Reformmängel

Ask1 Redaktion

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11. März 2018
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Deutschland hat offenkundig ein Problem.
Zu viele Menschen haben keine Arbeit und müssen vom Staat mit Geldern unterstützt werden.
Die staatliche Unterstützung ist nicht allzu reichhaltig, denn der Staat hat in erster Linie gewaltige Schulden; darüber hinaus ist jeder weitere Arbeitslose ein geschwächter Konsument mehr. Wieder einer weniger, der Steuern zahlt und einer mehr, der nicht mehr soviel Waren konsumiert.

Doch je mehr Menschen schwere finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, desto mehr Betriebe müssen wegen mangelnder Umsätze schließen oder Personal abbauen.
Ein Teufelskreis, an dessen Ende immer mehr Arbeitslose, immer weniger Betriebe und immer weniger Steuereinnahmen stehen.

Der Binnenmarkt ist über Importe und die deutsche Exportindustrie verzahnt mit den globalen Märkten. Und auf denen verlieren deutsche Produkte an Konkurrenzfähigkeit durch hohe Personalkosten, die hoch sind, weil zum Einen ein deutscher Arbeitnehmer - bedingt durch die hohen Lebenshaltungskosten - relativ viel Gehalt braucht, um überleben und seiner Rolle als Konsument nachgehen zu können. Zum anderen, weil das deutsche Sozial- und Steuersystem die Entlohnung der Arbeitskraft relativ stark belastet.
Begünstigt durch die Eingliederung von Billiglohnländern in die EU und die gewachsene Unabhängigkeit der Exportindustrie vom nationalen Standort verlegen immer wieder Firmen Arbeitsplätze in Länder mit günstigeren Lohnbedingungen und so bekommt die teuflische Abwärtsspirale weitere Dynamik.

Der Mechanismus ist zweifelsohne bedrohlich und es ist klar, dass eine Regierung in irgendeiner Form reagieren will und muss und dies auch tut.

Nun ist die Situation aber delikat und komplex. Das Eine greift ins Andere und wie bei einem Zauberwürfel kommt man auf der einen Seite dem Ziel näher während man sich auf der anderen Seite vom Ziel entfernt - und hinsichtlich des letztlich gewünschten Ergebnisses die Lage vielleicht sogar verschlechtert.

So wirkt so manche Maßnahme gut gemeint aber schlecht durchdacht bis hoffnungslos naiv und manches Mal sogar durch billige Trickserei und Pfuscherei ruiniert.

Die an und für sich gute Idee, die Unterstützung der Arbeitssuchenden durch das Arbeitsamt zu intensivieren und Arbeitsunwillige zu motivieren, verkommt zur teuren Schikane.

Die teuer zur Agentur für Arbeit umgebaute Behörde hat schlicht keine Jobs zu vergeben, die über die Angebote von Personaldienstleistungsfirmen hinausgehen - und selbst dieses externe Vermittlungsangebot ist keine Garantie für einen Job. Die Jobs, die durch Personaldienstleistungsagenturen zu bekommen sind, zeichnen sich dann aber meist dadurch aus, dass sie mehr schlecht als recht bezahlt und alles andere als sicher sind. Die Agentur für Arbeit zwingt Arbeitslose nun förmlich dazu, sich - wenn auch nicht selten vergeblich - bei diesen Dienstleistern zu bewerben. Natürlich ist der Arbeitslose auch dazu angehalten, sich bei allen anderen möglichen oder unmöglichen Stellen zu bewerben. Das führt nicht selten dazu, dass sich Menschen mehrmals über dieselben Gelben Seiten bewerben, ohne eine Stelle zu bekommen.
Die immer wieder und wieder geschriebenen Bewerbungen erfreuen die Verkäufer von Druckzubehör und Büromitteln und nicht zuletzt die angeschriebenen Firmen, die in einem erschreckend hohen Teil der Fälle Mappen und Klarsichtfolien einbehalten.
Doch unterm Strich scheint das Resultat der massenhaften und erzwungenen Initiativbewerbungen, die von der Agentur zu einem recht hohen Teil, aber eben nicht komplett gezahlt werden, vor allem ein großer Haufen Spesen zu sein.

