Was ist los mit den kleineren Unternehmern?

Booth

Erleuchteter
Registriert
19. Oktober 2003
Beiträge
1.951
Tagchen allerseits,

ich habe in den letzten Jahren eine Beobachtung in meinem Umfeld gemacht, von der ich nicht genau weiss, ob sie Zufall ist, Normalität, oder tatsächlich der Erwähnung wert.

Kern meiner Wahrnehmung: Kleine Unternehmer sind zu oft egomane Idioten ;)

Ich weiss... klingt etwas krass... und ich selber kann dies aus eigener Erfahrung auch nicht beurteilen, aber ich kenne halt nicht wenige Leute, die bei kleinen Unternehmern arbeiten (also bis zu 50 Angestellte) und fast überall höre ich von extrem unwirtschaftlichen Entscheidungen, überaus unprofessionellem Verhalten, Dummdreistigkeit der Unternehmensleitung insbesondere, wie Mitarbeiter abgezockt und weit über die Arbeitsverträge hinaus gefordert werden, ohne Gegenleistungen zu bieten. Ständige Versuche, Kunden zu prellen, und die Mitarbeiter dazu zu bringen, Kunden zu prellen.

Den schlimmsten Höhepunkt gab es bei einem Konkurs eines Autohändlers, bei dem mein Vater bis vor ca. 2 Jahren gearbeitet hat, und wo er jahrelang erzählt hat, daß der Unternehmer viel zu viel Kohle aus dem Laden rauszieht, und total unfähige Leute an die entscheidenden Positionen brachte. Zudem wurde mehr und mehr versucht, Kunden zu bescheissen, was mein Vater auf Grund seines Alters nicht mehr mitmachen wollte - und nebenbei feststellen konnte, daß er mit einer professionellen und nicht bescheisserischen Art (also Kunden auch mal von einem Kauf abraten, der zu ihnen eigentlich nicht passt - insbesondere keine unsinnigen Kreditgeschäfte aufschwatzte) am meisten Autos verkaufte, weil seine Kunden eben oft genug wiedergekommen sind.

Die Reaktion der Firmenleitung und seiner Kollegen: Ablehnung. Als er mir das erzählt hat, hab ichs nicht geglaubt, bis er wegen eines eher nichtigen Streits mit dem Filialleiter rausgeflogen ist. Inzwischen natürlich froh, da er vor Konkurs nun längst was anderes hat.

Dennoch... was ist los mit den Unternehmern? Dieser Unternehmer war in der Autobranche seit den 70er oder 80er Jahren. Anscheinend ist er in den vergangenen 5-10 Jahren immer fordernder geworden, und hat die Mitarbeiter immer schlechter behandelt, und gleichzeitig immer schlechtere wirtschaftliche Entscheidungen getroffen - teilweise wirklich total idiotische Entscheidungen, die jeder, der auch nur ein bißchen Ahnung von BWL hat, als unsinnig empfindet.

Und das erstaunliche der letzten Monate: Sobald ich mit Bekannten über dieses Thema rede, die ebenfalls bei Kleinunternehmern arbeiten, höre ich nur Bestätigung. Oke... das sind nichtmal ein Dutzend Aussagen - nicht repräsentativ. Aber der Tenor ist wirklich überall derselbe. Die Unternehmer ziehen übermäßig viel Kohle aus ihrem Unternehmen, fordern von Mitarbeitern mindestens soviel wie von sich selber, natürlich zu einer erheblich schlechteren Bezahlung, sorgen für eine miese Atmosphäre, fordern "krummes Verhalten" gegenüber Kunden, treffen teilweise absolut schlechte Entscheidungen im Sinne der Betriebswirtschaftslehre, was sogar einfachere Mitarbeiter kritisieren, und sind gleichzeitig am jammern.

Wie sind Eure Erfahrungen in diesem Unternehmensbereich? Als Kunde, Mitarbeiter, Bekannter? Ist meine Beobachtung ein totaler Ausnahmefall? Waren viele Kleinunternehmer eigentlich schon immer so, also auch insbesondere den berühmt-berüchtigten Wirtschaftswachstumjahren 1950/60?

Ich muss zugeben, daß ich in den letzten Jahren echte Mühe habe, ein positives Bild von Kleinunternehmern zu behalten... wo sind die positiven Beispiele... wär schön, zu erfahren, daß es diese nicht nur gibt, sondern diese die große Mehrheit stellen... tun sie das?

gruß
Booth
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.834
Ich arbeite seit nunmehr fast 2,5 Jahren in einem kleinen Unternehmen, allerdings ist unser Chef ein vorbildlicher Unternehmer und Arbeitgeber.
Während er sich aus den Details des operativen Geschäfts weitestgehend heraushält, kümmert er sich um seine wirkliche Aufgabe: Nämliche neue Kunden und neue Jobs aufzureissen und vorhandene Kunden zu pflegen.
Tatsächlich vergeht teilweise bis zu 1 Jahr und mehr der Kontaktpflege, bis ein neuer Kunde gewonnen ist. Ach übrigens, ich arbeite in einer Werbeagentur.

