Blutbad in Madagaskar

Sedge

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Offenbar hatten die Soldaten ohne Vorwarnung das Feuer auf die Demonstranten eröffnet. Mindestens 28 Personen wurden dabei getötet, 272 wurden verletzt. Augenzeugen berichteten in der madagassischen Zeitung „Tribune“, die Garde habe automatische Gewehre mit Laser-Zieloptiken eingesetzt und auch auf Flüchtende geschossen. Zahlreiche Menschen, die sich um am Boden liegende Verletzte kümmerten, wurden in den Rücken getroffen.

„Man hat die Leute aufgehetzt, sich vor dem Präsidentenpalast zu versammeln, um die Macht zu übernehmen“ verteidigt der Präsident das Vorgehen, die Verteidigungsministerin dagegen tritt zurück, Sie könne die jüngsten Vorfälle nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren.
 

Eskapismus

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Über Madagaskar ist mir wenig bekannt. Nur das es eines der ärmsten Länder Afrikas ist und von Korruption zerfressen ist - ein beliebtes Opfer von Finanzimperialisten also.

In einem Interview mit dem Autor dieses Buches brauchte dieser Madagaskar als Beispiel wie die Weltbank arme Länder ausbeutet. Dem korrupten Regime wurde ein Kredit von 400-500 Millionen Dollars als "structured Adjustment" ohne Kontrolle und Auflagen vor die Türe geschissen und als das Geld versickert war verlangte man, dass der Kredit zurück bezahlt würde. "Zufälligerweise" wurde in der selben Zeit Öl vor der Küste entdeckt und da man das Geld nicht zurückbezahlen konnte... Exxon ist jetzt am Drücker und fördert billig Öl.

Der Autor ist übrigens kein üblicher VT'ler. Er war mehrere Jahre Ökonom der Weltbank für die Schweiz und ist jetzt in Pension. Hört euch das Interview an, ist wirklich empfehlenswert.
http://www.drs.ch/www/de/drs/sendun...4.html?geladen=86960&gesamt=86960&prozent=100

Ich schreibe das alles, weil Andry Rajoelina, der sich vor einer Woche selbst zum Präsidenten ernannt hatte und zur Demonstration aufgerufen hatte, der gegenwärtigen Regierung vorwirft den Reichtum des Landes an ausländische Firmen zu verschleudern. Die Sache riecht nach US-Korpokratie-Weltbank-Imperialismus wie aus dem Schulbuch. Es fällt mir fast schwer zu glauben, dass die Sache tatsächlich so Schwarz-Weiss ist, wie sie scheint.
 

agentP

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Finanzimperialisten

Ich wünschte, ich würde es einmal erleben, dass man so ein Thema diskutieren kann ohne irgendwelchen dubiosen Kampfbegriffe.
Wenn du schon gleich solche Fronten ziehen möchtest, dann bitte erwähne doch auch, wer das Land ab 1975 zielsicher in den Ruin getrieben und die Korruption etabliert hat.

Interessantes Interview, solange er die Praxis der Kreditvergabe der Weltbank und deren Folgen beschreibt. Wenn er dann einen Ausblick gibt und Lösungsvorschläge unterbreitet, dann bin ich mir nicht so sicher, ob er unbedingt die richtigen Schlüsse zieht. Das hört sich alles so ein bisschen an, als würde er eine Rückkehr zum Protektionismus für das Gelbe vom Ei halten.
Ein wenig suspekt finde ich, wie er die Republikaner im Kongress als "rechtsextrem" bezeichnet. Wird dieser Terminus in der Schweiz anders gebraucht, als in Deutschland oder ist das seiner Perspektive geschuldet oder war das womöglich sogar eher ein Versprecher?
 

Eskapismus

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agentP schrieb:
Finanzimperialisten
dubiosen Kampfbegriffe.

Ich würde ja verstehen wenn du den anderen Begriff den ich verwendet habe "Korpokratie"als dubiosen Kampfbegriff bezeichnen würdest. Finanzimperialismus ist aber ein etablierter Begriff, der nicht nur von linken Spinnern verwendet wird. Kennst du einen treffenderen Begriff für das gemeinte Phänomen?

agentP schrieb:
Wenn du schon gleich solche Fronten ziehen möchtest
Worüber sollen wir den sonst sprechen in diesem Thread? Ich hab ja nicht mal den Film gesehen. Ich glaube nicht, dass wir viele Leute finden werden hier, welche sich über Madagaskars Innenpolitik oder das sozialistische Intermezzo in den 70ern unterhalten würden.

agentP schrieb:
Ein wenig suspekt finde ich, wie er die Republikaner im Kongress als "rechtsextrem" bezeichnet. Wird dieser Terminus in der Schweiz anders gebraucht, als in Deutschland oder ist das seiner Perspektive geschuldet oder war das womöglich sogar eher ein Versprecher?
Nein, Rechtsextremismus ist kein Schweizerdeutsches-Hochdeutsches Homonym eher ein Deutsch-Englisches. Auf Englisch ist Neocon vielleicht eher mit extrem Rechts gleich zu setzen, ohne dass man sofort an Nazis denken muss.