Weder bekommt der Arbeitssuchende Unterstützung für Computer oder Datentarife, noch kann man mit Unterstützung rechnen, wenn Produkte, die eigentlich gezahlt werden sollten, vom Verkäufer zu pauschal als Büromaterial ausgezeichnet wurden.

Der Umbau vom Amt zur Agentur sollte den Arbeitssuchenden zum Kunden machen und den Vorgang der Arbeitsvermittlung irgendwie professioneller, ja effizienter und vorteilhafter für den "Kunden" gestalten.
Doch wie ein Erfahrungsbericht zeigt, scheint es damit nicht weit her zu sein:

Unterschiede im Umgang mit Arbeitslosen gibt es bereits zwischen dem Land Brandenburg und Berlin. Im Land Brandenburg, genauer gesagt in Oranienburg, wird man zunächst an einer Rezeption empfangen, danach werden die Daten aus dem Fragebogen eingegeben und basta. Manche Mitarbeiter schienen nicht besonders motiviert, aber ein Mindestmaß an Höflichkeit war stets gegeben. Schon im Wartebereich finden sich zahllose Informationsschriften von der Bewerbung bis hin zu Infos für Existenzgründer. Berlin Mitte. Unser Weg führt zu einer Adresse, die uns der Vermieter mit einem Merkblatt beim Einzug gab. Wir gingen dort gleich morgens hin und suchten nach Einlass nach der Information. Es standen nur zwei "Kunden" vor uns, doch das Flair vom "Kundenservicecenter" verblasste spätestens mit dem Gesichtsausdruck des Mitarbeiters hinter dem Empfangstresen. Dieses Gesicht ließ vieles erahnen: Dass ihn sein Job anwidert, dass ihn die ganzen Proleten vor seinem Tresen anwidern - oder dass ihn seine Frau vergangenen Abend nicht an sich heranließ. In jedem Fall ein Gesicht wie ein Feuermelder. Man muss sich ja nichts anmerken lassen, so grüßte ich den Mann höflich. Der erwiderte den Gruß zwar, jedoch ohne in mein Gesicht zu sehen oder auch nur den Hauch von Höflichkeit in seine Stimme zu legen. Ich bat um Information bezüglich der Antragstellung für ALGII, woraufhin mir der Mensch mit einem kurzen Griff die notwendigen Formulare übergab. Wir bedankten uns und fragten, wie es nach Ausfüllen des Antrages weiter ginge - vor allem: Wo? Auf einem Notizzettel schrieb er die Anschrift der Leistungsstelle, bei der der Antrag eingereicht werden soll. Er betonte dazu, dass dieses ausschließlich persönlich geschehen könne.

Wir gingen nach Hause und begannen mit dem Antrag. Die Fülle der Fragen würde jeden zunächst erschaudern lassen, beinahe gewinnt man den Eindruck des Big Brother, der hier mit einer Fülle von Daten gefüttert werden will. Wir füllen den Antrag aus und kopieren entsprechend die vielen Unterlagen, welche die BA im Original vorgelegt und in Kopie von Seiten des Hilfesuchenden übergeben wissen will. An einem anderen Tag suchten wir nun die Leistungsstelle der BA. Wir sahen die Blechcontainer, verziert mit dem Logo der BA und suchten nach dem Eingang. Doch es war nur der Weg zum Jobcenter - nicht für ALGII-Antragsteller gedacht. Über den Hof um die Ecke des Gebäudes in Haus 1 sollte es sein. Die Leute standen bereits kurz hinter dem Eingang an. Drei Personen - offensichtlich Pförtner - stehen beim Ende der Schlange. Was wir bis dahin nicht wussten: Die Schlange verlief zunächst geradezu in das Gebäude, schlängelte sich nach links bis zum Ende des nächsten Ganges um dort in die entgegen gesetzte Richtung zu dem Zimmer zu führen, in das alle wollten. Da es in der Schlange kaum voran ging, die ganze Zeit zog und für meine hochschwangere Frau kein Sitzplatz zu sehen war, gingen wir. Auf dem kurzen Weg nach draußen fragten wir den Pförtner, ob das hier der Normalzustand sei, doch der beruhigte uns. Wir sollen besser zur Mitte des Monats vorbei kommen, da viele zum Anfang wie zum Ende des Monats hier wegen des Geldes stünden, dass sie benötigen und noch nicht erhalten haben. Wir bedankten uns für den Hinweis und gingen zunächst - nach einer solchen Auskunft jedoch nicht ohne ein mulmiges Gefühl.

