlich wird diese Auszeichnung vom Präsidenten der Vereinigten Staaten persönlich im Weißen Haus verliehen. Eine merkwürdige Behandlung für Leute, die eigentlich als Helden Amerikas gelten sollten. Zudem bestreitet der ehemalige Verteidigungsmenister, Robert McNamera, seine Beteiligung in der Angelegenheit: Er antwortet auf die Frage, ob er die Flugzeuge hat zurückrufen lassen:

Ich bin mir absolut sicher, dass das nicht stimmt.

Sie haben der Sechsten Flotte kein Signal gesendet?

Definitiv nicht! Ich habe keine Ahnung, was da passiert ist. Es wird behauptet, dass wir Flugzeuge losgeschickt und wieder zurückgerufen hätten und wir sollen zugelassen haben, dass die Israelis die U.S.S. Liberty versenken. Davon weiß ich überhaupt nichts.

Auch Präsident Johnson gab die Unstimmigkeit mit Israel, die er in seinen Memoiren anspricht, nie öffentlich zu; weder im Kongress noch gegenüber seinen alliierten Verbündeten in Europa.

Richterin Jay Cristol aus Florida kämpfte mehrere Jahre im Zuge des Freedom of Information Act, um von der NSA Unterlagen zu diesem Vorfall zu bekommen. http://www.fas.org/sgp/foia/cristol.html

Nachdem sich der Geheimdienst mehrere Male weigerte, wurden diese nun veröffentlicht: Es handelt sich hauptsächlich um Tonbandprotokolle, die ein amerikanisches Spionageflugzeug aufzeichnete. Gespräche zwischen den israelischen Piloten und der Bodenkontrolle. http://www.nsa.gov/liberty/index.cfm

In wie weit diese Dokumente nach dieser langen Zeit noch den Originalen entsprechen, ist wohl unklar. Bei so viel merkwürdigem Verhalten wie in dieser Anglegenheit würde man sich über ein paar frisierte Funksprüche aber auch nicht mehr wundern.



(Kommentare der Beteiligten aus der BBC/WDR Reportage : DEAD IN THE WATER/ Der Angriff auf die Liberty)



Infos über die Liberty:

http://www.ussliberty.org/

http://www.logogo.net/liberty.htm
 

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