Vieles in unserer Werbeagentur ist unüblich für die Branche: Wir machen so gut wie nie Überstunden, haben meist kein Stressprogramm und sind auch kein Praktikantenbetrieb. Die Bezahlung ist nicht üppig, aber fair. Und wenn am Ende des Jahres was übrig geblieben ist - und das war noch immer so - schüttet er es auch an die Mitarbeiter aus, gar nicht zu reden davon, dass er uns auch 2-3 Mal im Jahr ausführt (in Kürze verreisen wir sogar 2 Tage mit Hotel und allem).

Und diese Politik zahlt sich aus: Die Mitarbeiter sind motiviert und geben sich Mühe und die Krankenquote ist minimalst. Werber glauben oft, sie müssten sich lauter billige Berufsanfänger rein holen, die sie dann auch noch ununterbrochen Sonderschichten schuften lassen.
Aber auch das hat seinen Preis, nämlich eine hohe Fehlerquote - und das kann teuer werden, denn es muss dann nochmal produziert werden.
Bei uns arbeiten fast nur Leute mit Jahren an Berufserfahrung - unsere Fehlerquote ist sehr klein im Vergleich zu anderen Agenturen.
Und das merkt auch der Kunde: Unser größter Kunde gibt uns nach und nach immer weitere Produkte zur Betreuung, die meist von ganz großen, renommierten (und teuren) Agenturen abgezogen werden.
Kurz: Der beste Betrieb, in dem ich je gearbeitet habe.
Und da gönnen wir dem Chef auch seinen Ferrari.

Was ich damit sagen will: Es geht auch anders.
Allerdings Booth: Auch ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht und kenne solche Berichte von anderen.

Meiner Meinung nach sind viele Unternehmer kleinerer Unternehmen persönlich schlecht organisiert und arbeiten zu viel, vor allem aber zu lang. Ein ehemaliger Boss von mir, wenn der mit einem Kunden/Geschäftspartner telefonierte ... dann dauerte das mindestens eine Stunde - und 90% des Gesprächs waren sinnloses Blabla. Natürlich sollte man nicht wie Militärs kommunizieren, aber das ist weder effizient noch führt das zu irgendwas. Lang zu arbeiten bedeutet nicht, das auch real etwas geleistet wird.

Weil aber jeder Mensch auch ein Privatleben braucht, wird dann Privates in die so furchtbar lange Arbeitszeit integriert, bis dann am Ende ein einziger Matsch dabei heraus gekommen ist.
Das ist nicht gut: Man sollte sich eine Arbeitszeit setzen, und in der leistet man auch etwas und arbeitet das konzentriert ab, und dann klingelt die Werkssirene und man geht nach Haus und kümmert sich um sein Privatleben. Anderenfalls riskiert man, dass alles so aufweicht, bis keinerlei Effizienz mehr zu sehen ist.

Andere meeten sich zu Tode. Das habe ich in einer anderen Firma erlebt, da waren die Chefs jeden Montag den ganzen Tag "im Meeting" und bei Rückfragen der Mitarbeiter nie erreichbar. Da ging dann oft am Montag bei den Mitarbeitern auch nichts voran, weil man ein Feedback brauchte.
Und am allerbesten war dann, dass von den "Ergebnissen" der Meetings nichts zu den Mitarbeitern durchdrang. Man hörte "das haben wir im letzten Meeting so entschieden" immer erst dann, wenn man es dann falsch gemacht hatte. Na Klasse. Wozu braucht's dann eigentlich solche Plauderstündchen ?

Mal auf seine Mitarbeiter hören, wenn sie mit Vorschlägen kommen - ein guter Unternehmer tut das. Kurz nachdem ich angefangen habe, habe ich meinem Chef eine überschaubare Anschaffung vorgeschlagen. Das System hat sich in weniger als einem halben Jahr amortisiert, die Qualität deutlich verbessert, wir haben uns von Lieferanten unabhängig gemacht, haben deutlich weniger Druck im Team, vor allem aber die Kosten erheblich gesenkt: Das System finanziert seitdem 2 Arbeitsplätze - meinen und den eines Kollegen ! Man darf annehmen: Eine bessere Investition mit noch mehr Vorteilen kann man gar nicht machen.

