Equo ne credite, Teucri!

Laokoon

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Vorbemerkung: Eigentlich wollte ich zum 10. Bildeintrag einen etwas umfangreicheren Beitrag schreiben, aber der letzte Kampf gegen die liebevoll süß-bittere Suppression der Schule nimmt mich gerade doch recht intensiv in Anspruch. Außerdem wurde meine eigene Interpretation des Motiv, was ich eigentlich ansprechen wollte, nicht „rechtzeitig“ fertig. Wird wohl auch noch etwas dauern. Vielleicht schaffe ich es, sowohl Bild als auch Texte dann bis zum 15. oder 20. – sofern der Blog solange überlebt bei der relativen Kurzlebigkeit der Userblogs im Forum; aber wird schon. Durch die In-Beschlagnahme seitens der Schola sind auch die letzten kaum beschriebenden Bilder zu erklären, wobei nicht die Tatsache, dass ich wenig zu ihnen geschrieben habe darauf beruht, sondern dass ich sie zu dieser Zeit gepostet habe. Denn diese Bilder sind meines Erachtens mehr zum Eintauchen und Fallenlassen gedacht, als zu essayistischen Aufsätzen über Intention, Motiv oder diskussionswürdige Sachverhalte.
Naja, dann fange ich mal wieder an.

Viele Grüße,

Laokoon


X. Boris Wladimirski – Rosen für Stalin (1949)



"Der signifikante Bart, die gut bekannte Pose. Stalin! Kommunist! Tyrannischer Oligarch!", höre ich es erschallen in den ehernen Sälen derer, die sich für historisch gerecht aburteilende Kritiker der Weltordnung des 20. Jahrhunderts halten. Aus anderen Lagern wird er, war nicht in dem selben Umfang wie Marx oder Lenin, als Wegbereiter der kommunistischen Idee verehrt. Doch ich will die Leserin/den Leser nicht in der endlosen Debatte einer historischen Bewertung ermüden. Dies steht mir auch nicht zu, da ich als heute lebender Mensch eine zu große zeitliche Distanz habe, um wirklich alle Faktoren (ob politisch, gesellschaftlich oder psychisch) zu berücksichtigen um ein wirklich allumfassendes Profil der Zeitumstände und des Menschen und Staatsmannes Stalin anzufertigen.
Vielmehr würde ich meinen Augenmerk gerne auf die Darstellung dieser Person richten.

Vorab sollte ich vielleicht ein paar Worte an die Strömung des Sozialistischen Realismus verwenden, eine Stilrichtung, die typisch für den kommunistischen Sowjetstaat war und als Verherrlichung der kommunistischen Prinzipien dort eine hegemoniale Stellung in der Kunst einnahm. Eine auch von Wikipedia zitierte Textstelle der verfassten Grundsätze des ersten Allusionskongresses, der sich mit der Aufgabe der Künste in der sozialistischen Gesellschaft befasste, trifft den Kern des S.R. doch recht differenziert:

  • Der sozialistische Realismus als Hauptmethode der sowjetischen künstlerischen Literatur und Literaturkritik, fordert vom Künstler wahrheitsgetreue, historisch konkrete Darstellung der Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung. Wahrheitstreue und historische Konkretheit der künstlerischen Darstellung müssen mit den Aufgaben der ideologischen Umformung und Erziehung der Werktätigen im Geiste des Sozialismus abgestimmt werden.
Die anfängliche Euphorie über die Auslebung und Preisung der politischen Ideologie wich jedoch starren Strukturen und dem Obrigkeitsdruck des Zentralregierung, die jegliche andere Strömungen in Kunst, Literatur und Theater mehr und mehr zu vernichten suchten. Die Künstler, erst beseelt davon den Arbeiter unverfälscht bei seinem harten Tagewerk darzustellen, die großen Leistungen des Proletariats hervorzuheben und leuchtender Ansporn für die Träger der kommunistischen Idee in der Welt zu sein, litten bald unter der auf Dauer recht einseitigen Stilrichtung und wünschten sich die schöpferische Freiheit, die sie schon lautstark unter der zaristischen Zensur gefordert hatten. Doch blieben die meisten Münder geschlossen, der Schrei verhallte in den inneren Hallen der stummen Verzweiflung, voller Angst, dass ein schwaches Echo dieses Schreies doch noch herausdringen könnte, an die scharfen Ohren der Wächter der sozialistischen Einheit.

Wladimirski’s Bild ist geradezu archetypisch für die Verehrungskulte, mit denen die Schöpfer und Former der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bedacht wurden.
Stalin, in blütenreiner weißer Uniform , strenger Staatsmann und doch herzlicher, kinderfreundlicher und dadurch sympathischer Staatsmann, bei dem der Betrachter gar auch den Menschen Stalin zu sehen vermag, so wird zumindest der Eindruck geschaffen. Stolz blickt er in die Ferne, aufrecht, visionär. Vor ihm eine Gruppe von Kindern, die ihm scheu und merklich erregt einen Blumenstrauß überreichen. Ihre großen, erstaunten Augen gleichen Kindern , die zum ersten Mal den Weihnachtsmann sehen, der groß, mächtig und unnahbar, doch gleichzeitig auch gütig, sorgevoll und herzlich wirkt. Einem der Kinder wurde gar die Ehre zuteil, den Arm des unumstrittenen Machthabers des sowjetischen Weltreiches auf seiner Schulter zu spüren. Dadurch wirkt Stalin noch volksnäher, doch fehlt im die liebevolle Gestik eines hocherfreuten Großvaters,. Es scheint, als gäbe es eine Verschmelzung der Gegensätze, Stalin charismatisch und unnahbar auf der einen, und menschlich und gefühlvoll auf der anderen Seite. Diese Projektion ist das eigentliche Kunstwerk Wladimirskis, hier mit vollendender Perfektion geschaffen. Bezeichnend ist auch die positive Grundstimmung des Bildes, die frischen und strahlenden Farben, die mediterran anmutende Szenerie.

So schuf Wladimirski ein beeindruckendes Werk, Abbild und doch nicht Abbild seiner Zeit, eine Aufgehen ideologisch-utopischer Perfektion in naturgetreuer Darstellungsweise.

Der Künstler ist zu bewundern, nicht die Ideologie oder Ausrichtung, da er die makellose Vollendung von Kunst und Doktrin schuf und dieses Bild vom künstlerisch-ausdrückenden Standpunkt selbst erklärte Kritiker der kommunistischen Gesinnung ins Staunen versetzen muss.
 

Ein_Liberaler

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Also, ich muß sagen, daß ich das Bild für kein besonderes Kunstwerk halte.

Nicht daß ich den sozialistischen Realismus nicht an sich ziemlich schätzen würde, aber für mich stellt es nichts dar. Es hat keine Aussage außer der allerbanalsten. Sollte ein Bild nicht, wenn es nicht ein reines Porträt ist, eine Idee oder ein Ereignis darstellen? "Rosen für Stalin" ist, jedenfalls für mich, purer Kitsch.

Außerdem halte ich die Komposition für schlecht. Der Diktator steht als sein eigene Statue da, ohne jeden Bezug zu den Kindern, schaut in die Ferne und achtet ihrer nicht. Auch zu dem Jungen, dem er den Arm um die Schulter legt, baut er keine Beziehung auf. Die Geste wirkt für mich rein besitzergreifend.

Wenn es seine Absicht war, Stalin als Freund der Kinder, als Menschen, herzlich und sympathisch darzustellen, dann ist der Maler zumindest bei mir gescheitert. Auf mich wirkt er, als sollte man ihm die Blumen besser zu Füßen legen als sie ihm zu reichen - er wird so wenig entgegennehmen wie ein bronzenes Standbild.
 

Laokoon

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~ III. Fragestellung

Warum strebt der Mensch nach immer mehr und mehr Information?

[Vorab: Das Essay war zuerst nicht für meinen Block gedacht, eventuell wird mancher/m Leser/in das auch auffallen. Ist relativ kurz für die Textart und kratzt alles eigentlich nur an, aber ich dachte mir ich könnte ja mal...]

