den artikel habe ich heute in einer zeitung entdeckt. ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr sich cuba von anderen süd/mittelamerikanischen ländern unterscheidet.
liegts vielleicht daran, das die usa, seit fidel am ruder ist, keinen einfluss mehr haben?
keine straßenkinder, schulbildung für alle und jetzt machen sie aus der not eine tugend.
respekt!
liegts vielleicht daran, das die usa, seit fidel am ruder ist, keinen einfluss mehr haben?
keine straßenkinder, schulbildung für alle und jetzt machen sie aus der not eine tugend.
respekt!
Buena Vista Öko Club
In Krisenzeiten setzt Fidel Castro auf grüne Konzepte. Auf der Zuckerinsel boomen Biolandwirtschaft, Alternativmedizin und Solarenergie.
Comandante Pancho am Nationalpark-Zentrum. Mit strengem Blick überwacht der General, wie seine Männer Kaffee-Setzlinge pflanzen. Direkt auf das Korallenriff. Zwischen weißen Steinen liegt schwere, dunkle Erde. Vor Millionen Jahren schwammen hier Fische. Dann hob sich das Riff aus dem Meer und bildete eine Insel: Kuba. "Der Boden ist äußerst nährstoffreich", sagt der General. "Damit er fruchtbar bleibt, müssen wir ihn gut pflegen." Er lässt Mulch gegen das Austrocknen streuen und Bananenbäume Schatten spenden. Steinwälle verhindern, dass die tropischen Regenfälle die fruchtbare Krume fortspülen.
General Francisco Gonzalez Lopez, Gebirgskämpfer und "Held der Republik Kuba", ist unter die Biolandwirte gegangen. Über 400 Quadratkilometer erstreckt sich die Farm "Los Lirios", unter seiner Leitung werden Kaffee und Kakao, Yams und Maniok, Bananen und Gewürze angebaut. Einige Flächen reserviert er dem Naturschutz, dort wird weder Holz geschlagen noch gejagt. "Wir wollen die Finca so artenreich gestalten wie möglich", sagt der General, "das stabilisiert langfristig auch unsere Erträge." Und die seien, insbesondere bei Kaffee, hervorragend. "Wir könnten ganz Kuba nur mit Biolandwirtschaft ernähren", meint Lopez, "wir brauchen die ganzen Pestizide und Kunstdünger gar nicht."
Grüne Revolution dank Krise
Das klingt wie Pfeifen im dunklen Wald. Derzeit sind die Zutaten einer intensiven Landwirtschaft für Kuba sowieso unerschwinglich. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks fielen auf einen Schlag die meisten Lieferanten und Kunden weg. Zudem verstärkten die USA ihr Wirtschaftsembargo gegen das Regime Fidel Castros. Beides zusammen führte zu dramatischen Mangelsituationen. Große Teile der Bevölkerung mussten Anfang der neunziger Jahre regelrecht hungern. Doch ihr Selbstbehauptungswille lässt die Kubaner aus der Not eine Tugend machen, und viele der neuen Konzepte bringen ökologische Fortschritte: Auf der Zuckerinsel boomen Biolandwirtschaft, Solarenergie, Kräutermedizin und Ökotourismus, davon profitieren Natur und Umwelt. Aus der Krise heraus zettelt Kuba eine grüne Revolution an.
Landwirtschaftliche Kooperativen und Privatbauern produzieren mittlerweile die saubersten Nahrungsmittel der Welt. Sie bekämpfen Schädlinge nicht mit chemischen Mitteln, streuen keinen Kunstdünger. Und wegen der geringen Industrialisierung der Insel fehlen auch solche Rückstände, die über die Luft in die Nahrungskette gelangen könnten. "Unsere Bauern müssen umdenken", sagt José Rodriguez Oruna vom Umweltministerium, "und sich mit bislang unbekannten Dingen beschäftigen." Sie rücken Schädlingen mit biologischen Methoden zu Leibe, etwa indem sie Ameisen auf den Süßkartoffel-Bohrer loslassen. Mischkulturen, Fruchtwechsel oder Wurmkulturen für nährstoffreicheren Naturdünger sind heute weit verbreitete Techniken.
Die Erfolge können sich sehen lassen. Niemand muss mehr hungern. In den vergangenen Jahren wurden bei zehn wichtigen Grundnahrungsmitteln Rekordernten erzielt. Einen wichtigen Anteil daran hat das Regierungsprogramm "Agricultura Urbana". Wie effektiv Landbau in der Stadt sein kann, macht Havanna vor.