Leider sind offenbar zu viele Chefs von Schleimern umgeben, sodass sie sich für unübertreffbar halten ... man muss nicht von allem beleckt sein, um ein erfolgreicher Unternehmer zu sein.
 
G

Guest

Guest
Gratuliere zu dem Boss!

Als ich noch in der Werbebranche war hieß es - wenn ich nach 8 Stunden nach hause gehen wollte - "machst Du jetzt schon Mittag?"

Gottseidank hab ich das Schiff schon vor Jahren verlassen.
 

Winston_Smith

Forenlegende
Registriert
15. März 2003
Beiträge
5.237
@Giacomo_S

In der Agentur, in der ich bis vor kurzem gearbeitet habe, war es leider ganz anders.

Was mich aber am meisten genervt hat (neben dem lächerlichen Gehalt) sind die grottenschlechten Führungsqualitäten.

Wenn der Chef schlechte Laune hatte, "musste" der Rest auch schlechte Laune haben. (Und er hat wirklich alles dafür getan.) Gerade in kreativen Jobs ist eine gute Stimmung aber UNUMGÄNGLICH! Wie soll ich mir eine "knackige" Headline oder gar ein ganzes Konzept einfallen lassen, wenn die Stimmung gleich der bei einer Schluckimpfung ist?!

In Brainstormings wurden Ideen als "falsch" bezeichnet oder Abschweifungen wurden sofort zurück gepfiffen.

Weihnachtsfeiern? Ne Rose zum Geburtstag? Fehlanzeige!

Und da erwartet man von mir Höchstleistungen und Überstunden... Ganz ehrlich, wenn die Stimmung gut ist, bleibe ich auch gerne bis weit nach Mitternacht. (Macht im Zweifel sogar echt Spaß!) Aber so?! Nein Danke.

Darum habe ich meine Konsequenzen gezogen, ziehe dieses WE in die Bundeshauptstadt und fange in einer neuen Agentur an.

Und DA freut man sich auf mich!


Ws
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.834
Winston_Smith schrieb:
Und da erwartet man von mir Höchstleistungen und Überstunden... Ganz ehrlich, wenn die Stimmung gut ist, bleibe ich auch gerne bis weit nach Mitternacht. (Macht im Zweifel sogar echt Spaß!) Aber so?! Nein Danke.

Das man mal Überstunden machen muss, oder es auch mal eine Phase mit Überstunden gibt, das ist ja okay.
Aber wenn man dauerhaft nur Überstunden schiebt, dann ist der Laden schlecht organisiert. Als Festangestellter bin ich zum einen nicht für eine 65-Stunden-Woche eingestellt und auch nicht für einen Stundenlohn von 6,42 Eur.

Oft tragen die Mitarbeiter von solchen Betrieben auch eine gewisse Mitschuld an solchen Verhältnissen. Sie müssen dann halt einen Betriebsrat gründen, dann hört das auf.
Ich weiss nicht, wie ich sowas heute handhaben würde; ich denke aber, ich würde mir das eine Weile mit ansehen und auch mitspielen, dann aber ein Gespräch führen und auch einfach nach Haus gehen. Was will der chef denn machen ? Mich entlassen ? Mit welcher Begründung denn - würde ich auf Wiedereinstellung klagen, und dann muss er zahlen.
 

agentP

Forenlegende
Registriert
10. April 2002
Beiträge
10.115
Darum habe ich meine Konsequenzen gezogen, ziehe dieses WE in die Bundeshauptstadt und fange in einer neuen Agentur an.
In dem Fall hoffe ich, dass ich bald eine PN von dir bekomme. ;-)
 

Winston_Smith

Forenlegende
Registriert
15. März 2003
Beiträge
5.237
Das man mal Überstunden machen muss, oder es auch mal eine Phase mit Überstunden gibt, das ist ja okay.

Klar gibt es mal Überstunden. Drucktermine und die berühmten "Mailing-Nächte". Da habe ich auch kein Problem mit. Gerne sogar. Im Prinzip.

Aber wenn ich mit nem Kollegen ein Mailing eintüten soll und das nach Feierabend (Weil ich über Tag genug anderes zu tun habe.) und dann die Chefs pünktlich um 18h in den saque hauen ohne nen 10er für ne Pizza oder n Sixpack da zu lassen, fehlt mir dafür JEDES Verständnis. Zu allem Überfluß gibts dann noch nen Spruch: "Ach, so schwer ist das doch nicht. Das kann auch ein dressierter Affe machen..."

Oder wie wäre die Idee, uns am Freitag einfach mal schon gegen Mittag nach hause zu schicken?! Ist das zu viel verlangt?