Der Mensch hat das stete Bedürfnis den Informationsfluss aufrecht zu erhalten, um das Ungleichgewicht des Informationsgefälles zu kompensieren. Informationen aus der nächsten Umwelt sind existenziell für ihn, das er sich immer wieder neu nach ihnen ausrichten muss. So haben z.B. Stellen- und Todesanzeigen, sowie persönliche Briefe aus dem nahen Umfeld direkte Folgen auf ihn. Zudem haben Menschen einer global zusammenwachsenden Gesellschaft das Begehren so viele Informationen aufzunehmen wie nur möglich, da heute viele Geschehnisse weltweite Auswirkungen haben, wie u.a. der steigende Ölpreis aufgrund gesprengter Ölpipelines in Nigeria oder ein virusbedingtes Ausfuhrverbot von Geflügel aus dem asiatischen Raum. Der Mensch lässt sich zusätzlich sehr stark von Massenmedien anleiten. Pubertierende vergleichen ihre Situation mit den Protagonisten von Fernsehserien , ziehen daraus eventuell Rückschlüsse auf ihr eigenes Leben oder erkennen sich in ihnen wieder, andere Personen werden von Reportagen, Diskussionsrunden oder Live-Berichten in irgendeiner Form beeinflusst. Aktuell anstehende Entscheidungen können auch durch direkte Nachfragen in Beratungssendungen oder Internetforen beeinflusst werden, ohne dass jedoch ein rechtlicher Anspruch auf eine allgemeine Gültigkeit der gewonnenen Informationen besteht, im Gegenteil. So kann zum Beispiel Radio-Seelsorger Domian zwar Tipps und Lösungsansätze für Probleme geben, betont jedoch seine ausschließlich beratende Funktion.
Wissen ist Macht, Informationen wertvoll. Die Rezipienten wissen das ebenso wie die Kommunikatoren. Wer mehr weiß ist durch sein Wissen anderen Individuen überlegen und hat Lösungsansätze für Probleme, Insiderwissen oder andere evtl. lebenswichtige Vorteile gegenüber anderen. In einer hochtechnisierten Bildungs- und Informationsgesellschaft ist Wissen der Schlüssel zu Einfluss, Reichtum und Ansehen. Nicht umsonst unterhalten sowohl weltweit agierende Konzerne als auch souveräne Staaten eine Reihe von Institutionen, um an Informationen zu gelangen oder sie zurückzuhalten in Form von Nachrichtendiensten und Medienagenturen. Nachrichtendienste legen laut inoffizieller Aussagen die Grundlagen für unser sicheres Leben. Stand noch vor wenigen Jahrzehnten die gesamte Welt unter dem Einfluss einer Ost-West-Polarisierung, so ist es nun das oberste Ziel, den „Internationalen Terrorismus“ zu bekämpfen und auszumerzen. Ob dies immer im Rahmen der Legalität und einer wirklichen Berechtigung für Einflussnahme an globalpolitischen Ereignissen abläuft, sei an dieser Stelle dahingestellt. Die globale Sicherheitspolitik hat sich in vielen Bereichen verselbstständigt.
Nicht zuletzt ist es auch das Streben nach Neugier, was den Menschen antreibt. Ob er will oder nicht, er ist diesem natürlichen Trieb unterworfen. Kleine Kinder saugen Informationen aller Arten auf wie einen Schwamm und es ist manchmal verwunderlich, welche Filter hierbei zum Greifen kommen und wie diese Informationen verarbeitet, interpretiert und wiedergegeben werden. Solange unsere Sinne aktiv sind – also bestenfalls unser gesamtes Leben lang – nehmen wir Informationen auf, die auf uns einwirken. Wir frösteln in der morgendlichen Kälte, blinzeln den ersten warmen Strahlen der Sonne entgegen , hören das leidenschaftliche Zwitschern der Vögel. Je nach körperlichem und geistigem Reifegrad und kultureller Herkunft nehmen wir unser Umfeld selektiv wahr. Wir wollen unser Wissen erweitern, mehr entdecken als unser Horizont uns zu zeigen vermag. Wissen bedeutet Sicherheit. Da direkter Kontakt die authentischste Variante ist an Informationen zu gelangen und uns gleichzeitig ein Gefühl sozialer Integrität gibt, dürfte dies der häufigste Weg eines Individuums sein, Informationen über sich und seine Umwelt zu sammeln. Doch zunehmend befriedigt man seine Neugier über unpersönliche, technische Medien. Die Informationsgesellschaft der Gegenwart und Zukunft wird zunehmend anonymer – wohl zum Leitwesen ihrer Mitglieder.
 

Laokoon

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XI. Albrecht Dürer – Ritter, Tod und Teufel (1513) [Dürer: 1. Teil]


Heute drehe ich das Rad der Zeit wieder einmal um einige Jahrhunderte zurück; zu einem Augenblick des Wandels, der Erneuerung – aber auch eine Zeit der großen Krisen und Erschütterungen. Der Abendstern des europäischen Mittelalters versank schon fast hinter den Hügeln der Historie, während die Sonne der Neuzeit jedoch zuerst nur durch ihr zögerliches Zwielicht zu erkennen war, welches diffus dem Himmel der Weltbühne die dunklen Farben der Nacht nahm.

Die Wiedergeburt der Antike, die Renaissance, war im Begriff, das gesamte gesellschaftliche Gefüge und damit die seit Jahrhunderten gefestigten und erstarrten Strukturen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaften und Künsten nachhaltig zu verändern.
Es fand eine Rückbesinnung auf die Errungenschaften der Antike statt, die Wiederentdeckung der griechischen und römischen Philosophie, Literatur und Künste entfachte eine neue Flamme des Wissensdurstes und des Humanismus nach Jahrhunderten der Brutalität und des religiösen Reaktionismus. Eine wiedererscheinende Gattung Mensch, von der man fast ausgegangen war, dass sie die Düsternis der nachrömischen Epochen nicht überlebt hatte, entstieg den Grotten ihres verborgenen Daseins: Das Universalgenie.

Obwohl unter anderem mit Albertus Magnus oder Nikolaus von Kues auch im Mittelalter große Männer und Philosophen weiter am Tempel des Wissen bauten, so wurden doch durch Fanatismus und Unverständnis mehr Steine von seinen Mauern abgetragen als aufgesetzt.
Doch mit dem Eintreten in die Renaissance begann eine neue Ära, in der Wissen durchaus wieder mehr wert war, als die Muskelkraft des Schwertarmes; mit ehrgeizigen Forschern wie Leonardo da Vinci und Paracelsus manifestierte sich solch ein Durst nach Erkenntnis und Ästhetik, dass sie noch Jahrhunderte später Vorbild für Generationen von Wissbegierigen wurden.

Nicht länger stand in erster Linie das Ewige Leben oder die Angst vor ewigen Höllenqualen im Mittelpunkt aller menschlichen Bestrebungen, sondern der Mensch selbst. Mit diesem revolutionären Schritt eröffnete sich Europa das Tor zur Aufklärung, auch wenn es noch langer dauern sollte, bis sich die Ansichten der neuen Lebensphilosophie auf breiter Basis durchsetzte. Doch durch die Errungenschaften findiger Menschen, zum Beispiel Johannes Gutenbergs Buchdrucktechnik um 1450, wurden erste Grundsteine für eine weitläufige Verbreitung von Wissen gelegt.

Einen weiteren Katalysator für die europäische Entwicklung sollte die Erkundung der noch unbekannten Welt darstellen: Innerhalb kürzester Zeit wurde Europa bewusst, wie weit und offen die Welt noch war, welch große und einmalige Wunder noch drauf warteten entdeckt zu werden. Könige und Kaiser wetteiferten um das Prestige und die Reichtümer, die sie durch die Annektierung dieser weißen Flecken auf der Landkarte zu bekommen gedachten. Jedoch darf hierbei nicht vergessen werden, dass dies für den Rest der Welt der Beginn einer langen und grausamen Knechtschaft darstellte, deren Auswirkungen sich noch heute in der politischen und ökonomischen Instabilität der inzwischen souveränen Ex-Kolonialstaaten widerspiegeln.

Der Genuese Christoph Kolumbus entdeckte 1492 [Hier stand mal 1942, man glaubt es kaum !] für die spanische Krone Amerika, getrieben von seinem Ruhmeshunger und alten portugiesischen und skandinavischen Erzählungen von einem Land im Westen, auch wenn Spaniens Königin Isabella ihn entsandte, um einen neuen Weg zu den Waren Indiens zu suchen, da der alte mit dem Vordringen der Osmanen noch Europa blockiert worden war. Bartolomeu Diaz hatte fünf Jahre zuvor das Kap von Afrika umrundet, und seiner Route folgend gelang es 1498 schließlich Vasco da Gama, mit dem Schiff bis zum wirklichen Indien vorzudringen. Überall begannen die Seemächte des Okzidents nun, Handelsstützpunkte und Versorgungshäfen zu errichten

Doch gerade diese neuen Möglichkeiten, welche sich Europa eröffneten, schufen nicht nur einen unstillbaren Pioniergeist, sondern auch eine tiefe Verunsicherung in den großen Massen der Bevölkerung und wahrscheinlich auch einen tiefen Zwiespalt in jedem Individuum. An den alten Strukturen festhalten oder hinaus in die Mysterien der großen weiten Welt, weiter in der sicheren Enge der Ständegesellschaft leben oder das Risiko wagen beim Versuch die Grenzen des neuen Universums zu erreichen?

Eine Reihe von Ereignissen lösten zusammen mit dem Jahrhundertwechsel geradezu Wellen der Panik aus, die Schreie nach dem Ende der Tage und die Forderungen nach Läuterung von der neuen Gottlosigkeit schallten laut in die anbrechende Morgendämmerung hinaus.

Europa wurde wie schon oft im Mittelalter von Seuchen heimgesucht, Syphilis (1493) und die Pest (um 1501) dezimierten im Zusammenspiel mit etlichen Missernten und Hungernöten die Bevölkerung, während die gesellschaftlichen Eliten im Krieg miteinander keine Skrupel besaßen, weite Landstriche in verbrannte Erde zu verwandeln.

Krieg, ja Krieg zu führen, dessen war man auch nach knapp tausend Jahren mittelalterlicher Staatenbildung nicht müde geworden. Nachdem die anfänglichen Gefahren der jungen christlichen Nationen, nomadisierende Reiterhorden (z.B. die Ungarn im 9.Jh.) und einfallender skandinavischer Wikinger verebbten, man sich auch von den Eroberungsgedanken der Heiligen Stätten Outremers abwandte und auch der europäische Osten inzwischen christianisiert worden war (vornehmlich durch den Deutschen Orden St. Marien), hatte man Zeit, sich wieder ganz auf seine nächsten Nachbarn zu konzentrieren.