Vielleicht hat er auch einen Kraftausdruck gesucht weil er einen tiefen Groll gegen diese Herren verspürt. Es ist sicher nicht einfach, wenn man 30 Jahre irgendwo arbeitet und dann wird der Laden von jemandem übernommen, der ganz andere Positionen vertritt.

Edit: Back to Topic - die Verteidigungsministerin ist zurück getreten. Sie könne nicht akzeptieren, dass Leute getötet werden. Dies gilt als Zeichen, dass dem Staat die Macht über das Militär entgleiten könnte.
 

agentP

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Finanzimperialismus ist aber ein etablierter Begriff, der nicht nur von linken Spinnern verwendet wird. Kennst du einen treffenderen Begriff für das gemeinte Phänomen?

Finanzimperialismus ist ein so etablierter Begriff, dass bisher noch nicht mal auf wikipedia jemand einen Eintrag dazu geschrieben hat. Google findet den Begriff gerade 800 mal und mein "Lexikon der Politik" von 2003, das Kolonialismus und Imperialismus recht ausführlich bearbeitet kennt diesen Begriff gar nicht. Die Quellen für diesen Begriff, die ich über Google gefunden habe, verwenden diesen Begriff in Zusammenhang mit Vorgängen aus der Zeit des Kolonialismus vor dem ersten Weltkrieg und nicht mit aktuellen, er scheint also eher für ein historisches Phänomen Anwendung zu finden.
Du entschuldigst also, wenn ich über diesen Begriff hier stolpere und ihn hinterfrage.

Nein, Rechtsextremismus ist kein Schweizerdeutsches-Hochdeutsches Homonym eher ein Deutsch-Englisches. Auf Englisch ist Neocon vielleicht eher mit extrem Rechts gleich zu setzen, ohne dass man sofort an Nazis denken muss.

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht was du meinst.
Im Englischen gibt es ein absolut entsprechendes Wort für rechtsextrem nämlich ganz profan "rightist extremist" oder "right-wing extremist" und damit meint der Ami dann den Ku-Klux Klan oder die Militia-Spinner.


Worüber sollen wir den sonst sprechen in diesem Thread?

Mir ging es darum, dass dein Posting mit diversen tendenziösen Begriffen gepsickt war (Finanzimperialismus, US-Korpokratie-Weltbank-Imperialismus wie aus dem Schulbuch, etc.), die Wurzeln aber durchaus noch woanders liegen.

Eine sinnvolle Diskussion wäre für mich in so einem Fall dann möglich, wenn man das anerkennt und nicht von vorneherein auf die "üblichen Verdächtigen" zeigt und andere beteiligte durch Nichterwähnung aussen vor lässt.

Zumal man ja dann auch nicht mehr darüber diskutieren muss, was da schreckliches passiert, wenn man die alleine Schuldigen ohnehin schon identifiziert und verurteilt hat.

Mir geht es auch nicht um einen Freispruch für Exxon oder die Weltbank, mir geht es darum, dass differenziert wird und nicht pauschalisiert.
 

Eskapismus

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Finanzimperialismus - hab ich zum ersten mal von einer Studentin gehört, die internationale Beziehungen und Geschichte studiert. Fand den sehr treffend für dieses Phänomen - auch scheint er mir allgemein verständlich. Ich sehe nicht ganz ein was dagegen spricht diesen in diesem Kontext zu verwenden auch wenn er hauptsächlich in den Geschichtsbüchern vorkommt. Wie wärs mit Neokolonialismus? Ist bereits schon wieder abstrakter IMO.

agentP schrieb:
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht was du meinst.
Im Englischen gibt es ein absolut entsprechendes Wort für rechtsextrem nämlich ganz profan "rightist extremist" oder "right-wing extremist" und damit meint der Ami dann den Ku-Klux Klan oder die Militia-Spinner.
Hmmm... da hast du allerdings Recht. War auch nur eine Vermutung meinerseits.

Worüber sollen wir den sonst sprechen in diesem Thread?

agentP schrieb:
Mir ging es darum, dass dein Posting mit diversen tendenziösen Begriffen gepsickt war (Finanzimperialismus, US-Korpokratie-Weltbank-Imperialismus wie aus dem Schulbuch, etc.), die Wurzeln aber durchaus noch woanders liegen.

Ich habe gemeint, dass ich meine Position klarer verständlich gemacht habe. Ich habe doch extra geschrieben, dass ich über Madagaskar nur gerade diesen einen Aspekt kenne. Auch steht da "Es fällt mir fast schwer zu glauben, dass die Sache tatsächlich so Schwarz-Weiss ist, wie sie scheint."

Ich wollte damit eigentlich genau das ansprechen, was du jetzt kritisierst. Dass die Welt nicht Schwarz-Weiss ist brauchst du mir nicht zu erklären. Aber wenn ich zu einer Thematik halt nur ein Aspekt kenne, werfe ich den trotzdem in die Runde auch wenn er extrem ist (besonders in einem Thread der sowieso dem Untergang geweiht ist). Ich versuche aber auch immer neu dazu zu lernen. Beispielsweise, dass es auch mal eine kommunistische Periode in Madagaskar gab hatte ich nicht gewusst.
 

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