Malakim schrieb:
Simple Man schrieb:
Ist es das Unverständnis bzgl. bestimmter wissenschaftlicher Prozesse bzw. das Nicht-Verstehen von bestimmten "Dingen", die zu solch einem Glauben an einen Sinn führt?
Ist es für Dich denkbar, daß ein Nicht-Verstehen bestimmter Dinge zu einem Mangel an "glauben" an einen Sinn/Gott führen könnte?
Also das der Fall auch andersherum liegen
könnte?
Sowas in der Richtung habe ich mich auch gefragt, als ich den Eingangspost gesehen habe. Wobei ich deutlicher differenzieren würde, da für mich der Sinnbegriff nicht zwangsläufig etwas mit Religiösität oder Glauben zu tun haben
muss. (Das ist nur so üblich, weil unsere Folklore veraltet ist.)
Sinn, mal rein sprachphilosophischisch analysiert, ist zunächst mal ein Attribut. Sinn selbst ist kein beobachtbares Phänomen. Wir sprechen davon, dass Dinge Sinn ergeben, etwas Sinn macht. Die Frage nach der Sinnsuche selbst bezieht sich aber auf den jeweils größtmöglichen Gesamtkontext und nicht auf einzelne Phänomene. Man muss hier also unterscheiden zwischen dem Sinn von einzelnen Phänomenen, wie dem Sinn einer mathematischen Gleichung, dem Sinn einer Sicherungsvorkehrung usw. usf. und der Frage nach dem Sinn überhaupt. Um letztere Frage geht es in diesem Thread.
WIe bereits jemand geschrieben hat, wird man in der materiellen Welt alleine keinen Sinn finden. Jedoch ist damit nicht gemeint, dass materielle Zusammenhänge sinnlos seien - das Gegenteil ist offensichtlich wahr, wenn man einen Blick in die Natur wirft. Was damit gemeint ist, wenn jamend sagt, dass es in der materiellen Welt keinen Sinn gibt, ist, dass Sinn etwas ist, das einem Phänomen von jemandem zugesprochen wird.
Ich würde weiterhin unterscheiden zwischen Sinn und Zweck. Ein Zweck ist eine intendierte Bestimmung, eine Ausrichtung auf eine Aufgabe. Der Sinn hingegen ist viel weiter gefasst. Die Frage nach dem Zweck ist: Wofür? Die Frage nach dem Sinn sind: Weshalb und wie? Man spricht aus demselben Grund von einem
Sinnzusammenhang, aber nicht von einem
Zweckzusammenhang.
Einen Sinn in der Welt finden zu wollen heißt nicht, die Welt auf dieselbe Art zu durchsuchen, in der man nach einem Diamanten suchen würde, sondern den Gesamtzusammenhang erfassen zu wollen. Wissenschaft, also richtige Wissenschaften, Geistes- oder Naturwissenschaften (nicht so etwas zweckvolles aber sinnloses wie BWL
), will genau dies erreichen. Und dennoch sind die Wissenschaftler alles andere als dicht davor zu wissen, welchen Sinn die Welt machen könnte. Tatsächlich hat man nicht einmal in Bezug auf den Zweck ihrer Existenz Hypothesen.
Naturgesetze sind nichts weiter als Formalisierungen empirischer Phänomene. Es gibt für sie keine Begründung, weder intrinsischer noch sonst irgendwelcher Natur. Für die Frage nach dem Sinn leisten sie rein gar nichts, weshalb es ein Irrglaube ist, zu denken, die Wissenschaft helfe einem bei der Suche nach
Sinn. Sicher, es gibt physikalische Theorien zur Entstehung des Universums, aber letztendlich handelt es sich dabei nicht um Antworten auf Warum-Fragen, sondern auf Wie-Fragen. Aber, um Wittgenstein zu paraphrasieren, nicht
wie die Welt ist, ist das Wunder, sondern dass sie überhaupt ist, und nicht nichts.