Nachdem 1453 der seit 1337 tosende Hundertjährige Krieg endete, blieb den kampferprobten Kämpen keine Zeit, die Beulen und Scharten in ihren Rüstungen auszubessern, neue Konflikte brachen sowohl im Herzen als auch den Flanken der Christenheit aus. Byzanz, nur noch ein matter Abklatsch seines einstigen Glanzes, hielt dem Ansturm der osmanischen Heere nicht mehr stand; durch ein unbeabsichtigt nicht abgeschlossenes Ausfalltor strömten die Soldaten Mehmets II. wie sich ausbreitende Viren in das mehr als tausend Jahre bestehende Reich und tilgten es von der Weltbühne. Im restlichen Europa löste die Vernichtung der letzten dem europäischen Kernland vorgeschobenen christlichen Bastion ein Trauma sondergleichen aus – die Niederlage gegen so bezeichneten dämonischen Armeen des Antichristen schien kaum aufhaltbar, die Völker Osteuropas waren uneins und zu klein, um den Türken längere Zeit Widerstand zu leisten - ein Jahr nach Dürers Tod (ja, ein loser Zusammenhang des Textes mit dem Bild wird noch geknüpft, keine Sorge) sollten sie zum ersten Male Wien belagern.

Apokalyptisches Gedankengut wurde durch weitere Umstände noch bestärkt: Die großen Reformationsbewegungen aus den Kritiken Zwinglis, Calvins, Luthers und Jan Hus’ an der katholischen Kirche begannen, die Christenheit zu entzweien. Daraus resultierte auch ein neues Phänomen, dass die Grundfeste der abendländischen Gesellschaft erschütterte: Das einfache Volk, unterste Stufe der Feudalgesellschaft, interpretierte die reformatorischen Gedanken als Chance, sich ihrer Grundherren zu entledigen, verstand die theologischen Verbesserungsgedanken als eine Neustrukturierung der Gesellschaft, auch wenn Luther zum Beispiel genau das nicht bezwecken wollte. Eine Folge waren erste Bauernaufstände, vor allem im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, und die Hussitenkriege in Böhmen (damals auch als Königreich Teil des HHR).
Die Kriegsführung hatte sich wie schon in I. (Alfred Kubin – Der Krieg) erläutert, grundlegend gewandelt. Die ritterlichen Heere wichen gutausgerüsteten Söldnerarmeen, die Tage der klassischen Ritter als elitäre Krieger waren schon lange vorbei. Kanonen und schwere Feldartillerie zerstörten mit ihrem Bombardement die Schlachtlinien und verwandelten den Kampfschauplatz in ein Feld voller Chaos, Tod und Angst. Kein ehrenhaftes Mann gegen Mann, keine moralischen Codeci zügelten noch länger die Hunde des Krieges, toll mittels des spritzenden Blutes jagten sie über Soldaten und Zivilisten hinweg die unsterblichen Seelen ins Verderben. Für Ritterlichkeit gab es keinen Platz mehr.

Kriegsführung wurde zudem variabler. Abgesehen von Kanonen und den aufkommenden Landsknechtheeren entwickelten zum Beispiel die Hussiten die höchst wirksame Form des Wagenburgkampfes; kreisförmig angeordnete hochbordige Wagen, von denen aus man mit langen Piken und Hellebarden auf die unter sich befindliche Masse stach und hinter der sich Schützen verschanzen konnten.


Unter diesen historischen Rahmenbedingungen fertigte der 1471 in Nürnberg geborene Albrecht Dürer 1513 den Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel“ an. Wenige Jahre zuvor hatte er erste Kontakte zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Maximilian I., geknüpft. Dieser galt als Humanist, Förderer der Wissenschaften und Künste, und relativ weltoffener Regent. Er verkörperte für viele Menschen seiner Zeit und seiner Nachwelt das Bild des „Letzten Ritters“, der das Rittertum an seinem Hofe in den ehrenhaftesten Idealen noch einmal aufleben ließ. So fanden unter anderem sehr viele Turniere unter seiner Regentschaft statt, an denen er selbst teilnahm und sehr erfolgreich gewesen sein soll (allerdings war auch für viele Teilnehmer sicherlich die Machtstellung Maximilians zu groß, als dass sie ihn aus dem Sattel heben würden). Doch der Kaiser, Oberhaupt des ehemals mächtigsten Staates in ganz Europa, galt als das Sinnbild des ehrenhaften und edlen Ritters in einer Zeit der Verwüstung und des Verrats.

Auch der Ritter des Kupferstichs scheint trotz seiner Umgebung allen Widrigkeiten zu trotzen: Mit dem Tod als ewigem Begleiter, verbildlicht durch den schlangenhaarigen Greisen-König mit dem Stundenglas als Mahnung der verrinnenden Lebenszeit, dem er schon in zahlreichen Gefechten gegenüberstand und doch entrinnen konnte, sitzt der wohlgeharnischte Ritter fest und aufrecht im Sattel, die Lanze in der einen, die Zügel in der anderen Hand, mit geöffnetem Visier. Sein treuer Hund ist sein ständiger Begleiter. Der Teufel, ein aus vielen Tieren zusammengesetztes Ungetüm, verfolgt ihn auf Schritt und Tritt durch die öde Landschaft, auf Fehler wartend, um ihn gierig zu zerreißen.

Vielleicht wurde auch Dürer von dem Geiste Maximilians beseelt, vielleicht setzt er ihm mit diesem Stich sogar selbst ein Denkmal. Sicher ist nur, dass in einer Zeit, in der die Tugend und Moral oft vermisst wurde, man sich gerne auf die Ideale alter Äras besann – eine Erscheinung, die man immer wieder betrachten kann. An dieser Stelle verzichte ich ausnahmsweise auf ein Postulieren jedweder Tugenden – und übe mich in Stille. Jeder kann jetzt darüber für sich im Stillen nachdenken, welche Ideale er vertritt oder vertreten will. Und damit schließe ich für heute.


Das Bild kann in Voller Größe bei Wikipedia heruntergeladen werden, eine Betrachtung des Bildes in Nachsicht ist sehr empfehlenswert. So, nun werde ich mich ersteinmal in die Vorbereitungen für meine letzte große Klausur vor den Ferien stürzen und danach Italien bereisen. Schöne Tage wünsche ich!
 

Laokoon

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Heute melde ich mich aus dem Urlaub zurück. Die Toskana ist kulturell gesehen eine wahre Goldgrube...Kaum irgendwo sonst habe ich bisher derartige Perfektion und Mannigfaltigkeit in Malerei, Bildhauerei und Architektur gesehen, doch auch noch nirgends so viel Prunk und Protz. Die Fassaden der Dome Pisas, Florenz’ und Sienas sind geradezu überfüllt mit Figuren und Formen, was mein Gemüt eher nicht anspricht. Viel Zeit habe ich aber auch damit verbracht, mir die kulinarischen Köstlichkeiten näher zu führen - das Eis ist zum Beispiel köstlich! ;-)
Bevor ich mich dann wohl bald dem angekündigten größeren Beitrag widmen werde, möchte ich jedoch den zweiten und vorerst letzten Beitrag zu Albrecht Dürer posten, der nun folgt.


XII. Albrecht Dürer – Die vier Reiter der Apokalypse (1498) [Dürer: 2. Teil]



Die im ersten Teil schon angesprochenen apokalyptischen Vorstellungen der späten Gotik, also Dürers Zeit, wurde durch viele schöpferische Ausarbeitungen zum Ausdruck gebracht. Während sich vor allem in Italien zwar schon die Renaissance durchzusetzen begann, blieben die Künstler des Europas nördlich der Alpen größtenteils dem Krisenbewusstsein verhaftet. So entstand auch Dürers Serie zur Offenbarung des Johannes, obiges Bild ist einer von 16 Holzschnitten zum Thema.

Dargestellt werden die vier Reiter der Apokalypse, wie sie in der dazugehörigen Bibelstelle beschrieben werden. Anstatt noch einmal näher auf den zeitlichen Bezug dieses Schnittes einzugehen, wollte ich eigentlich nur kurz und grob die beiden Druckarten des Holzschnittes (siehe Abbildung XII.) und des Kupferstiches in Europa erklären (siehe Stich unter XI.).


Der Kupferstich ist die älteste Form des Tiefdruckes und stammt aus der Region Süddeutschland um 1400. Sie wurde zuerst vor allem zur Produktion von Spielkarten und Flugblättern verwendet.

Um einen Stich zu erstellen nimmt man eine polierte Kupferplatte und beginnt mit Sticheln oder Nadeln Rinnen in die Platte zu treiben und das Motiv so auszuarbeiten. Anschließend wischt man die Druckfarbe über die Fläche und verteilt so die Farbe in den Furchen, während man sie von den übrigen unbearbeiteten und damit höher liegenden Flächen wieder entfernt und diese sauber wischt. Anschließend kann der Druck durch Abreiben oder mit einer Druckerpresse erfolgen.
Da die Motivplatte sich bei regelmäßigerem Druck langsam abnutzt, lassen sich mit einem Motiv ca. 1000 sehr gute bis gute Drucke anfertigen, bevor die Qualität merklich abnimmt. Dies mag relativ wenig erscheinen, jedoch muss man sich vor Augen führen, dass der Kupferstich die erste Massenproduktion von künstlerischen Werken darstellte und ein Künstler seine Werke damit in ganz Europa verbreiten konnte. Dürer wurde durch seine Holzschnitte und Kupferstiche sehr bekannt und sah diese Techniken als Mittel an, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

Holzschnitte wie das oben gezeigte Bild kamen schon ungefähr ein halbes Jahrhundert früher auf, man nutzte sie vor allem zur Illustration von Büchern und ebenfalls zur Herstellung von Flugschriften. Ähnlich wie beim Kupferstich nimmt man eine zu glatte, leicht mit Kreide überzogene Platte (aus Nuss- oder Birnbaumholz), doch ritzt man das Negativ des Motivs hinein, so dass die übrigbleibenden Holzstege anschließend mit Farbe bestrichen und abgedruckt werden können. Druckte man zuerst oft in mehreren Farben, beschränkte man sich später zumeist auf Schwarz. Man kann diese Technik eigentlich ganz gut mit dem Linoldruck vergleichen, da beide als Hochdruckverfahren zu bezeichnen sind.