In der Metropole drängen sich 2,5 Millionen Menschen, rund ein Fünftel aller Kubaner. Wegen der Benzinkrise können Lebensmittel kaum von außen kommen. Heute sind offiziell 8.000 städtische Gärten registriert, in denen 30.000 Habaneros ihre eigenen Salate, Tomaten, Bananen und Kartoffeln ziehen - hundertprozentig schadstofffrei. Kubas Umstellung auf organischen Landbau erregt auch international Aufsehen.
Im vergangenen Jahr erhielt die Grupo de Agricultura Organico (GAO) in Stockholm den Alternativen Nobelpreis, den Right Livelihood Award. Die Jury lobte, dass die Organisation darauf hinarbeitet, die Umstellung auf Bio endgültig zu machen. "Wir wollen auch dann noch organisch wirtschaften, wenn die Krise vorüber ist und Chemikalien wieder ins Land fließen könnten," verkündet GAO-Präsident Dr. Fernando Funes-Aguilar.
In kaum einem anderen Entwicklungsland wäre diese Kehrtwendung so schnell möglich gewesen wie in Kuba. Basis dafür ist das hohe Bildungsniveau. Analphabetismus ist unbekannt, Kuba stellt elf Prozent der Wissenschaftler in der Karibik, obwohl es nur zwei Prozent deren Bevölkerung zählt. Neue Ideen werden vor allem über Radio und Fernsehen schnell bis in die kleinsten Dörfer verbreitet. Und die Bauern nehmen begierig alles auf, was eine Linderung der gegenwärtigen Notlage verspricht.
Medicina Verde
Medicina Verde: Über 100 Präparate werden in Apotheken angeboten. So auch im Gesundheitswesen. Noch funktioniert es außergewöhnlich gut, nicht nur für karibische oder mittelamerikanische Verhältnisse. Auf 100 000 Menschen kommen 301 Ärzte, das sind weit mehr als in den USA oder Schweden. In jeder Gemeinde sichert ein "Consultorio", ein Gesundheitsposten, kostenlos die Behandlung der Familien. So erreichen Kindersterblichkeit und Lebenserwartung ungewöhnlich gute Werte.
Was dagegen an allen Ecken fehlt, ist das Handwerkszeug der Ärzte, Medikamente und technische Geräte. Chemische Arzneimittel, die der Ostblock bis 1990 billig lieferte, sind für die meisten Patienten unerschwinglich.
Auf der Suche nach Ersatz besann sich die Regierung auf alte, verschüttete Traditionen. "Medicina Verde", die natürliche Medizin, wurde zum nationalen Programm erhoben. Auf der "Granja estatal de plantas medicinales" bei Guantánamo etwa wachsen Aloe Vera, Zitronengras, Oregano und Pfefferminzarten. Rund 13 Tonnen solcher Heilpflanzen liefert die Staatsfarm an Laboratorien oder Apotheken, die daraus über 100 verschiedene Präparate herstellen. Im ganzen Land entstehen neue Produktionsstätten, medizinische Fakultäten erklärten "grüne Medizin" zum Pflichtfach. "Sicher, wir müssen noch genauer erforschen, welche Substanzen medizinisch wirksam sind und welche nicht", räumt Marlenis Cala Cala vom Wissenschafts- und Umweltministerium CITMA ein. "Die Kräuterpräparate haben jedoch einen entscheidenden Vorteil: Sie sind in ausreichenden Mengen lieferbar."
Medicina Verde wurde zum Oberbegriff für die verschiedensten medizinischen Methoden. Die "Clinica Medicina Tradicional y Natural" von Guantánamo bietet, wie viele andere kubanische Polikliniken auch, eine Mischung westlicher und östlicher Praktiken an. Dazu zählen Akupunktur und Massage, Bachblütentherapie und Kneippkuren, Homöopathie und Hypnose. Über Heilerfolge ist, wie in dem dirigistisch geführten Land üblich, allerdings wenig zu erfahren.
Die Patienten reagieren zwiespältig. "Ich habe viel über schädliche Nebenwirkungen der chemischen Präparate gelesen", meint die siebzigjährige Maria Antonia, die an Arthritis leidet, "deshalb finde ich gut, sanftere Methoden auszuprobieren." Dagegen fürchtet ein 38-jähriger Mann, der kurz vor einer Hüftoperation steht: "Akupunktur anstatt Betäubung, ob das gut gehen wird?" Seine Begeisterung für alternative Methoden hält sich in Grenzen, weil er sie nicht freiwillig wählen kann. Für ihn sind sie Kinder einer Not, die erfinderisch macht. Aber eben nur Ersatz. Nicht anders empfinden sie die von oben verordnete Verkehrswende. Schweren Herzens steigen die Kubaner von spritfressenden Oldtimern wie dem Chevrolet Belair auf die "Flying Pigeon" um. "Brieftaube" ist der irreführende Markenname für immerhin 24 Kilogramm schwere Fahrräder, made in China. Als Antwort auf den anhaltenden Benzinmangel ließ Fidel Castro mehr als eine Million Stück einführen und propagierte fortan Trampeln statt Tanken. Oder, in seiner revolutionären Rhetorik: "Den Gebrauch des Fahrrades auszuweiten ist ein Indikator für den kulturellen Fortschritt." Mit einer Beherztheit, von der deutsche Kommunalpolitiker träumen, wurden in der Hauptstadt 25 Kilometer Fahrradwege ausgewiesen und Tempolimits für Autos verhängt. Und die Bürger fanden tausenderlei Wege, die "Brieftauben" zu Lasteneseln und Drei-Personen-Taxis umzubauen.
