Glosse: Mit innovativen Anglizismen zur Halbierung der Zahlen?
Deutschland kommt beim Abbau der Arbeitslosigkeit seit langem nicht recht voran. An Ideen und Vorschlägen, der steigenden Unterbeschäftigung Herr zu werden, hat es nicht gemangelt. Warum ist gleichwohl die arbeitsmarktpolitische Bilanz der vergangenen drei Jahrzehnte so eindeutig negativ? Viele Antworten sind auf diese Frage schon gegeben worden. Eine neue Antwort liegt jetzt als Bericht druckfrisch vor: Es fehlten bislang die richtigen innovativen Begrifflichkeiten. Wenn die Arbeitsämter erst einmal zu JobCentern, die Landesarbeitsämter zu KompetenzCentern umbenannt sind und sich mit Changemanagement, Transformationsmanagement und Kundenstrom-Management den neuen Aufgaben stellen, wird die Job-Maschine wohl endlich ans Laufen kommen. Die Halbierung der Arbeitslosigkeit bis 2005 ist erst recht kein Problem mehr, wenn dann noch das vorgesehene Casemanagement und das Key-Account-Management mit Leben gefüllt werden. Eine Lebende Statistik soll bei diesen vielfältigen Managementaufgaben helfen. Mit einem Corporate Branding soll endlich das hausbackene Image der Arbeitsämter abgeschüttelt werden.
Die Arbeitslosen selbst werden mit Hilfe eines Eingangsprofilings und eines Tiefenprofilings für die Gründung einer Ich-AG oder einer Familien-AG qualifiziert oder wechseln mit Temp to Perm in den Zeitarbeitsmarkt. Älteren Arbeitslosen hilft das BridgeSystem bei Wechsel in den vorgezogenen Ruhestand, für Auszubildende mit Problemen spart Großmutter ein AusbildungsZeit-Wertpapier an. Hierfür kann sie auch ihre im Supermarkt erhaltenen Rabattmarken in ein landesweites Rabattkartensystem einbringen. Vielleicht kommt sie bei ihrem Einkauf im Supermarkt an einer der neuen Job-Boutiquen vorbei, in der sie sich über den virtuellen Arbeitsmarkt informieren kann. Wem das alles nicht hilft, der löst dann mit dem JobFloater sowohl sein Arbeitslosenproblem als auch die Finanzierungsprobleme im Mittelstand.
Eine wichtige Rolle beim Abbau der Arbeitslosigkeit kommt arbeitslosen Akademikern zu. Bei diversen Auslandsorganisationen sollen diese für eine industriepolitisch orientierte Außenpolitik sorgen und so aktives Marketing für den Standort Deutschland betreiben. Auch den Technologietransferstellen an Hochschulen kommen Schlüsselfunktionen zu: Durch Cross-Cultural-Management sollen sie Barrieren zwischen Wirtschaft und Wissenschaft abbauen, als Trendscouts neue Entwicklungen aufspüren und mit Hilfe von Opportunity-Recognition nach verpassten Gelegenheiten Ausschau halten. Überhaupt müssen alle beim Abbau der Arbeitslosigkeit mit anpacken. Die halbe Bevölkerung wird zu Profis der Nation ernannt und geht eifrig Projektkoalitionen ein.
Wer auch immer irgendetwas von diesen Vorschlägen nicht verstanden hat, der rufe bitte nicht auf.