Sehr viele Beispiele für beide Techniken lassen sich in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges finden, in der Nachrichten, Siege und Gräuel des Krieges so schnell und mit großer Auflage verbreitet werden konnten bzw. man viele Stiche von Schlachten schaffen ließ, von denen es zur dieser Zeit ja leider mehr als genug gab.
 

Laokoon

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Heute mal nichts von mir, abgesehen von einem kleinen Appell, der mir sehr am Herzen liegt:

Das Ask1-Multiversum
http://www.ask1.org/modules.php?name=Forums&file=viewtopic&t=17531

Wäre schön, wenn vielleicht ein paar Leute ihre Fantasie spielen lassen, ich finde es ist eine sehr gute Idee, die sicherlich sowohl für Erheiterung als auch für Nachdenken sorgen kann. Leider sind noch zu wenig Texte da, als dass das Projekt an den Start gehen könnte. Deshalb meine Bitte: Schreibt! Wer nicht will, dass sein Name unter einem Text erscheint, kann ihn auch anonym veröffentlichen.

Mensch Leute...ich weiß doch, dass ihr vor Fantasie nur so strotzt! Ihr gerne mal überzogene, ironische, sarkastische oder gar zynische Kommentare schreibt....Verpackt euren Humor, eure Sozialkritik oder euren Irsinn doch einfach in einer kleinen Geschichte :wink:
 

Laokoon

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XIII. Jean Delville – Tristan und Isolde (1887)



Dazu noch ein Gedicht von Georg Heym.

Letzte Wache

Wie dunkel sind deine Schläfen
Und deine Hände so schwer,
Bist du schon weit von dannen
Und hörst mich nicht mehr?

Unter dem flackernden Lichte
Bist du so traurig und alt,
Und deine Lippen sind grausam
In ewiger Starre gekrallt.

Morgen schon ist hier das Schweigen,
Und vielleicht in der Luft
Noch das Rascheln der Kränze
Und ein verwesender Duft.

Aber die Nächte werden
Leerer nun, Jahr um Jahr,
Hier, wo dein Haupt lag und leise
Immer dein Atem war.
 

Laokoon

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XIV. Jean Delville – Von der Dunkelheit ins Licht (1929)



Ich will dieses Bild einmal anders benennen: Zwischen Licht und Dunkelheit. Dies würde die Stellung des Menschen in seinen selbstgegebenen Werten treffend bezeichnen. Jedes Individuum, jede Gesellschaft, ficht ihren eigenen Kampf aus - den Kampf um und gegen die eigenen Werte.

Viele Philosophen behaupten, dass ein ausgeprägtes Denken und Einteilen in gut und böse, beziehungsweise gut und schlecht erst durch Religionen wie das Christentum die menschliche Kultur dominant prägten. Doch letztendlich hat der Mensch schon immer die Handlungen anderer bewertet und somit für richtig oder falsch befunden.

Aus Bewertungen wurden Normen. Normen, die das gemeinsame Zusammenleben regeln und vereinfachen. Somit hat der Mensch, wenn man die Religion einmal außer acht lässt, zwei Instanzen vor denen er sich zu verantworten hat: Sein eigenes Gewissen und den Wertekanon der Gesellschaft, in der er lebt.

Europa und Amerika haben sich für den Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit entschieden, für Humanität, Nächstenliebe. Doch Mord, Lug und Intrige, Egoismus und Selbstsucht sind natürlich nicht verschwunden. Es wäre auch illusorisch, an die vollständige Durchsetzung dieser Ideale auch nur zu denken. Und sicherlich nicht wünschenswert.

Der Zwiespalt. Böses zu tun. Gutes zu unterlassen. Sein eigener Herr zu sein. Unabhängig. Frei. Ohne Rücksicht auf andere. Wozu auch? Cape Commodum – Nutze den Vorteil. Und überhaupt. „Sei der Beste“. „Du musst etwas aus Dir machen, um beruflich erfolgreich zu sein, etwas aus dir machen“. „Hebe Dich von der Masse ab.“ “Sei besser als die Masse.“ Warum Rücksicht nehmen, die anderen tun es doch auch nicht. Warum buckeln, wenn man treten kann. Das Streben, Macht zu haben. Macht über Dinge. Macht über andere. Mehr Macht, mehr Genugtuung.

Und wo bleibt der Respekt? Toleranz? Verständnis? Mitgefühl? Andere erwarten nicht, Hilfe zu bekommen, und jenen dann doch Hilfe zu geben. Zuversicht zu geben. Anderen ein Vorbild sein. Sich selbst ein Vorbild sein. Sich selbst Prinzipien, Ziele zu geben. Getreu den Werten der Gemeinschaft zu leben. Seinen eigenen Werten zu leben. Natürlich heißt das auch immer Beschneidung der eigenen Macht. Zugunsten anderer. Zugunsten der Gemeinschaft.

Was ist besser? Was ist schlechter?

Was ist richtig? Was ist falsch?

Lebe ich für mich, oder für andere?

Kann ich für andere leben, ohne mich selbst aufzugeben?

Kann ich mein Leben leben, ohne andere zu stark einzuschränken?

Es gibt keine Lösung für diese Frage, denn wir werden immer jemandem auf die Füße treten, genauso wie uns immer auf die Füße getreten werden wird.

Es gibt auch keinen Mittelweg. Für die Gemeinsacht wäre es besser, wir lebten nach ihren Maßstäben und gingen in ihnen auf.

Für uns wäre es eventuell besser, nur nach unseren Bedürfnissen zu leben.

Action und Reaktion. Alles ergibt ein Ganzes.

Kein gut, kein böse. Alles nur eine Frage des Standpunktes?

Ich finde den roten Faden heute mal wieder nicht. Eigentlich wollte ich über etwas anderes schreiben. Zu einem anderen Punkt gelangen. Vielleicht ein andermal - oder auch nicht.

Ich wünsche eine Gute Nacht.
 

Laokoon

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XV. Theodor Kittelsen – Valemon, König der weißen Bären (18??/19??)



Undurchsichtige Nebel waren von den schroffen Bergkronen herabgesunken und hatten ihre Schleier über die Wälder gelegt.
Mächtig, erhaben bewegte sich eine riesiger Schatten durch den dunklen Wald. Der Herr aller Bären, König Valemon.

Sein weißes Fell strahlte, ließ ihn mehr als Geisterwesen der nächsten Welt erscheinen, denn als lebendiges Wesen. Ob seiner Masse schritt er würdevoll voran, erhebt eine Tatze nach der anderen. Seine Pranken, geräuschlos im dunklen samtweichen Moos versinkend, ließen die ungebändigte Kraft erahnen, welche in ihm ruhte. Auf seinem Rücken, wohlgebettet, eine junge Schönheit, elfengleich, jedoch auch zerbrechlich zart.

Ein ungleiches, ja fast gegensätzliches Paar.

Wer solch einen Beschützer sein eignen nennen kann, hat keine Gefahr zu fürchten. Die ausgezehrten Wölfe der harten, schneereichen Gebirgswinter Skandinaviens mochten lauern, doch wer wagte es schon, solch einen König anzugreifen? Seine Prankenhiebe, seine zügellose Wut würde ihre Körper durch die Luft schleudern wie der Wind die Flocken des Schnees.

Die Hingabe zu dem Mädchen, seine Liebe erwärmten sein Herz, ließen ihn die grausamen Kriege vergessen, die eingebrannten Schatten der Grausamkeit, voll Schrecken, voll Tod. Ihr sanftes Lächeln, ihre schüchterne und zugleich fröhliche, manchmal kecke Erscheinung ließen die lang vergangenen Jahre seiner Jugend wieder in sehnsüchtige Erinnerung treten, ja, in ihrer Anwesenheit fühlte er sie manches Mal wieder in sich zurückströmen.

So merkte er nicht, wie die Jäger ihn langsam einkreisten, die Lunten ihrer Flinten prüften, abarteten, bis er die Lichtung erreichen würde, an der sie zuschlagen wollten.

Als er plötzlich durch die sich kreuzenden Zweige zweier Tannen das ledrige, konzentrierte Gesicht eines bärtigen Mannes blickte, die Gefahr nicht realisierend, war es zu spät. Die Zeit schien für einen Moment still zu stehen; nichts bewegte sich; weder der Bär, noch seine Umgebung. Nur der Schnee fiel mit beständiger Ruhe aus der weißen Unendlichkeit des Himmels gen Erde. Ein Moment völligen Friedens.

Dann durchdrang Blei seinen Körper. Wie eisige Splitter bahnte es sich von allen Seiten seinen Weg durch dichtes Fell, drang gierig und kalt bis zu seinem Fleisch, biss sich bis in die Zentren seiner Lebendigkeit. Der Knall der Flinten schien erst mit langem Abstand zu erschallen, drang kaum mehr in seine Ohren. Die Kraft seiner Pranken war geschwunden, konnte ihn nicht mehr aufrecht halten. Er sank zu Boden. Das ätherische Strahlen seines Felles war einem schmutzigen Rot gewichen, welches in pulsierenden Bächen gen Erde strömte, bis sie versiegten.