Ein paar Tage später galt es, den zweiten Anlauf zu starten. Um 7:30 Uhr erschienen wir vor der Tür der BA zwecks Abgabe unseres ALGII-Antrages. Es wurde zwar erst um 8:00 Uhr geöffnet, doch die Schlange der Wartenden war geschätzt 50 - 70 Meter lang und war kurz vor Einlass beinahe doppelt so lang geworden.
8:00 Uhr: Die Pforten öffneten sich, alle marschierten fair hintereinander in das Gebäude. Einige - auch wir - begrüßten den Pförtner im Vorbeigehen mit einem "Guten Morgen", welcher stets von ihm erwidert wurde.
Der Gang zu Zimmer 170 mit unserem zweiten Versuch, der Anlaufstelle für Antragsteller, schien nun nicht so strapaziös zu werden. Wir standen diesmal nicht hinter der Eingangstür des Gebäudes, sondern gute 10 m dahinter. Und die Schlange machte keinen Knick nach links, sie bog direkt nach rechts in Richtung Zimmer 170 ab.
Es war mittlerweile 8:30 Uhr, als wir das ominöse Zimmer erreichen. Im Inneren vier Damen hinter einem Tresen sitzend, um die Anliegen der "Kunden" zu koordinieren. Unser Gegenüber sandte uns sofort zu Zimmer 173, von dem aus wir aufgerufen werden würden.
Zehn Minuten später rief eine Mitarbeiterin der BA unseren Namen, in der Zwischenzeit warteten wir in mitten derer, die noch für das Zimmer 170 anstanden. Bereits jetzt musste die Schlange doppelt so lang gewesen sein.
In diesem Zimmer 173 wurden wir nun freundlich empfangen, überreichten erste Unterlagen und beantworteten die Fragen zur beruflichen Qualifikation. Ich füllte die Formulare im Stehen an der Fensterbank aus, da es nur einen Stuhl in dem Zimmer gab. Dieser stand natürlich meiner schwangeren Frau zu. Doch dies war erst die Zwischenstation, um 9:10 Uhr wurden wir in einen Warteraum in der 3. Etage geschickt.
Die ersten Prospektständer, die wir dort zu sehen bekamen, waren leer. Offensichtlich halten die Berliner Mitarbeiter der BA nicht viel von Autodidaktik. Nun kam eine Dame in den Wartebereich und fragte zunächst nach Neuankömmlingen, um einen Zettel einzusammeln, den wir zuvor in Zimmer 173 erhielten. Kurze Zeit später wurden wir aufgerufen und zum Zimmer 368 zu Frau Fisch (Name geändert, der Red. bekannt) geschickt.
Zwei Damen waren dort mit der Antragsaufnahme beschäftigt, ich nahm auf der linken Seite Platz, wobei meine Frau stehen musste. Wieder einmal nur ein Stuhl zur Verfügung. Frau Fisch prüfte nun den Antrag auf ALGII und begann, den Antrag durchzusprechen. Dabei wiederholte sie permanent die Fragen und unsere angekreuzten Antworten bis ich ihr leicht genervt zu verstehen gab, dass wir den Antrag bewusst ausgefüllt hätten und unsere Angaben entsprechend korrekt sind.
Nach und nach forderte sie die erwünschten Kopien ein. Obwohl Frau Fisch die Gehaltsabrechnung meiner Frau vor Augen hat, bittet sie um Vorlage der Krankenversichertenkarte wie des Sozialversicherungsausweises meiner Frau. Wozu? Alle Kranken- und Sozialversicherungsangaben stehen deutlich auf der Abrechnung?
Sie widmet sich nun dem Mutterpass, der bei Antragstellung vorgezeigt werden soll und fragt weiter nach den Bescheiden, die ich mit Ende einer ALGI-Leistung und Beginn einer ALGII-Leistung erhielt. Anhand der Unterlagen, die ich dabei hatte, war nun klar ersichtlich, dass KEIN Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 besteht. Dennoch kündigte sie an, dass ich mich um einen entsprechenden Bescheid beim Jobcenter bemühen solle. Nun ging es weiter: Sie forderte das Zusatzblatt 3 ein, auf dem weitergehende Vermögensverhältnisse erfasst werden sollten. Doch im Antrag steht klar:

1. Frage:
"Ich (Antragsteller) und/oder mein/e Partner/in (vgl. Abschnitt 2) haben Vermögen, das den Wert von 4850 Euro je Person (also bei Partnern insgesamt 9700 Euro) übersteigt."

2. Frage:
"Die in Abschnitt 3 aufgeführten weiteren Angehörigen haben Vermögen, das den Wert von 750 Euro übersteigt."
Und der Nachsatz:
"Wenn eine der beiden Fragen mit "ja" beantwortet wurde, ist Zusatzblatt 3 auszufüllen."

Doch wir haben weder so viel Vermögen noch weitere Angehörige gem. Abschnitt 2. Dennoch fordert Frau Fisch dieses Zusatzblatt ein. Ich zitiere den Text im Antrag und bitte um Erklärung, da wir beide Fragen verneinen konnten. Doch Frau Fisch beharrt schlicht auf dieser Forderung und begründet sie damit, dass das üblich sei. Auf meine Frage, welche Unterlagen sie weiter benötige, antwortete Frau Fisch: "Geben Sie alles her, was sie dabei haben." Sie prüfte die Unterlagen nicht, legte sie nach Sichtung auf den Papierstapel.
Nun bat sie uns, vor dem Zimmer zu warten, während sie ein paar Kopien anfertigen wollte. Wir gingen hinaus, Frau Fisch verschwand.
Als sie wieder zurück kam und uns hinein bat, fiel uns auf, dass sie auch eine Kopie des Mutterpasses angefertigt hatte. Wir wiesen Frau Fisch darauf hin, dass dies nicht statthaft sei. Zum Einen steht im Antragsformular, dass der Mutterpass vorgezeigt werden soll (wegen des Entbindungstermins), zum Anderen finden sich rundherum Angaben zu Therapie, Krankheiten und Medikation, die diese Frau nichts angehen. Ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz.
Frau Fisch ignorierte unseren Einwand und lenkte unsere Aufmerksamkeit auf ein Formular, mit dessen Übergabe wir nun gehen dürften. Dort forderte sie schriftlich das Zusatzblatt 3, einen zusätzlichen Arbeitslosengeldbescheid sowie Kontoauszüge des letzten Monats mit aktuellem Stand. Zusätzlich - obwohl auf mehreren Kopien vermerkt - erwartete sie eine Kopie meines Sozialversicherungsausweises wie auch dem meiner Frau. Der Kontostand des letzten Monats sollte Frau Fisch eben sowenig interessieren - da war ich ja noch selbständig berufstätig.

