Die amerikanischen Mütter hatten gedacht, sie schicken ihre Söhne in eine Heldenmission. Jetzt werden sie beschossen, verletzt, getötet und die Iraker spucken auf sie. Den Soldaten wurde versprochen, sie würden als Befreier gefeiert. Jetzt kommen viele von ihnen wieder nach Hause. Nur eben nicht als strahlende Sieger, sondern in aller Heimlichkeit – in Särgen. Diese unschöne Wirklichkeit des Krieges möchte die US-Regierung der Öffentlichkeit vorenthalten. Das Bild eines siegreichen Amerikas soll nicht getrübt werden. Stephan Stuchlik und Volker Steinhoff über eine Regierung, die Wahlen gewinnen will und deshalb versucht, den Tod zu verstecken.
Airbase Ramstein bei Kaiserslautern – hier werden fast jeden Tag Tote angelandet: gefallene US-Soldaten aus dem Irak.
Aber keiner soll die Särge sehen. Filmverbot.
O-Ton
Major Mike Young:
(US-Militärbasis Ramstein)
„Das ist aus Respekt vor den amerikanischen Angehörigen. Wir wollen uns nach ihren Wünschen richten, ihre Privatsphäre schützen, damit sie ungestört trauern können.“
Nach dem Zwischenstopp in Ramstein geht die Toten-Fracht weiter in die USA. Auch dort bleiben die Särge versteckt, wieder angeblich aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen.
Eine Mutter:
O-Ton
Sue Niederer:
(Mutter v. getötetem Soldaten)
„Ich würde den Medien definitiv erlauben, die Särge zu zeigen. Bloße Zahlen bedeuten gar nichts. Aber einen Sarg zu sehen, eine trauernde Familie – das berührt jeden. Denn das ist Realität. Doch diese Realität soll eben keinem gezeigt werden, nicht einmal den Hinterbliebenen der Toten.“
Dover, USA. Hier landen die Flugzeuge mit den Särgen aus Deutschland. Und hier warten trauernde Eltern vergebens. Dabei hatte Major Young in Ramstein noch mit Pathos versprochen:
O-Ton
Major Mike Young:
(US-Militärbasis Ramstein)
„Wir wollen die Familien schützen, damit sie die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen am Ort ihrer Wahl sehen können. Alles soll nach den Wünschen der Familien gehen.“
Doch Sue Niederer durfte ihren Sohn nicht sehen, als er vor 3 Monaten aus dem Irak ankam - im Sarg.
O-Ton
Sue Niederer:
(Mutter v. getötetem Soldaten)
"Ich will am Flugzeug sein", habe ich denen gesagt, "ich will den Sarg von meinem Sohn sehen!"
"Oh nein, auf keinen Fall", sagten sie - "Sie können draußen vor dem Tor warten."
"Entschuldigung", habe ich gesagt, "ich will meinen Sohn sehen, wenn er hier ankommt!". "Nein! Nein."
Jetzt gibt es erstmals Fotos von diesen Särgen; Bilder, die weltweites Aufsehen erregen.
Amerikas Jugend, vor einem Jahr zur Befreiung des Irak aufgebrochen, kehrt in Fahnen gehüllt heim.
Es waren nicht etwa US-Medien, sondern ein Privatmann, der diese Bilder beschafft hat, auf legale Weise. Er stellte sie ins Internet, und jetzt sind sie auf allen Kanälen zu sehen. Das amerikanische Fernsehen selbst hatte sich nie darum bemüht, im Gegenteil. Denn die Regierung, so die Begründung, habe solche Bilder nicht gewollt.
O-Ton
Jim Murphy:
(CBS)
„Ein Teil der modernen Kriegsführung besteht aus Informationsmanagement.
Propaganda gehört immer zum Krieg. Zu viele schlechte Bilder - da könnte der Wille zum Durchhalten verloren gehen.“
Jetzt das große Thema in US-Medien, die noch vor kurzem Instrumente der Kriegspropaganda waren. Nur eine Lokalzeitung hatte die Zensur durchbrochen und vor allen anderen dieses Foto gebracht. Aufgenommen von einer Frau, die in Kuwait für das US-Militär gearbeitet hatte. Sie wurde gefeuert, offizielle Begründung: die Frau habe die Richtlinien des Pentagon verletzt. Solche Pressionen wirkten, zumal die Medien willfährig mitspielten.
O-Ton
Jo Groebel:
(Europ. Medieninstitut)
„Das Gleiche, was für die Bevölkerung gilt, gilt auch für die Medien, nämlich, dass man am Anfang wirklich loyal war, solidarisch war und gesagt hat: Wir müssen jetzt erst einmal gegen diesen Terrorismus zusammenstehen, dass man gesagt hat: wir sind solidarisch und akzeptieren auch Dinge, die man normalerweise nicht akzeptieren würde.“
Dass die Bilder nun doch herauskamen, ärgert besonders einen : Verteidigungsminister Rumsfeld. Also verhindern, das sich so etwas wiederholt. Während die Kriegstoten weiter bei Nacht und Nebel entsorgt werden, stehen Rumsfeld und sein Chef Bush gern vor laufenden Kameras. Schließlich ist Wahlkampf in den USA.
O-Ton
Sue Niederer:
(Mutter v. getötetem Soldaten)
„Bush selbst traut sich nicht, den Angehörigen in die Augen zu schauen.
Er kommt zu keiner Beerdigung, wie alle anderen Präsidenten. Er ist nicht einmal da, wenn die Särge kommen.“
Die Bush-Regierung hat Grund zur Angst. Sie hat Grund, solche Bilder zu verheimlichen:
Vietnam. Zigtausende Amerikaner starben damals, und das wurde jeden Tag gesendet.
Gleich mehrere US-Regierungen stürzten deshalb, und am Ende verlor Amerika den Krieg.
O-Ton
Jo Groebel:
(Europ. Medieninstitut)
„Ein einzelnes Bild, ein Bild das signalisiert: hier geht was schief, es gibt viele Tote, hier kann eine kriegerische Unternehmung scheitern, hier sind massiv Opfer im eigenen Land zu beklagen, wenn dieses auf der richtigen Symbolebene verbreitet wird, dann passiert genau das, was hier noch nicht, was aber in Vietnam bereits passiert war seinerzeit, nämlich, dass genau die richtigen, in Anführungszeichen "richtigen" Bilder die öffentliche Meinung massiv umschlagen lassen.“
Die Realität bleibt trotz dieser Fotos fast unsichtbar. Ein paar Särge sind hier zu sehen, aber über 700 Amerikaner sind schon gefallen.
O-Ton
Sue Niederer:
(Mutter v. getötetem Soldaten)
„Es ist eine Statistik. Es gibt für diese Regierung keine Menschlichkeit.
Es geht nicht um IHR Fleisch und Blut, also ist es ihnen egal.
Sie wollen nicht, dass die Leute sehen, was wirklich los ist.“