Mit einem glücklichen Lächeln in seinem Herzen wich er aus seinem geschundenen Leib, machte sich auf den Weg über den Großen Pass, seinen Vorvätern entgegen. Bis zu letzt war er in Gedanken bei ihr, trug ihr Bild mit sich in die Ewigen Wälder des Nordens, welche nur selten für uns Sterbliche als wunderlich schimmernde Aurora in der ferne des Nachthimmels erscheinen.

Die Leserschaft mag selbst entscheiden, welches Schicksal dem Mädchen widerfuhr, welche Rolle sie in dieser Geschichte gespielt haben mochte.

~oOo~

Nachgetragen sei, dass diese Geschichte von mir stammt und keinen bewussten Bezug zu dem Märchen von Peter Christen Asbjornsen hat, welches übersetzt ungefähr „Valemon, der König der weißen Bären“ heißen müsste. Auf der Suche nach einem Eisbären fand ich durch Zufall plötzlich diese von Kittelsen gemalte Buchillustration im Internet, welche in meinem Kopf seine eigene Geschichte erzählte, wie es so schön heißt.

Größere Version des Bildes, jedoch in weniger kräftigen Farben.

Ich verabschiede mich und wünsche einen ruhigen Schlaf,

Laokoon

[edit: Leichte Veränderung, muss wohl gestern einäugig geschrieben haben^^]
 

Laokoon

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XVI. Karikatur, J. William Mallord Turner darstellend (zeitgenössisch)



Heute geht es mal etwas lustiger zu.

Naja nicht jeder wird den Humor teilen, zumindest jene, die J.W.M. Turner ein wenig kennen. Er liebte das mediterrane Licht, weshalb ab einem bestimmten Zeitpunkt Gelb- und Orangetöne seine Aquarelle dominierten, um diesen südländischen Flair auch in seine Bilder zu übertragen. War damals wie heute halt nicht jedermanns Sache^^

Davon losgelöst ein humoristisches Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing aus dem Jahre 1747.

Die Türken

Die Türken haben schöne Töchter,
Und diese scharfe Keuschheitswächter;
Wer will kann mehr als Eine freyn:
Ich möchte schon ein Türke seyn.

Wie wollt' ich mich der Lieb' ergeben!
Wie wollt' ich liebend ruhig leben,
Und — — Doch sie trinken keinen Wein;
Nein, nein, ich mag kein Türke seyn.

[edit: Dass dieses Gedicht weder mit diskriminierender noch sonst wie boshafter oder verletzender Absicht gepostet wurde, könnt ihr euch hoffentlich denken. Einfach mal alles lockerer betrachten]
 

Laokoon

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XVI. Perseus und Medusa

Die Zerrissenheit des menschlichen Wesens und die weite Vielfalt der Interpretation.


Eine Betrachtung des mythischen Motivs von verschiedenen Standpunkten




In den folgenden Beiträgen widme ich mich einem Motiv, über dass ich viel nachgedacht habe und mit der Zeit von mehr als einer Seite zu betrachten lernte. Entgegen meinen sonstigen Bildbeiträgen verändere ich die Struktur dieses Mal leicht: Die Werke der Künstler, die ich zeigen werde, begleiten den Text in ungezwungener Weise, nicht andersherum wie bisher bei mir üblich. Auch werden des öfteren wohl mehrere Werke pro Beitrag erscheinen. Innerhalb dieser kleinen Serie, die ich heute beginne, werde ich auch eine Eigeninterpretation der griechischen Mythe präsentieren. Eigentlich stellt diese Serie die Zerlegung des angekündigten größeren Postings dar, da so eine gewisse Übersicht und Struktur erhalten bleibt

Als erstes möchte ich euch die Sage selbst erzählen. Ohne diesen Hintergrund sind viele Interpretationsmöglichkeiten nur schwer zu erschließen, viel Beweggründe Perseus' unbegreiflich. Es existieren mehrere Versionen, ich habe mich weitestgehend an Gustav Schwabs Fassung gehalten und die anderen nur zur Ergänzung herangezogen. Die Geschichte ist von mir selbst hier nocheinmal nacherzählt, damit es keine Probleme wegen Quellenangabe oder Urheberrecht gibt.

Teil I: Der mythologische Hintergrund

Der Herrscher von Argos setzte seine Tochter Danae und ihr neugeborenes Kind Perseus auf dem Meer aus, da ihm geweissagt worden war, dass dieser ihn vom Thron stoßen und töten würde. Zeus jedoch, welcher der eigentliche Vater des Jungen war, lenkte die Ausgesetzten mit den Geschicken der Wellen der Insel Seriphos zu. Polydektes und Diktys regierten dort, ersterer heiratete Danae schließlich.

Schließlich war Perseus zu einem stattlichen jungen Mann herangereift und wollte seinen Mut und seine Kraft unter Probe stellen. So zog er denn aus, um die Medusa zu töten, eine der drei Gorgonen, als Einzige von ihnen sterblich. Polydektes bat ihn, das Haupt der Gorgo als Beweis für seine Heldentat mitzubringen.

Die Gorgonen, Stheno, Euryale und Medusa, waren Töchter des Phorkys, einem Meeresgott und der Keto, einem grässlichen Seeungeheuer. Hässlich uns verunstaltet waren sie, ihre Haut glich dem Schuppenpanzer großer Schlangen, ihre Haare waren ein Geflecht sich beißender und schlängelnder Vipern und Nattern, ihr Gesicht durch zwei herauswachsende Hauer verunstaltet, ihre Hände aus Metall. Sie alle hatten ein großen Flügelpaar mit dem sie Fliegen konnten.

Medusa war eigentlich von Geburt an schön anzusehen, doch Athene verfluchte sie, nachdem sie die Schöne im Tempel der Athene mit Poseidon Liebesspiele trieb. Voller Zorn verwandelte Athene sie in eben solch ein schreckliches Ungeheuer.

Von Athene mit einem spiegelnden Schild ausgerüstet sucht Perseus die Graien auf, drei alte Schwestern, die zusammen nur ein Auge und einen zahn besitzen. Mit durchtriebener Listigkeit gelingt es ihm, sowohl Auge als auch Zahn in seine Gewalt zu bekommen und erpresst die Drei, ihm den Aufenthaltsort der drei Gorgonen zu nennen, da er ihnen die beiden lebenswichtigen Organe ansonsten nicht wiedergeben würde.
Von Nymphen bekommt er einen Helm der unsichtbar macht, Flügelschuhe welche das Fliegen ermöglichen und einen Tragebeutel geschenkt. Auch der Götterbote Hermes unterstützt ihn, er schenkt ihm eine eiserne Sichel.



Im Land der Gorgonen angekommen, bediente er sich seines spiegelnden Schildes, um den Wesen nicht direkt in ihre Gesichter zu schauen, da jeder Sterbliche bei deren Anblick sofort zu Stein erstarren würde. Er fand die Drei und schlug der Medusa den Kopf ab; alle drei Ungeheuer schliefen tief und fest.



Den Kopf verstaute er sicher in dem Sack der Nymphen, doch noch währenddessen sprangen aus dem Leib der Getöteten das geflügelte Pferd Pegasus und Chrysaor, ein mächtiger Krieger hervor. Die erwachenden Schwestern konnten den Mörder nicht fassen, da er sich mit Hilfe des Nymphenhelm ihren Blicken entzog und davonflog.
Als Perseus in das Reich des Atlas kam, verwehrte dieser, reich an Gütern, ihm die Gastfreundschaft; voll ungezügeltem Zorn hielt er ihm das Haupt der Medusa entgegen, woraufhin Atlas zu Stein erstarrte; es bildete sich das Atlasgebirge.

Weiterfliegend erreichte er das Königreich des Kepheus. Dort sah er eine an einen Fels gekettete Jungfrau, Andromeda. Ihre Mutter, Königin und Gemahlin von Kepheus, hatte ihre eigene Schönheit mit jener der Nereiden gemessen und als Maßregelung hatte der Gott des Meeres ein schreckliches Ungetier gegen die Küsten des Landes Äthiopien gesandt. Ein Orakel hatte vorausgesagt, dass als Sühne die Tochter der Prahlerin dem Monster zum Fraß vorgeworfen werden sollte.

Als nun das Ungeheuer aus den Fluten stieg, um Andromeda zu verschlingen, schloss Perseus mit den Eltern der Unglücklichen einen Pakt: Er wolle sie retten, wenn er sie zur Frau nehmen dürfe; die Eltern stimmten zu und versprachen ihm zusätzlich auch noch ihr Königreich.
Mit den Flügelschuhen der Nymphen war es ihm ein leichtes, den Bissen des Wesen zu entfliehen und ihm stattdessen Wunde um Wunde beizubringen, bis er es schließlich getötet hatte.



So wurde geschäftig die Hochzeit vorbereitet, als Phineus, Bruder des Kepheus und eigentlich Verlobter der Andromeda mit seinen Kriegern heranritt und die Aushändigung des von ihm zurückgelassenen Mädchens verlangte. Dies verneinte ihm der König, da er sie in höchster Gefahr verschmäht und somit sein Recht auf die Schönheit verwirkt hatte.