Mir kam das Ganze seltsam vor. Diese Frau schien keine Ahnung vom Inhalt der Antragsformulare zu haben und nicht des Lesens mächtig zu sein, was die eingereichten Kopien betrifft. Ich ging vor die Tür, sah auf das Zimmerschild und fragte: "Sind sie Frau Käferowski oder Frau Fisch?"
Plötzlich entglitt ihr reservierter Gesichtsausdruck, ihre Augen weiteten sich. Frau Fisch erkundigt sich nach meinem Interesse für ihren Namen. Ich sage, dass ich lediglich wissen möchte, ob sie nun Frau Käferowski (Name frei erfunden, Anm. d. Red.) oder Frau Fisch sei. Sie gab nun endlich ihren Namen preis, stand von ihrem Platz auf und ging auf uns zu. Sie fragte abermals nach meiner Motivation, ihren Namen zu erfragen. Ich antwortete, dass ich lediglich ihren Namen erfahren wolle, ich generell gerne weiß, mit wem ich rede und vor allem prüfen wolle, ob denn hier alles korrekt ablief. Frau Fisch schien wie umgewandelt: Ihr Gesicht ließ eine zunehmende Röte erkennen; ihr Gesichtsausdruck schien besorgt und erstaunt zugleich.
Wir verabschiedeten uns höflich mit den Worten: "So, Frau Fisch, dann wünschen wir Ihnen noch einen schönen Tag." Frau Fisch erwiderte unsere Worte des Abschieds, wobei sie urplötzlich überfreundlich schien. Es war nun 10:15 Uhr.
Wir verließen das Gebäude und gingen zu den Containern, in denen das Jobcenter untergebracht war. Schließlich musste ich nach Willen von Frau Fisch einen weiteren Nachweis erbringen, dass ich keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I habe. Nach meiner Zigarette auf dem Weg dorthin betraten wir das Jobcenter, sprachen eine der Damen auf unser
Anliegen an und nahmen Platz im Wartebereich - es war nun 10:30 Uhr.

Der Wartebereich war deutlich freundlicher gestaltet, die "Kunden" sahen rein äußerlich genauso aus, wie jene, die wir zuvor in der ALGII-Stelle gesehen hatten. Doch hier wurden wir mit einem freundlichen Lächeln begrüßt, als wir gegen 11:00 Uhr zur Sacharbeiterin gebeten wurden. Wir trugen unser Anliegen vor. Eine Bescheinigung der ALGI-Stelle, dass kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestünde. Wir wurden verdutzt angesehen, als wir der Sachbearbeiterin erklärten, dass die ALGII-Stelle vom Leistungsende, der Selbständigkeit und der 11 Monate alten ALGII-Bescheinigung Kenntnis erlangte und dennoch auf dieser Bescheinigung bestand. Andere Mitarbeiterinnen, die dieses ebenfalls hörten, schüttelten verständnislos den Kopf und äußerten sich abfällig gegenüber dieser Frau Fisch. Unsere Sachbearbeiterin füllte das Formular sogar für uns aus und legte es uns zur Unterschrift vor. Es war 11:10 Uhr, als wir nun gehen konnten - mit dem ersten geforderten Schriftstück für Frau Fisch.(Erlebnisbericht eines Betroffenen. Name der Redaktion bekannt.)

Eine solche Ungleichbehandlung will nicht ganz zusammengehen mit einem auf festen Regeln fußenden Vermittlungs- und Betreuungsprozess.
Aus gewissen Regeln jedoch resultiert offenbar massive Schikane. Wie der Report Mainz berichtet, existieren Dienstanweisungen, nach denen etwa Termine so gelegt werden sollen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Nichteinhaltens durch den Arbeitslosen steigt, was zu einer Kürzung bzw. Sperrung der Leistung berechtigt und somit eine Einsparung bedeutet.

Schikane und Diffamierung wirken systematisch und wie der Versuch, die katastrophale Situation klein zu reden.
Auch in diversen sogenanten "Reportagen" und Talk-Shows unserer "unabhängig" genannten Medien werden Arbeitslose nur allzu gern als faule, heruntergekommene Sozialschmarotzer dargestellt - und in genau diese Kerbe haut man auch von staatlicher Stelle schon seit geraumer Zeit, wie die Ask1-Redaktion in ihrem Blog bereits berichtete (Das Papier, auf das sich der Redakteur dabei bezieht, ist übrigens schon wieder aus dem Netz genommen worden ... offenbar ist man nicht bereit, wirklich dazu zu stehen, was auch im Zusammenhang mit entsprechenden Beschwerden und Klagen stehen könnte, die im Zuge der Aussagen des damaligen Wirtschaftsministers Clement auftraten). Und das spiegelt sich wie selbstverständlich im Verhalten vieler Mitarbeiter der Agentur für Arbeit wieder. Dieses Verhalten mag dazu beitragen, die Ursache des Problems etwas zu verschleiern - doch im Sinne einer wirklichen Problemlösung ist diese zur Schau getragene Haltung lediglich kontraproduktiv.