Cubasolar
Weil Benzin und Kohle zu wertvoll zum Verfeuern und Verstromen sind, entdeckt die Karibikinsel nun die Sonne als Energiequelle. Angeregt durch den Bonner Verein Eurosolar gründete der Staat die Agentur Cubasolar. Sie rüstet vorrangig Schulen und Gesundheitsposten, die weit entfernt von den Stromnetzen liegen, mit Photovoltaik-Anlagen aus.
Die Zellen auf dem Dach können lebenswichtig sein. "Bevor wir Strom hatten, musste ich nächtliche Unfallopfer beim Schein einer Petroleumlampe untersuchen. Mir tränten die Augen vom Ruß, oft konnte ich nicht einmal eine Diagnose stellen", erzählt die Ärztin Mayra de la Cruz. Ihr "Consultorio" hat heute nicht nur Sonnenstrom, sondern auch ein Funkgerät, mit dem sie in Notfällen einen Krankenwagen herbeirufen kann. Allein in der Provinz Guantánamo, deren Bergdörfer besonders unzugänglich sind, wurden 70 solcher Familienpraxen mit Solarzellen ausgerüstet, in ganz Kuba rund 250.
Noch kommen die Bauteile für Photovoltaik aus dem Ausland und werden auf der Insel nur montiert. Die Regierung plant jedoch, selbst in die Produktion der Siliziumzellen einzusteigen.
Welche der grünen Konzepte Kubas beruhen auf gewachsenem Umweltbewusstsein? Und welche entspringen lediglich der "período especial", wie die Notlage aufgrund des US-Wirtschaftsembargos auf Amtskubanisch heißt? Beobachter sehen Anzeichen, dass Fidel Castro aus echter ökologischer Einsicht handelt. So stoppte der "maximo lider" persönlich das Projekt eines geplanten Staudamms in Ostkuba. Dessen Bau hätte eine der artenreichsten Naturlandschaften der Insel zerstört. Der dortige Nationalpark "Alejandro de Humboldt", mit deutscher Hilfe gegründet und eingerichtet, hätte wichtige ökologische Zonen eingebüßt.
"Das Engagement Castros kann man nicht hoch genug bewerten", sagt Professor Manfred Niekisch, Vorstandsmitglied der deutschen Tropenwaldstiftung OroVerde, "denn hier verzichtet ein Land mit großen Energieproblemen darauf, Wasserkraft zu nutzen, um Natur zu erhalten."
Seit 1996 hilft OroVerde, den 70 000 Hektar großen Nationalpark zu sichern. Wegen seiner hohen biologischen Vielfalt - allein 1300 Pflanzenarten wurden entdeckt, davon existieren 70 Prozent nur auf Kuba - gilt der Park als "karibisches Galapagos". Niekisch hält es für extrem wichtig, "hier nicht nur Naturschutz zu betreiben, sondern gleichzeitig der Region neue Einnahmequellen zu erschließen. Nur wenn der Park sich wirtschaftlich rechnet, hat er eine Zukunft."
OroVerde setzt große Hoffnungen auf den Ökotourismus. Ein Teil der mehr als 1,5 Millionen Ausländer, die auf der Karibikinsel Urlaub machen, soll sich zukünftig von den Naturschätzen anlocken lassen: Nur dort leben noch so exotische Tiere wie der Schlitzrüssler, ein kleines Pelztier, oder die bunt gefiederte Kuba-Amazone.
Für den Humboldt-Nationalpark engagiert sich auch Biofarmer und General Francisco Gonzalez Lopez. "Trotz der Armutsprobleme, die wir haben, gibt es keine Wilderei oder illegales Holzfällen, auch keine Sabotageakte wie Brandstiftung. Der Park wird akzeptiert." Mit der gleichen Entschiedenheit, mit der er gegen Invasoren vom Festland kämpfen würde, befürwortet der General strengsten Naturschutz: "Im Reservat lebt eine einzigartige Vielfalt von Pflanzen und Tieren. Die werden wir gegen jeden Eindringling verteidigen."
Michael Gleich
www.oroverde.de