Es kam zum Kampf zwischen Perseus und Phineus und dank zahlenmäßiger Überlegenheit schien letzterer mit seinen Mannen die Oberhand zu gewinnen. In letzter Verzweiflung rief Perseus in die Menge, dass sich seine wahren Freunde von ihm wenden sollten, ihn bloß nicht anschauen sollten. Er nahm den Kopf der Medusa aus der Tasche und hielt ihn hoch. Nach und nach versteinerten die Kämpfer des Phineus zu Stein, bis nur noch derselbige übrig war und kniend um Gnade flehte. Doch voller Trauer um die Schar seiner im Kampfe gefallenen Freunde ließ er auch den Unredlichen das Haupt der Gorgo erblicken, woraufhin auch dieser zu Stein wurde, Mahnmal gegen Verrat und Falschheit.

Nach der nun endlich vollzogenen Hochzeit kehrte Perseus in das Land seiner Ahnen zurück und traf dort auf seine Mutter und seinen Großvater, den König von Argos. Ungewollt verfehlte der Speer des Perseus bei stattfindenden Kampfspielen sein Ziel und tötete seinen Großvater, womit sich auch dessen Prophezeiung erfüllte.

Voller Reue begrub Perseus ihn. Von da an herrschte er glücklich über sein Reich und Andromeda schenkte ihm viele Söhne.

Begleitende Abbildungen von Sir Edward Coley Burne-Jones, Auszüge des Perseus-Zyklus.
Abb.1: Perseus und die Seenymphen
Abb.2: Die Geburt von Pegasus und Crysaor aus dem Blut der Medusa
Abb.3: Das erfüllte Schicksal (1888, die anderen Bilder wurden in naher zeitlicher Umgebung geschaffen)
 

Laokoon

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Teil II: Darstellungen in der Kunst

Antikes Griechenland

[Die Datierung „v. Chr.“ spare ich mir hier, da alle Daten vor Beginn der christlichen Zeitrechnung liegen.]

Die erste schriftliche Quelle über den Mythos der Gorgonen und Perseus, den Bezwinger der Medusa, gibt uns Hesiod im 7. Jahrhundert. In seiner Theogonie :

Keto gebar dem Forkys die rosenwangigen Gräen, 265
Seit der Geburt schon grau, die drum Grauhaarige nennen
So unsterbliche Götter, wie sterbliche Erdebewohner,
Schön Pefredo im Schmuck, und im Safranmantel Enyo:
Auch der Gorgonen Geschlecht, jenseit des Okeanos wohnend,
Hart an der Grenze der Nacht, bei den singenden Hesperiden, 270
Stheino, Eurýale auch, und die jammervolle Medusa.
Sie war sterblich allein, doch Tod so wenig wie Alter
Kannten die zwo: mit der einen verband sich der Finstergelockte,
Auf sanftgrasiger Wies', in des Frühlinges Blumengewimmel.
Aber da Perseus jezo das Haupt ihr vom Halse gehauen, 275
Stürmte der große Chrysaor hervor, und Pegasos wiehernd.
Pegasos wurde benamt von den nahen Okeanosquellen:
Und von dem goldenen Sehwert, das die Hand' ihm füllte, Chrysaor.



Dem folgend, finden sich schon im 7. Jahrhundert einige Abbildungen des Mythos, vornehmlich aus Vasen festgehalten. Eine um 670/660 in Eleusis hergestellte Amphora zeigt Athene, welche die zwei auggeschreckten Gorgonen aufhalten will, um Perseus (Darstellung leider zerstört) zu schützen. Demnach hat er seine Tat schon vollbracht.
Diese Darstellung der Gorgonen in archaischer Zeit scheint sehr abstrakt. Sie haben einen klar erkennbar menschlichen Körper, der jedoch von einem ovalen Kopf dominiert wird, der sowohl ein übergroßes mit Zähnen besetztes Gebiss sowie völlig seitlich am Kopf anliegende Augen aufweist und eine Nase, die für den Betrachter kaum als solche erkennbar ist. Schlangen wachsen ihr aus Kopf und Schultern.


Dieses Bild der Gorgonen unterscheidet sich wesentlich von der späteren, ja geradezu kanonischen Verbildlichung der schrecklichen Ungeheuer im klassischen Griechenland:
Die werden zwar immer noch als Monster mit humanoiden Zügen abgebildet, jedoch in völlig anderer Weise: Ihr Gesicht wird von einer schlitzartigen Nase, einem hypnotisch weit aufgerissenen Augenpaar und zwar hauerartigen Reißzähnen dominiert, natürlich ebenso von einem meist aus Schlangen gebildeten Haarschopf und – mit Bart.
Die Abzeichnung einer aus Athen stammenden Vase um 600 verdeutlicht die Beschreibung.
Auch hier hat Perseus die Medusa schon getötet und flieht vor ihren erzürnten Schwestern. Aus dem leblosen Körper der Getöteten fließt ein Blutstrom, ihre Flügel sind abgeknickt.

In der folgenden Zeit wurden die entfesselten, rachsüchtigen Gorgonen zu einer beliebten Abbildung an Grabeingängen; einem Grabschänder oder –räuber sollten sie demonstrieren, dass sie wie Schutzgeister einer Entweihung der Toten nicht hinnehmen würden, sondern ihn bis an die Enden der Welt verfolgen. Auf Tempelfriesen finden sich gleiche Abbildungen, die eine ähnliche Bedeutung haben, so zum Beispiel in der antiken Stadt Selinunt oder in Syrakus.

Wie schon gesagt, setzte sich diese Darstellung der Gorgonen fast im gesamten griechischen Kulturraum durch, abgesehen von einigen Varianten, in denen zum Beispiel die Verfolgenden ebenso wie der Verfolgte Flügelschuhe tragen, die ihre Schnelligkeit und damit Bewegung symbolisieren sollen.

Wie die Gorgonen war auch das Bild des Perseus in der griechischen Kunstgeschichte einigen Veränderungen unterworfen. Die zuerst genannte Vase stellte ihn, wie man aus einigen erhaltenen Beinfragmenten schließen kann, vermutlich nackt dar.

Eine dem Louvre gehörende Vase um 590 zeigt ihn als bärtigen Mann mit langen, vermutlich zu Zöpfen geflochtenen Haaren, der einen breitschärpigen Hirtenhut und die ihm von den Nymphen verliehenen Flügelschuhe trägt. Sein Schwert hat er um die Schulter gegürtet, er trägt ein Chiton, ein Kleidungsstück, dass in etwa der römischen Tunika entspricht.

Eine recht kunstvolle Vase aus Agrigent (um 440/435) zeigt hingegen einen jungen, schwarzgelockten Perseus, ebenfalls im Chiton, der sich mit dem Ellbogen auf sein Knie aufstützt und mit zwei Speeren in der freien Hand die gefesselte Andromeda fokussiert. Er ist überaus naturalistisch gemalt, im Gegensatz zur vorher genannten Figur, die leicht stilisiert abgebildet worden war. Jene Figur schien eher die körperliche Überlegenheit des Helden zu symbolisieren, während die neuere Darstellung eher Wert auf seine geistige Überlegenheit legt; Perseus ist dort nicht der unnahbare Held, sondern ein Mensch mit Charakterzügen, verschlagen und listig, sorgsam abwägend.

Quellen:

  • - Claude Bérard, Jean-Pierre Vernant: Die Bilderwelt der Griechen; Verlag Phillip von Zabern, Mainz, 1983
    - J. Charbonneaux, R. Martin : Die Griechische Kunst II – Das archaische Griechenland, C.H. Beck, 1977
    - John Boardman: Griechische Plastik – Die archaischer Zeit; Verlag Phillip von Zabern, Mainz, 1981
    - Erika Simon: Die Griechischen Vasen; Hirmer Verlag, München, 1976

Auf den nächsten Tausender^^
 

Laokoon

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Die Ruhezeit ist zu Ende. Kaltes Eisen wird ins Feuer geworfen, um in den lodernden Flammen harten, federnden Stahl zu schmieden.

Die kunsthistorischen Welten der Medusa und des Perseus stelle ich für einige Zeit zurück, um dem inzwischen rar gewordenen Publikum der ebenso seltenen Userblogbeiträge ein wenig Abwechslung zu bieten. Panem et circenses? Nicht direkt. Wie gesagt, Abwechslung soll euch geboten werden. Abwechslung durch die Rückkehr zu den Ursprüngen. Ad fontes. Dementsprechend werde ich euch in naher Zukunft wieder ein Werk vorstellen, dass meine Phantasie erregte, mich in andächtiges Staunen versetze oder mit Freude und Bewunderung erfüllte.
 

Laokoon

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XVII. Der Preis der Arroganz (2007)



Zur Abwechslung mal ein Bild von mir...und zur Fortsetzung der Monotonie, Perseus und Medusa. Die Fotographie ist nicht perfekt, aber sie wird reichen.

Genaue Bildinformationen gibt's beim Klick auf das Bild, in Hinsicht auf Größe, Untergrund und Farbe.

Ich bin in den letzten zwei Jahren viel zu wenig zum Malen und ebenso wenig zum Zeichnen gekommen, und technisch gesehen fing ich deshalb fast wieder bei Null an, doch hat dieses Bild mir wieder ein wenig gezeigt, was ich zu tun und zu lassen habe...auch wenn man das teilweise stark sieht. Wer Fehler findet, heißt es ja so schön, kann sie behalten.