So genannte "Sozialsheriffs" streifen durch die Lande und sollen helfen, Leistungsmissbrauch aufzudecken. Dabei benehmen sich diese Leute weit über ihre tatsächlichen Befugnisse hinaus. Ohne gültigen Durchsuchungsbefehl gebärden sich diese Leute, als hätten sie ein verbrieftes Recht, die Persönlichkeitsrechte eines Langzeitarbeitslosen zu brechen, weil jener sich eben der lang anhaltenden Arbeitslosigkeit schuldig gemacht hat. Viele glauben wohl tatsächlich, dass diese "Sozialsheriffs" solche Befugnisse hätten - doch dem ist wohl ganz sicher nicht so. Ohne akute Gefahr im Verzug oder einen gültigen Durchsuchungsbefehl darf selbst die Polizei nicht einfach in eine Wohnung - und schon gar nicht ein Mitarbeiter einer ARGE.

Es wird mit den Hilfsbedürftigen regelrecht umgegangen, als hätte man es mit kriminellen "Untermenschen" zu tun. Diese Haltung seitens der ausführenden Organe könnte auf unangenehme Weise zurückprallen.

Dass die Situation aber von einer breiten Front von Unternehmern ausgenutzt wird, scheint auf der anderen Seite den "Sheriffs" nur allzugern zu entgehen.
Immer häufiger tauchen Jobs auf, die nur dann zu haben sind, wenn man Umschüler ist oder sonstige Förderungen durch die Arbeitsagentur mitbringt.
Immer häufiger werden Teilzeitjobs angeboten, die letztlich aber zu Vollzeitjobs ausarten müssen, wie im Falle eines Kölner Kfz-Mechatronikers, der im Rahmen viel zu niedriger Zeitkontingente Leistung erbringen soll und für sein bisschen Geld deutlich überdurchschnittlich mehr arbeitet, weil er seine Arbeit nicht unvollendet lassen kann.
Immer seltener werden Stellenangebote, die nicht irgendwie einen eklatanten Haken zu haben scheinen.

Verunsichernd und eher auch konsumhemmend dürften die Versuche sein, Menschen zu zwingen, ihre Heimatorte zu verlassen, um irgendwo in Deutschland einen meist kurzfristigen oder zumindest unsicheren Job anzunehmen. Wer wird in solchen Zeiten schon noch in Familie und Wohnungseinrichtung investieren?

Ebenfalls Kontraproduktiv wirkt die Masse an Änderungen in der Sozialgesetzgebung. "ich weiß manchmal gar nicht, wie ich das meinen Vermittlern noch Erklären soll" sagte etwa ein der Redaktion bekannter Leiter einer Arbeitsagentur. Chaos und Fehlinformationen sind programmiert.

Die einst als modernes Hilfsmittel für Arbeitssuchende gedachte Jobbörse der Agentur für Arbeit wirkt unterm Strich wenig motivierend. Eine Abfrage nach einem Jobangebot in einem bestimmten Bereich zeigt meist zwei eher frustrierende Wahrheiten.
1.) es haben sich schon über hundert Arbeitssuchende dieses Angebot angesehen und 2.) es handelt sich wieder einmal mehr um eine Personaldienstleistungsagentur, die diese Stelle anbietet.

Die Unterstützung der Zeitarbeitsfirmen durch den Staat schien eine gute Idee zu sein, hat sich aber wie schon so manch andere Förderung (vom Arbeitsamt geförderte und bezahlte Praktikanten oder Umschüler) zunehmend zum Instrument des Lohndumpings entwickelt. Immer mehr Firmen bevorzugen die verhältnismäßig billigen und leicht zu kündigenden Leiharbeiter und besetzen offene Stellen nicht mit regulären Angestellten. Im Gespräch mit einer Firma im fränkischen Wunsiedel wurde ausdrücklich klar gestellt, dass offene Stellen vorhanden seien, dass man Facharbeiter für Arbeit im Dreischichtbetrieb suche, aber nur noch mit Zeitarbeitsfirmen zusammen arbeiten würde. Man solle sich doch bei einer regionalen Personaldienstleistungsagentur mit seinen Qualifikationen bewerben; man würde dann mit einiger Wahrscheinlichkeit in die freie Stelle vermittelt. Die Anstellung, so ergaben weitere Recherchen, wäre dann eine als Hilfsarbeiter gewesen. Anstatt im Dreischichtbetrieb zu arbeiten würde man auf eine Schicht festgelegt und wäre mit 7 Euro in der Stunde entlohnt.
So verdrängt die vom Staat quasi unterstützte Zeitarbeit reguläre Arbeitskräfte. Vom Gesetzgeber war das so nicht gedacht. Leiharbeiter sollten nie qualifizierte reguläre Facharbeiterstellen ersetzen. Doch die derzeitige Arbeitsmarktsituation begünstigt derartigen Missbrauch.