Aber was rege ich mich auf. Die Sache ist jetzt gegessen und nun sollen die mal sehen, wie es ohne mich läuft. Sollen die halt nen dressierten Affen einstellen. (Der verdient auch nicht mehr...)

@agentP
*g* Da habe ich auch schon dran gedacht. Sollten wir vielleicht echt mal machen. :beer:


WS
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.834
Winston_Smith schrieb:
Aber wenn ich mit nem Kollegen ein Mailing eintüten soll und das nach Feierabend (Weil ich über Tag genug anderes zu tun habe.) und dann die Chefs pünktlich um 18h in den saque hauen ohne nen 10er für ne Pizza oder n Sixpack da zu lassen, fehlt mir dafür JEDES Verständnis.

Mailings: Mehr als 300 Briefumschläge / Stunde eintüten schafft man per Hand nicht. Müsste der Chef es bezahlen, wäre es unwirtschaftlich, denn es gibt qualifizierte Firmen, die so etwas maschinell viel kostengünstiger machen.
Solchen Chefs muss man einfach sagen: Ich mache es, aber die Überstunden müssen bezahlt werden. Dann gibt es schnell keine Überstunden mehr, denn es werden andere, preiswerte Lösungen gesucht und organisiert.

Winston_Smith schrieb:
Zu allem Überfluß gibts dann noch nen Spruch: "Ach, so schwer ist das doch nicht. Das kann auch ein dressierter Affe machen..."

"Tatsächlich ? Na, dann sind Sie dafür vielleicht viel besser geeignet."
 

Winston_Smith

Forenlegende
Registriert
15. März 2003
Beiträge
5.237
"Tatsächlich ? Na, dann sind Sie dafür vielleicht viel besser geeignet."

Nene. Ich habe lieber im Kündigungsgespräch einen kleinen Hinweis auf meinen möglichen Nachfolger gegeben... :wink:

Aber nun ist ja alles gut. Ick bin jetze een Berliner, wa. Und die neue Agentur ist eh viel geiler.

ws
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.834
ConspirIsee schrieb:
in der theorie richtig GIacomo, in der praxis schier unmöglich.

Der Spruch natürlich. Andererseits hat kein Arbeitgeber - Chef hin- oder her - das Recht, einen Mitarbeiter derart grob zu beleidigen.

Wenn sich die Mitarbeiter einig sind, das Routine-Überstunden (und die sind hier gemeint) nicht okay sind, dann kann man sich durchaus dagegen wehren.
Man sollte die Beherrschung, dies ohne Emotionen zu kommunizieren.
Man trifft sich abends nach der Arbeit mal mit seinen Kollegen in der Kneipe und bespricht sich. Und bei der nächsten Gelegenheit sagt man: "Herr sowieso, ich bin bereit, Überstunden zu leisten, gegen entsprechende Vergütung, aber nicht dauernd und nicht unbegrenzt."
Eine ganz normale Sache. Was will er denn machen ? Wenn er einen kündigen will, dann geht das nicht so ohne weiteres, oder er muss eine Abfindung zahlen.
Und ein Job, bei dem man unbegrenzt unbezahlte Überstunden leistet, um dann rechnerisch auf einen 5-Euro-Lohn zu kommen - den braucht es auch nicht.
 

ConspirIsee

Meister
Registriert
16. Januar 2005
Beiträge
483
Das kommt auch imemr auf die Lebensituation des Mitatrbeiters an. Ich habe 2einhalb Jahre lang in der Zeitarbeit die dicksten Brocken schlucken müssen, einfach weil ich mir nich einen einzigen Monat auf Stütze leisten konnte. Lustigerweise sind die Sprüche noch nichtmal von Kundenseite aus gekommen, sondern von der Zeitarbeitsagentur selbst. Da ging es dann u.a um 250€ monatliche Fahrtkosten bei einem Netto-Salär von 1000€ und der aussage ich "würde doch mehr als genug verdienen, da könne man auch mal(!!!) nen Fahrschein bezahlen.
Is nur ein beispiel von vielen, die Dummen Sprüche und angweblich "wizigen" bemerkungen wenn man mal wieder als angestellter Kaufmann nen Handlangerjob auf der Baustelle machen musste.
Kriege ich heute noch Magenschmerzen von wenn ich dran denke. trotzdem habe ich es mitgemacht, ich war damals froh nen Job zu haben ;)

Grundlegend hast du VOLLLKOMMEN recht, nur, isses halt immer die Frage nach den spezifischen Situationen des Arbeitnehmers. Winston hatt seine Konsequenzen hieraus gezogen und die Agentur hatt einen qualifizierten Mitarbeiter verloren.
 

Ähnliche Beiträge

Oben