Als Vorlage hat mir grob Benvenuto Cellinis Perseus aus der Loggia dei Lanzi in Florenz gedient, wie man unschwer erkennen kann. Ein Photo der Bronzestatue in einem ähnlichen Blickwinkel ist in einem obigen Beitrag ja zu sehen. Auslassungen von in der Mythe genannten Gegenständen wie den Schuhen und des Sackes sind durchaus gewollt von mir. Ich lege keinen großen Wert auf prunkvolle Ausschmückungen. Das Bild auch nicht, siehe Intention.

Der mythologische Hintergrund (s.o.) schrieb:
Medusa war eigentlich von Geburt an schön anzusehen, doch Athene verfluchte sie, nachdem sie die Schöne im Tempel der Athene mit Poseidon Liebesspiele trieb. Voller Zorn verwandelte Athene sie in eben solch ein schreckliches Ungeheuer.

Der Titel orientiert sich an der Metamorphose der Medusa und der Projektion, die diese griechische Erzählung auf den Menschen im Allgemeinen zulässt. Letztendlich ist die Hinrichtung der Gorgone durch Perseus die finale Vollstreckung des Willen der Athene, welche die Hybris einer selbstüberheblichen und anmaßenden Frau straft. Dieses Bild richtet sich natürlich jedoch an beide Geschlechter, durchaus mit mahnender Intention.

Tiefgründigere Gedanken über diese vereinfacht dargestellte Aussageabsicht soll sich jedoch jeder selber machen, sofern er gewillt dazu ist. Einen langen moralischen Vortrag gibt es von mir nicht, wozu auch? Moralisten sind weder gerne gesehen, noch sind sie selbst gefeit gegen die Übel, gegen die sie immer predigen. Dieses Bild mahnt mich nämlich als ersten, und dass jeden Tag aufs Neue.
 

Laokoon

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XVIII. Fernand Khnopff (Symbolist)


A Bruge. Un Portail, Öl auf Leinwand, ca. 1904

Bilder von Fernand Khnopff, einem belgischen Symbolisten, haben für mich eine ganz besondere Ausstrahlung. Mein Blick wandert über die Zeichnungen/Bilder und verliert sich in den Tiefen des jeweiligen Bildes. Dabei meine ich den Begriff „Tiefen“ schon fast wörtlich. Die meiner Meinung nach schon für sich sehr auf den Betrachter wirkende Oberfläche des Objekt an für sich gleicht der eines moorigen Sees: Blicke ich hinein, so sehe ich als erstes mich, schließlich die darunter liegenden Wasserschichten und wenn ich Glück habe und das Wasser nicht trübe und aufgemischt ist, den schlammigen, weichen Untergrund des stumm wirkenden Gewässers und schließlich - erneut mich - auf der sich kräuselnden Oberfläche, doch zugleich auch in der Tiefe eingedrungen – das Bild als Spiegel der unergründlichen menschlichen Seele – und je nach Objekt – auch meiner Seele.


Studie einer Frau, Pastellkreide auf Papier, 1895

Khnopffs Bilder wirken zuweilen melancholisch, depressiv, müde vom Leben und dessen unaussprechlicher Gewalt des permanenten Fortschreitens, sind in eine scheinbar ewig währende Ruhe eingebettet, einer solchen, welche die sanftgrünen Grabhügel unserer Vorväter umgibt. Verweilen geht in unerfüllte Sehnsucht über, der flüchtige Moment mündet in ein geheimnisvolles Gewässer vollkommener Unendlichkeit. Gleich den Nebeln eines Hochmoores ist man umgeben von einer verhüllenden Stille, die jeden Laut in ihrer Weite verschluckt, eines jeden Gedanken in schützendem Äther umfasst, die Seele eines jeden Menschen in ihrer Reinheit aufnimmt.

Man verliert sich langsam in der Tiefe der Unergründlichkeit und findet sich in einer anderen Welt wieder, ohne dass man vernommen hätte, die alte verlassen zu haben. Meine Finger waren schneller als meine Gedanken und wollten den Satz schon mit „...einer Welt der Feenwesen und Nymphen wieder:“ beenden, doch an dieser Stelle musste ich sie behutsam aber entschieden zurechtweisen. Die Welt, die hinter Fernand Khnopffs Werken liegt – sie ist kein Märchenland, in dem die Satyrn ihre wollüstigen Reigen feiern und Amazonen und Cenaturen sich in einem erbitterten Kampf gegenüberstehen. Sie ist mystisch, aber nicht zwingend mythisch, bar und elementar in ihren Beschaffenheit, verwoben und unergründlich in ihren Aussagen. Mag sein, dass ich an dieser Stelle zu sehr idealisiere und durch diese Übertreibung dem Leser das Gefühl vermittele, er hätte einen Träumer vor sich, der von eigentlicher Kunsthistorik oder dem Leben Khnopffs nur sehr wenig Wissen hat, doch ein Träumer bin ich in dieser Hinsicht, und wenn eben dieser Umstand illegitim ist, so nehme ich die Strafe dafür gerne in Kauf. Erlauben, sich in etwas hineinzusteigern, muss einem jeden Schreiber gewährt sein, erst recht den Träumern. Sie können nicht anders, und wider die Natur zu handeln ist eines der schändlichsten Vergehen, für die man meist teuerst bezahlt.

Träumen und sich verlieren...ein Fürst, wer sich diesen Privilegien ungestört hingeben kann, sie in zuträglichen Maßen nutzt, ohne sich zugrunde zu richten wie ein dem Absinth Verfallener.
Ich muss sagen, dass ich auf der einen Seite für mich beanspruche ein überaus sachlicher (=weltzugewandter und realitätsbegreifender) Mensch zu sein – nun ja und auf der anderen ein bin ich unwiderlegbar ein Träumer, ein Utopist. Das habe ich nie ganz ausrotten können, und hoffe auch, dass ich es nicht schaffen werde.


StudieKohlezeichung, Jahr: ????
________________________________________________

Die glückliche Fügung der Erinnerung, die mich vor zwei Wochen schließlich doch noch zu einer Ausstellung im Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum führte, meinte es gut mit mir. Unter den dort ausgestellten Exponaten der Ausstellung Symbolismus und die Kunst der Gegenwart waren nicht nur einige wunderschöne Werke von Franz von Stuck, Ferdinand Keller und Moreau (der mir in letzter Zeit nicht mehr so gut gefällt wie früher), sondern auch einige Werke von Khnopff. Diese stellten für mich, neben einigen persönlichen Neuentdeckungen und einer Bronze von Franz von Stuck (Der verwundete Centaur, 1890, leider war im Internet keine Aufnahme davon finden, genau so wenig wie von den dort ausgestellten khnopff-Bildern) einen unvergesslichen Höhepunkt dar.

Bilder als Photographien oder Reproduktionen zu sehen oder im Original die Kohlepartikel auf dem porigen Untergrund – dieser Unterschied ist gewaltiger, als man sich vorstellen kann und versetzte mich wirklich in Erstaunen – und Ehrfurcht.

Allen eine gute Nacht,
Laokoon


Une ville abandonnée, Pastellkreiden und Bleistift, 1904
 

Laokoon

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~ IV. Fragestellung

Welche Frage stellt sich heute noch, bei diesem schönen Anblick. Alle Fragen entwichen meinen Gedanken und völlig frei war ich einfach nur...- ’glücksselig’ nannte man so etwas einmal. Dieses Wort findet man heutzutage wohl eher in kitschigen Groschenromanen oder religiösen Schriften. Nun ja, diese Szenerie weckte in mir einmal wieder auch einen letzter Funken gewisser Religiosität, der mir noch inne wohnt. Dem Glauben an die Perfektion und Erhabenheit der Natur

Als die Strahlen der tief stehenden Sonne durch die Äste brachen und den leise vor sich hin murmelnden Bach mit Gold und Saphir erfüllten, verblassten nicht nur alle Fragen, sondern auch sonst alle Gedanken, die in meinem Kopf herumgeisterten, vor dem Anblick, der sich mir bot. Die Art und Weise, in der die Natur diesen alltägliche Vorgang des Sonnenuntergangs in dieser makellosen einzigartigen Schönheit darstellte, war einfach wundervoll.

 

Minerva

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Als Leser Deines Treads möchte ich dir danken, alle Beiträge von dir habe ich mit viel Interesse und Genuß gelesen, aber das letzte Bild hat mich besonders berührt. Ich habe leider nie eine Kamera dabei, wenn mir so etwas schönens begegnet. Wenn ich mal ein bißchen Zeit habe, werde ich Dir mein Lieblingsbild vorstellen, aber ich muß noch über den Maler recherchieren, also bitte etwas Geduld.
 

Laokoon

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Danke für Deine positive Stellungnahme, so etwas hört man natürlich sehr gerne. Auf Dein Bild bin ich schon gespannt, da warte ich auch geduldig etwas - gut Ding muss ja schließlich Weile haben.

Am liebsten würde ich Regen, Gewitter oder schweren Nebel photographieren. Jedoch habe ich zuviel Angst um meine Kamera - Feuchtigkeit ist mir im Bezug auf Technik ein zu unberechenbarer Umweltfaktor, da hat man schneller ein paar Tropfen an der falschen Stelle sitzen hat, als einem lieb ist.