Die Ein-Euro-Jobber sollten Menschen kleinste Erwerbsmöglichkeiten neben dem Bezug von staatlichen Regelleistungen bieten. Doch immer häufiger arbeiten etwa Sozialarbeiter, Kranken- oder Altenpfleger und Stadtreiniger auf Basis des Ein-Euro-Tarifs in Stellen, die eigentlich tariflich bezahlte Fachpersonalstellen sein sollten - oder einmal solche waren.
Eigentlich ist das ganz klarer Missbrauch der Regelung, doch die teils schlecht informierten "Arbeitnehmer" wissen oft nicht einmal, dass sie solchen Missbrauch anzeigen könnten und im Falle des juristischen "Kräftemessens" sogar einen vom Staat garantierten Rechtsschutz hätten.

Dabei ist so eine Arbeitskraft für einen Euro die Stunde nicht einmal eine Investition des Anbieters einer solchen Stelle.
Im VDK (einer der großen Sozialverbände Deutschlands) etwa arbeiten ALGII-Empfänger für 1,5 Euro in der Stunde und 6 Stunden am Tag als Mobilitätshelfer für Senioren.
Dabei bekommt der VDK pro Helfer 500 Euro im Monat gezahlt und Schüttet ca. 180 Euro an die einzelnen Helfer im Monat aus.
Der Sozialverband bekommt also nicht nur kostenlose Helfer sondern auch noch indirekte Geldwerte als Subvention.
Hier erscheint besonders unerfreulich, dass gerade in einem Sozialverband (zumindest in dem der Redaktion vorliegenden Fall) der Umgang mit den billigen Hilfskräften mehr als nur verächtlich scheint.
Herabwürdigung durch fachliches Anleitungspersonal scheint dabei an der Tagesordnung zu sein.

Projekte, bei denen zu Ein-Euro-Konditionen eingestellte gezwungen werden sollen, auch noch spezielle Kennzeichen zu tragen, werden als zynische Diskriminierung verstanden - und dabei ist es wohl den Betroffenen egal, ob das auch so gemeint war.
Beschwerden bei den zuständigen Arbeitsgemeinschaften verlaufen offenbar meist im Sande.

Die Erhöhung der Lebensarbeitszeit durch ein späteres Renteneintrittsalter soll - ähnlich wie unbezahlte Mehrarbeit - die Produktivität erhöhen und auf diesem Weg die letztendlichen Produktionskosten senken. Doch unterm Strich werden lediglich immer mehr Menschen überflüssig; verlieren Ihre Jobs oder bekommen gar nicht erst welche.
So mancher mutmaßt zynisch, dass ein höheres Renteneintrittalter die Zahl der Rentner reduzieren soll, weil ja viele Menschen noch vor dem Erreichen des Rentenalters an Überarbeitung sterben. Eine solchermaßen herbeigeführte Entlastung der leeren Rentenkassen wäre Menschenverachtend und man will das den Verantwortlichen gar nicht zutrauen - und dennoch ist der böse Verdacht nicht ganz von der Hand zu weisen, denn ganz sicher wird gerade mit Hilfe der Gesundheitsreform ein solcher Effekt wahrscheinlich.