Antworten auf Warum-Fragen sind sicherlich schwer und nur annäherungsweise zu finden. Dennoch glaube ich in der Auseinandersetzung unterschiedlicher Kulturen und Epochen bestimmte Konstanten ausmachen zu können. Muster, die sich wiederholen, wenn es um die Auseinandersetzung mit dem Transzendentalen geht. Methaphern, Symbole, Zeichen, Riten, Kalender, Bräuche, Begriffe, Worte, Gedichte, Musik, Architektur, Kleidung -- alles hat Bedeutung. Und Bedeutung ist etwas, das sehr viel dichter am Sinnbegriff ist, als Zweckhaftigkeit.
Denn genau wie Sinn ist auch Bedeutung etwas, das wir einem Phänomen zuschreiben. Jede antike Kultur, die mir bekannt ist, hatte eine Art in sich geschlossenes Symbolsystem, dessen Anspruch war durch Bedeutungsrepräsentationen auf symbolhafter Ebene etwas über die Sinnhaftigkeit des Gesamtkontexts von Existenz auszusagen. Diese Symbolsysteme existierten auf verschiedenen Abstraktionsniveaus und die unterschiedlichsten Arten.
Die Germanen hatten Yggdrasil, die Weltenesche, die Kabbalisten haben den Lebensbaum, um mal zwei recht bedeutungsschwangere und stark abstrahierte Formen zu nennen. Aber es gibt natürlich auch pragmatischere Ansätze, wie das ägyptische oder tibetanische Totenbuch. Aber unabhängig davon, was genau an Inhalten vermittelt wird, gibt es bei diesen möglichen Antworten auf die Frage nach dem Sinn immer einige notwendige Komponenten:
- Ein Sprach- oder Schriftsystem. (Runen, Hebräisch, Hieroglyphen, Tibetisch)
- Einen kosmologischen Bezug.
- Eine Mythologie (, die kein vernünftiger Mensch jemals wörtlich nehmen würde).
- Ein holistisches Element. (Die Weisheiten des Hermes Trismegistos: Wie innen, so außen. Wie oben, so unten.; Das kabbalistische Konzept von Adam Kadmon, etc.)
Diese vier Punkte sind notwendig und immer vorhanden. Die Sinnfrage wird also rein strukturell betrachtet überall auf eine ähnliche Art beantwortet. Historisch gesehen scheint es, warum auch immer, zwingend notwendig zu sein, das System so zu gestalten, dass es jedem zugänglich ist, wobei sich der Grad der Zugägnlichkeit nach dem Vermögen des Fragenden richtet.
Für die, deren Abstraktionsvermögen nicht besonders ausgeprägt ist, gibt es die wörtlich verstandene Mythologie. Diese Leute glauben dann wörtlich irgendwelchen Quatsch, weil es sie überfordert den eigentlichen Sinngehalt zu erfassen. Darum ist es wichtig, keine missverständliche oder gewalttätige Mythologie zu haben.
Für die, die von einer wörtlich verstandenen Mythologie (berechtigterweise) enttäuscht sind, ergeben sich umfassendere Antworten aus der Auseinandersetzung mit abstrakteren Inhalten. Das Ziel ist in allen Fällen das gleiche. Erreicht werden soll eine Synchronisation zwischen Gedanken, formuliert in einer bestimmten Sprache, Symbolen, deren Anordnung auf Grund der jeweiligen Bedeutungen etwas über den Sinn vermitteln soll, und der Mythologie (oder Folklore) des jeweiligen "Stammes".
Sind die Gedanken mit den Symbolen beschäftigt und erfolgt eine solche Synchronisation von Gedanken und Symbolen, soll sich, quasi automatisch, eine holistische Perspektive ergeben, die das eigene Ich in einen größeren Kontext rückt, dessen Sinnhaftigkeit und Bedeutung durch dieses Erlebnis erfasst werden kann, sodass die Frage nach dem Sinn auf persönlicher Ebene beantwortet wird. Soweit die Theorie.