Nun, letztendlich werden gerade diese Wetter auch vor allem durch das Moment der Bewegung zu dem, was sie sind, und sind daher nur schwer in ihren charakteristischen Eigenschaften auf statischem Untergrund festzuhalten.
Das schlagartige Hervorbrechen des Blitzes, der darauffolgende Donner, die Schallwelle, die unaufhaltsam gegen mich brandet.
Der Regen, der entweder fein und kaum fassbar in jede Faser und jeden Zwischenraum dringt, eiskalt und klamm, - oder in dicken, warmen Tropfen eines Sommergewitters, die mich innerhalb von Sekunden durchnässen und weich wie ein seidenes Tuch den Körper hinuntergleiten.
Nebel, unfassbar und doch klar spürbar, sogar in seinen Einzelheiten sichtbar und doch nicht greifbar.
Das ist für mich spürbare Göttlichkeit der Natur. Im Menschen äußert sie sich für mich anders, beginnt aber schon mit der Aufnahme und Verarbeitung jener der Natur.
 

Laokoon

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~ V. Fragestellung: Wie dämmt man lästige skandinavische Fabelwesen zwischen tiefen Datenfjorden und Informationsgebirgen ein? Die Antwort darauf findet ihr hier nicht. Höchstens einen kleinen Ansatz.

Guten Abend,
ich wünsche jenen, die es noch nicht von mir gehört haben, ein Jahr an dem sie wachsen mögen, sich – sofern das alte voller Probleme, Lasten oder körperlicher oder seelischer Schmerzen war – wieder aufrichten können, und für jene, die ein rundum positives letztes Jahr hatten, dass es so weiter gehen möge.

Da ich weder die religiöse Inbrunst, noch den wirtschaftlichen Enthusiasmus der Menschen an den inzwischen vorangegangenen deutlich überhöhten christlichen Feiertagen geteilt habe – was jedoch als Gegenbewegung zur selbstaufopferungsvollen Hingabe am vorweihnachtlichen Einkaufs- und Familienstress auch zur Mode geworden zu sein scheint - muss ich euch also weder von einem niedergekommenen Erlöser predigen, noch mein in der Vorweihnachtszeit zerstörtes Realitätsverständnis und Selbstwertgefühl durch die Zurschaustellung unzähliger Websites zum gleichen Thema (und mit absolut nullwertigem Textarsenal) wieder aufrichten. Die heutige Gesellschaft kann schon sehr zerstörerisch sein. Bei armen Seelen, welche durch eben diese in starke Mitleidenschaft gezogen wurden, können Drogen helfen, können jedoch genau so gut zum vollständigem Kollaps der menschlichen Psyche führen. Ausgeprägter Messianismus kann die Folge sein. Für alle gläubigen Juden und Christen sei an dieser Stelle gesagt, dass ich sie nicht in ihren religiösen Gefühlen verletzen möchte, sondern vorgestellter Satz mehr eine sarkastische Bemerkung über diese ach so schweren Zeiten und ihre bemitleidenswerten Opfer sind.

Regelmäßige Besucher des Forums werden diesen obigen Abschnitt durchaus zu deuten wissen, seltener auftauchende haben eventuell leichte Verständnisprobleme. Sei es darum.

Nun, wie gesagt, statt der kleinen Runde hier im Forum Symptome für einen eigenen geistigen Verfall und notorische Unzurechnungsfähigkeit zu präsentieren – wollte ich – zumindest kurz – ein Werk eines Künstlers präsentieren. Ich schwankte zwischen skythischen bzw. griechischen Goldarbeiten, einem angelsächsischen Prunkhelm und einem iberischen Glanzstück der Bildhauerkunst. All diese handwerklichen Höhepunkte ihrer Zunft hätten jedoch einer längeren Erklärung bedurft, zumindest hätte ich mich mit verantwortlich dafür gefühlt, euch eine solche zu geben. Stammlesern sei aber damit schon einmal ein kleiner Ausblick auf die unbestimmte Zukunft gegeben.

Letztendlich bin ich zu dem Schluss gekommen, ich die vorangegangenen knapp eineinhalb Jahre meines Userblogs einmal Revue passieren zu lassen.

Aber das beim nächsten Mal.

Ich schließe meinen heutigen Eintrag mit einem Zitat aus den Tagen meiner Kindheit ab.
Den Anspruch des Zitats habe ich zwar nicht, aber vielleicht lesen wir uns ja wirklich wieder. Den Spruch gebe ich aus rein sentimentalen Gründen wieder.

Mehr, wenn ihr mich wiederseht. Ihr müsst unbedingt gucken, wie's weitergeht.
 

Laokoon

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XIX. Gustave Moreau - Skizze



Dazu begleitend:

William Butler Yeats: He wishes for the cloths of heaven

Had I the heavens' embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half-light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly, because you tread on my dreams.


Quelle

Ehrlich gesagt bin ich des Schreibens zur Zeit müde, deshalb waren die letzten Beiträge recht spartanisch und werden es auch in naher Zukunft sein. Nichts dass ich eine Art Blockade hätte, aber ich kann Gedanken nicht richtig fassen, weshalb die Lust, halbfertige, nicht durchdachte Gedankenfetzen zu präsentieren, sich stark in Grenzen hält. Neben anderen Dingen muss dieser Blog zurückstecken. Viele herumliegende nicht zu vollendende Schrift- und Bildsplitter machen mich einfach langsam verrückt.

Im Endeffekt kann ich leider nicht sagen, ob das gepostete Gedicht von William Butler Yeats noch unter irgendwelchen Rechten steht, der Autor ist seit 1939 tot. Da die Werke von ihm beim Spiegel Projekt Gutenberg bis 2009 noch gesperrt sind, frage ich mich, ob die Werke eines Autors nicht schon nach 60 Jahren in Allgemeingut übergehen, wie ich das bisher dachte. Sollte ich diesbezüglich im Unrecht liegen, bitte ich, das Gedicht sofort zu entfernen.

Zum Bild ist zu sagen, dass es eine Skizze von Gustave Moreau ist, welche ich in seinem Pariser Haus gesehen habe. Leider bin ich beim Abphotographieren von Bildern immer noch sehr ungeschickt, und ohne Blitz (Museum!) und mit dem Gefühl der Scham, sich wie ein photogeiler Japaner zu fühlen, klappte es erst Recht nicht, ein sauberes Bild der Skizze zu machen. Ich fand diese Frau schön und ausdrucksstark zugleich, weshalb sie nun hier steht.
Schönheit hängt oftmals nicht von der Rundung des Busens oder dem Strahlen des Auges ab, sondern vom Ausdruck, dem Charisma, der Mimik bzw. Gestik, die eine Figur ausstrahlt und ausmacht. Die Menge der edlen Erze auf der Welt ist unermesslich, doch einen meisterhaften Ring zu schmieden, kann eine lebenslange, zermürbende Arbeit sein. Genauso wie es für den Laien schwierig ist, das Meisterstück unter unzähligen, nicht schlecht aber auch nicht gut gelungenen Ringen herauszusuchen. Oftmals greift man daneben.
Skizzen sind ein nicht unwesentlicher teil der Arbeit an einem Bild. Hat man nicht direkt ein Photo, welches das Motiv in gewünschter Weise wiedergibt, sind Skizzen oftmals die einzige Möglichkeit, die Realität des Bildes zu erschaffen, dass man malen will. Anders gesagt: Das fehlende Photo wird durch die Arbeit an Skizzen erschaffen, eine neue Wirklichkeit aus real bestehenden Elementen mit dem Willen und Können des Malers neu zusammengesetzt. Dann erst kann die Arbeit am wirklichen Bild beginnen. Ich selbst mache ungern Skizzen, habe aber nach langen fruchtlosen Versuchen erkannt, dass zumindest ich für meinen Teil nicht ohne sie auskomme, wenn es um Detail und Komposition geht.
Tragischerweise haben Skizzen nach der Fertigstellung eines Werkes ihren Zweck erfüllt und verschwinden in den Dunkeln des Vergessens oder der Vernichtung. Kohle- und Kreidezeichnungen galten Jahrhunderte lang nichts in der Kunst, sie waren wie Pinsel und Farbe Werkzeug zur Fertigung des Gegenstandes. Erst Leonardo da Vinci war einer der ersten, der seine Skizzen verkaufen konnte und für dessen Skizzen es überhaupt eine entsprechende Nachfrage gab. In Zeiten des Comics und in denen jeder selbst zum Bleistift greifen kann, denkt darüber niemand mehr nach. So verschwindet die Skizze erneut, unter anderen Gesichtspunkten, diesmal in der Versenkung der Kunstinflation.

Das Musée Gustave Moreau ist sehr empfehlenswert, vor allem für Liebhaber Moreaus oder des Symbolismus, aber auch für allgemein Kunstinteressierte. Außer der ersten Etage mit seinen Wohnräumen gibt es noch die beiden darüber liegenden Etagen seines Ateliers zu sehen, die voll gestopft sind mit eigenen Werken. Wirklich sehenswert sind aber die Fensternischen, in denen sich in mehrfach angelegten Diptycha Hunderte von Skizzen und Studien zu seinen Arbeiten befinden. Sie sind zum Schutz vor Lichteinfluss hinter Vorhängen verborgen, so dass ich sie anfangs fast übersehen hätte. Skizzen sind das Herz jedes Bildes und sie zeigen nicht nur, welche Arbeit hinter einem Bild steckt, sondern geben auch viele Informationen über den jeweiligen Maler preis.

Bleibt noch etwas zu sagen? 'Gute Nacht' vielleicht. So wünsche ich euch eine gute Nacht.

Ach, und vielleicht: Ja. es ist das selbe Gedicht, welches im Film Equilibrium zitiert wird. Jeder findet durch irgendeinen Mittler Zugang zu irgendetwas. So ich durch den Film zu Yeats. Den Film finde ich im Übrigen auch gut.

Viele Grüße, Laokoon
 
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