Ein hochinteressantes Bild, welches Leonardo da Vinci an der Wand des Refektoriums des Klosters Santa Maria delle Grazie in Mailand hinterlassen hat. Ich muß gestehen, dass ich erst über dieses Bild dazu gekommen bin "Sakrileg" zu lesen, da mich ein alternativer Erklärungsversuch interessiert hat, wieso da eine Frau neben Jesus sitzt.
Die Erklärung dies sei ein weiblich gezeichneter Johannes befriedigt mich nicht. Im hier bereits erwähnten Bild von Jacopo Bassano wird es fast noch deutlicher, da der vermeintliche Johannes als einzige Figur recht weiblich erscheint, bartlos ist und auf dem Schoß von Jesus zu sitzen scheint (auf die Füße achten). Vermutlich kannte Bassano ja das Bild von Leonardo da Vinci und trieb diese Darstellung nur auf die Spitze. In einem anderen Gemälde hat Bassano Johannes übrigens mit Bart und recht männlich porträtiert. (Hinrichtung des Johannes o.s.ä.)
Das Leonardo kein flammender Christ war, scheint sehr wahrscheinlich, widerspricht doch sein Forschergeist, seiner auf Erkenntnis beruhende Philosophie vehement dem christlichen Dogmatismus und Wunderglauben seiner Zeit. Auch liegt es sicher nicht fern, ihn als mutmaßlichen Homosexuellen zu bezeichnen, was man u.A. aus dem Sodomie-Prozeß (Jacopo Saltarelli) ableiten könnte. Auch die Tatsache, dass er nie verheiratet oder bekanntermaßen liiert war.
Nicht zu vergessen auch seine persönliche Bekanntschaft und seine Dienste für Leo dem X., besser Giovanni de' Medici. Nicht zufällig fiel die Reformation in dessen Amtzeit, ein Mann der Kardinal war, ohne Geistlicher zu sein, der extra zum Bischof ernannt wurde, um zum Papst gewählt werden zu können. Ein Papst der prächtige Umzüge, Hofnarren und das Jagen liebte. Kaum 10 Jahre zuvor war noch der Skandalpapst der Borgias als Alexander VI. Inhaber des Pontifikats. Ein Papst den man wohl eher mit Caligula, denn mit Jesus vergleichen könnte. Der Papismus war zu einer reinen Machtposition verkommen, die Dekandenz wurde höchstens von der Skrupellosigkeit überboten. Nicht umsonst die Zeit von Niccolò Machiavellis "Il Principe".
Die Vermutung, das Leonardo als Universalgelehrter und Erkenntnisphilosoph nun christlicher Mythologie anhing, scheint vor diesem Hintergrund vollkommen absurd. Das Papistentum war verkommen bis ins Mark und stank vom Kopf her, dort wo Leonardo mit seinem mechanischen Spielzeug mehr Aufmerksamkeit erregte, als mit seinen Darstellungen christlicher Bildnisse. Der Verdacht, dass er womöglich Geheimgesellschaften, gnostischem Gedankengut oder schlichter Satire den Vorzug gab, es liegt für mich auf der Hand. Das er nicht offen der Häresie anhing ist klar, ansonsten wäre schlicht tot, verbrannt und vergessen worden.
Um auf das Bild zurückzukommen, Auffällig ist die Symmetrie zwischen Jesus und der Frau/Johannes, beide bilden ein deutliches V, was Brown als Kelch und Symbol des urweiblichen interpretiert, jedoch auch ohne Interpretation auffällig erscheint. Ebenso auffällig wie die Kleidung, die man heutzutage wohl als Partnerlook bezeichnen würde. Es riecht sehr nach einer Darstellung des Dualismus, in der Kleidung, im Ausdruck, selbst die Hände von Jesus drücken dies aus, eine Hand nach oben, die andere nach unten. Beide schauen zudem als Kontrast zu allen anderen Personen jeweils geneigt zu Boden, als teilten beide ein Wissen, welches den anderen Figuren nicht bekannt ist. Ein außerordentlich auffälliger Symbolismus. So stark, dass Dan Brown ohne weiteres seinen Roman auf dieses Detail aufbauen konnte, ohne völlig verrückt zu wirken. Die Vermutung, dass in diesem Bild verdeckt auf eine Gefährtin (Ehefrau) Jesu hingewiesen wird, scheint auf der Hand zu liegen.
Und weshalb auch nicht?
Um auf Dan Brown zurückzukommen. Die Basis seines Buches bildet neben diesem auffälligen Gemälde ohne Frage das "Evangelium der Maria Magdalena", was ja bereits genannt wurde. Ebenfalls zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang imho auch die Schriften aus "Nag Hammadi" (endeckt 1945). Eine Sammlung gnostischer Handschriften, die auch als "Bibel der Häretiker" bekannt ist. Brown bezieht sich anscheinend vorwiegend auf die "Evangelien des Philippus" wo auf Maria Magdalena als Gefährtin und Ehefrau, bzw. als "Lieblingsapostel" eingegangen wird. Was wiederum den Zirkelschluß zu Johannes zieht, gilt er doch sonst als "Lieblingsapostel" des Jesus.
Ist es nun undenkbar, das Leonardo dem frühchristlichen Gnostizismus anhing? Ich denke keineswegs, natürlich sind diese Schriften im Laufe der Jahrhunderte aus dem Gedächtnis getilgt worden, nicht zuletzt durch die Hexenverfolgung, die ihren Höhepunkt kurz nach Leonardo bis weit ins 17. Jahrhundert hatte.
Doch lange Zeit werden diese "alternativen" Überlieferungen durchaus bekannt gewesen sein, vielleicht nicht der Masse, jedoch einer gebildeten häretischen Oberschicht von Eingeweihten. Viele Dogmen brauchten Jahrhunderte bis sie zu kirchlichen Wahrheiten wurden, ebensolang werden sich herätische Glaubenssätze gehalten haben. Und je größer der Druck durch die Kirche wurde, desto mehr wurden diese "Andersdenkenden" in den Untergrund und in Geheimgesellschaft gezwungen. Doch selbst bis heute findet man unter christlicher Oberfläche schnell heidnische Symbolik. Oft ungewollt, jedoch vermutlich auch oft versteckt um gleichgesinnten "Zeichen" zu geben.
Jedoch halte ich es auch für müssig in "Sakrileg" tiefergehende "Wahrheiten" zu suchen, er hat nichts anderes gemacht, als früh-christlichen Gnostizismus mit einigen Legenden (Gral) und der Kritik am radikalen Christentum a la "Opus Dei" zu einem knackigen Thriller zu verbinden. Schwachsinn a la Haus Benjamin/Haus David bringt Merowinger hervor, gehört dann aber eben dazu wie historische "ungenauigkeiten" a la "die Kreuzigung war eine Erfindung der Römer" oder der Unsinn über Konstantin.