Die Reformen des Gesundheitssystems sollten dazu beitragen, die Lohnnebenkosten etwas zu senken und so Arbeitnehmer billiger zu machen - was dazu animieren sollte, dass mehr Menschen Arbeit finden. Die Krankenkassen sollten entlastet werden, sich sanieren und deswegen in die Lage versetzt werden, ihre Beiträge zu senken. In erster Linie schien die Pharmaindustrie die Gelegenheit genutzt zu haben, ihre Gewinne zu vergrößern; die Krankenkassen schrieben relativ rasch schwarze Zahlen und errichteten prächtige Paläste aus Glas. Der Bürger fand sich in einer Welt aus Zuzahlungen und gestrichenen Leistungen wieder. Die Beiträge sanken nicht (Ganz im Gegenteil: Die Kassen kündigten bei gesunkener Leistung sogar Erhöhungen an.) und somit sanken auch nicht die Lohnnebenkosten - und natürlich blieben die erhofften Effekte auf dem Arbeitsmarkt aus.
Die politischen Verantwortlichen der Reform sahen sich ganz offenbar nicht in der Lage, die von Ihnen erwünschten Effekte herbeizuführen. Die Reform wirkt wohl in erster Linie verunsichernd und schröpfend auf die Mehrzahl der Bürger. Anstatt auf einen Urlaub spart man jetzt auf neue Zähne oder eine Brille.

Die enormen Einschnitte im sozialen Netz sorgen nicht nur für Verunsicherung sondern für schiere Frustration.Ich möchte gar nicht älter werden, wenn ich jetzt sterben würde, dann würde mir das gar nichts ausmachen, denn Rente bekomm ich ohnehin nie eine und wer weiß schon wie das weitergeht. Ich will nicht im Alter in einer kalten Behausung verhungern.erklärte eine 19-jährige Zeitarbeiterin und ist damit genausowenig ein Einzelfall wie die ältere Dame, die Ihre Jugend während des Krieges verbrachte und selbst dazu sagt:Ich beneide euch junge Leute nicht. Ich möchte heutzutage nicht mehr jung sein und bin froh, dass ich das alles schon soweit hinter mir habe.Immer mehr Menschen sehen die Zukunft als katastrophal an. Sie sind weder in der Lage noch motiviert, zu investieren oder etwa Kinder in die Welt zu setzen.Kinder? In diesen Zeiten? Das kann ich doch nicht verantworten? Ich weiß doch überhaupt nicht, wie das bei mir läuft, was in zwei Jahren ist, wie ich sie versorgen soll, von was sie mal leben sollen.Kinder werden von Entscheidungsträgern gern als eine Art "Allheilmittel" gesehen. Man bräuchte nur mehr Kinder, dann könnte man auch die Renten sichern. Doch Kinder, die keine vernünftige Ausbildung bekommen und keine Jobs haben werden, tragen genauso wenig zur Stabilisierung des Rentensystems bei wie schikanierte Bürger helfen, die wirtschaftliche Misere zu lösen.

Neuere Reformen - wie etwa die Anhebung der Mehrwertsteuer - sollen nach Vorstellung der Regierung zu Mehreinnahmen durch einen erhöhten Konsum vor der Einführung und durch mehr Anteil am Wirtschaftskreislauf nach der Einführung der Steuererhöhung führen.
Doch es ist nicht wirklich zu erwarten, dass eine von ständigen Preiserhöhungen gebeutelte Bevölkerung wirklich in einen Konsumrausch verfallen wird, um noch "Schnäppchen" zu ergattern. Es ist wohl eher stark anzunehmen, dass nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer der Konsum eher eingeschränkt wird.

Auch diese Reform dürfte so naiv sein wie die Annahme, man könne mit teuren Durchhalteparolen in den Medien den Bürgern ein anderes Gefühl geben als:
"Es geht abwärts!"

Den Reformen ist meist eines gemein:
Sie sind nicht geeignet, die komplexe Spirale des Niedergangs in eine andere Richtung zu beeinflussen.
Immer wieder wird von den unteren Schichten der Gesellschaft gefordert, Opfer zu bringen und den Gürtel enger zu schnallen - während anderswo kaum gefördert wird.

Das kann und wird nicht funktionieren.
 
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