Oh, habe ich da in ein intellektuelles Wespennest gestochen?
Mal grundsätzlich vorab:
Weder bin ich ein Anhänger Sheldrakes noch teile ich seine Hypothesen.
Allerdings musste ich nach der Lektüre seines letzten Buches feststellen: Es sind
interessante und auch kluge Fragen, die er da aufstellt und es lohnt sich durchaus, über sie nachzudenken.
Fragen im Übrigen nicht nur über das Verhalten von Menschen und Tieren, sondern auch über (z.T. wirtschaftlich bedeutende) Probleme der Kristallographie, die sich mit dem etablierten Wissen nicht recht erklären lassen.
Quakle123 schrieb:
Ausserdem habe ich das Beispiel der Neurologen lediglich angeführt, um aufzuzeigen das man durch einen fMRT sehr wohl die Gehirnfunktionen zeigen kann. Denn diese Fragestellung gehört ja eher in die Geisteswissenschaften als in die Medizin ...
Ist dem wirklich so? Ich bin kein Experte, aber auch die neueren bildgebenden Verfahren können doch im Grunde bislang nur abbilden: Da und da findet dann eine Aktivität statt und woanders nicht. Andere neurologische Aktivitäten streuen dann mehr oder weniger über das ganze Gehirn, das Musizieren beispielsweise. Was dann sogar soweit gehen kann, dass man durch bildgebender Verfahren sagen kann: Der musiziert nicht, der ist ein Anfänger und der ein Profi.
Wie aber Musik überhaupt verarbeitet wird: Das sagen die Scans nicht.
Quakle123 schrieb:
Aber gut ich bin ja auch gerne bereit wegen eines Mediziners all das Wissen aus meinem Studium über Bord zu werfen und neue Theorien anzunehmen. Allerdings sollte dann nicht alles gegen meine Behandlungserfahrung und denen 1000er anderer Berufskollegen sprechen.
Es gab und gibt in der Wissenschaft verquaste Einzelgänger, die man nicht allzu ernst nehmen sollte.
Allerdings haben die Wissenschaften keineswegs die von sich selbst behauptete Eigenschaft, neues Wissen immer sofort anzuerkennen, wenn es bewiesen werden kann. Gerade die Medizin ist - wenn auch vielleicht aus guten Gründen - in dieser Hinsicht eine sehr konservative Disziplin:
Semmelweis führte unterschiedlich häufiges Auftreten von Kindbettfieber auf mangelnde Hygiene bei Ärzten und Krankenhauspersonal zurück und bemühte sich, Hygienevorschriften einzuführen. Seine Studie von 1847/48 gilt heute als erster praktischer Fall von evidenzbasierter Medizin in Österreich und als Musterbeispiel für eine methodisch korrekte Überprüfung wissenschaftlicher Hypothesen. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Erkenntnisse nicht anerkannt und von Kollegen als „spekulativer Unfug“ abgelehnt. Nur wenige Ärzte unterstützten ihn, da Hygiene als Zeitverschwendung und unvereinbar mit den damals geltenden Theorien über Krankheitsursachen angesehen wurde.
Gut, ein Beispiel für die unwissenschaftliche Medizin des 19. Jh., könnte man meinen. Aber auch im 20. Jh. gab es Beispiele für damals unorthodoxe Sichtweisen, die sich später als richtig erwiesen. So z.B.
ein Erreger (Helicobacter pylori) als Ursache für Magengeschwüre - die lange Zeit als reine
Stresskrankheit galten (und im Volksmund auch noch immer sind):
Barry Marshall und John Robin Warren aus Perth, Western Australia, entdeckten 1983 H. pylori, was aber von der medizinischen Forschung lange Zeit nicht ernstgenommen wurde. Erst 1989 kam es zum Durchbruch, und das Bakterium wurde weltweit als Ursache des Ulcus anerkannt. Im Dezember 2005 wurden Warren und Marshall für ihre Arbeiten über H. pylori je zur Hälfte mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.
Wie viele Ärzte, Chefärzte, Professoren haben Magengeschwüre wie lange als rein stressbedingt, endogen, beurteilt? Mit 1000 kommst Du da kaum hin und 100 Jahre werden nicht ausreichen - und dennoch konnten Marshall und Warren zeigen (am Ende mit einem riskanten und ekligen Selbstversuch!): Eine Infektion, ausgelöst durch einen Erreger!
Was ich damit sagen will:
Ich bestreite nicht grundsätzlich etablierte medizinische Kenntnisse, was ich bestreite ist die dargestellte
Gewissheit, mit der Vowinkel (siehe Link) die Strukturen und Mechanismen darstellt.
Das grundlegende Problem neurologischer Vorgänge ist doch - mal abgesehen von bildgebenden Verfahren, die letztlich aber immer noch in den Anfängen sind - das es sich um eine Skinnersche Black Box handelt: Wir wissen, was rein geht, wir wissen, was rauskommt. Was aber in der Box tatsächlich passiert: Das wissen wir nicht oder kaum.
Die psychiatrische Diagnose ist daher, im Unterschied zu den meisten anderen medizinischen Diagnosen, in vielen Fällen eine reine
Verhaltensdiagnose. Und das auch noch oft genug aufgrund von Beschreibungen anderer, Nichtmediziner (Verwandte, Helfer, Polizisten u.a.). Niemand kann bis heute ein MRT machen und aufgrund dessen sagen: Der ist Bipolar, Schizophren o.ä. Anders ist auch gar nicht zu erklären, warum Schizophrenie in den USA viel häufiger diagnostiziert wird als in Deutschland und in Frankreich kaum. Sind die Amerikaner denn etwa schizophrener als die Deutschen und die Franzosen gar nicht?
Quakle123 schrieb:
Und nur zur Info, das was Sheldrake schreibt ist gelinde gesagt schlichtweg falsch. In meinem 2. Buch habe ich zufällig ein schönes Kapitel zu dem Thema, wenn du mir deine Adresse gibst schicke ich dir gerne ein Exemplar und du kannst dann selbst Entscheiden was korrekt ist.
Sheldrake ist spekulativ, möglicherweise ein Träumer. Gut möglich, er betreibt da eine Pseudowissenschaft. Wie gesagt: Ich teile seine Schlüsse nicht unbedingt und auch sind nicht alle seine Bücher sind lesenswert. Sein letztes aber unbedingt und auch wenn er sich vielleicht verrannt hat, so kommen seine Fragen auch nicht von ungefähr, sind oft noch ungelöst oder werden schlicht ignoriert.