Chefarzt nach heimlichen Arzneitests suspendiert
Der Narkose-Chefarzt des Gießener Uniklinikums ist vom Dienst suspendiert worden. Er soll Medikamente an Patienten getestet haben, ohne deren Zustimmung eingeholt zu haben.
Gießen - Zwei Tage nach einer bundesweiten Razzia bei Medizinern hat Universitätspräsident Stefan Hormuth den 64-jährigen Arzt vorläufig vom Dienst freigestellt. Es wurde außerdem ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Entscheidung fiel nach einer Anhörung, zu der Hormuth den Chefarzt als Dienstherr geladen hatte.
Der Chefarzt und zehn weitere Narkoseärzte stehen unter dem Verdacht, seit Anfang der neunziger Jahre bei Operationen Medikamententests an Patienten durchgeführt zu haben, ohne dass die Testpersonen dem zugestimmt hätten. Die Ergebnisse der Versuchsreihen sollen in medizinischen Arbeiten verwendet worden sein. Mit den Studien könnten zwei Todesfälle in Verbindung stehen.
Hormuth sagte, der Chefarzt habe in der Anhörung deutlich gemacht, dass er die Vorwürfe entkräften wolle. Mit den nun eingeleiteten Maßnahmen solle das Ansehen der Universität und des Klinikums geschützt werden, sagte der Hochschulpräsident. Zudem werde gegen den verdächtigen Arzt auch wegen Abrechnungsbetrugs ermittelt. Der Mediziner soll Privatpatienten nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt haben.
Eine Sprecherin der Universität sagte, Suspendierung und Disziplinarverfahren seien nicht als Schuldzuweisung zu verstehen. In Anbetracht der komplizierten Sachlage könnten sich die Ermittlungen geraume Zeit hinziehen. Gegen die Suspendierung kann der Chefarzt noch Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht einlegen.
Wegen der angeblichen Medikamentenversuche hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge gegen die Ärzte eingeleitet. Wie viele Patienten durch die Tests geschädigt wurden, ist unklar. Auch welche Präparate im Einzelnen verabreicht wurden, ist noch offen.
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http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,302890,00.html