Prostitution vs Moral

gaia

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Hallo,
ich würde hier gerne ein Thema zu Diskussion stellen, das auch drüben bei Wv einigen Anklang findet. ( an der Stelle, vielen Dank an die TE dort drüben)
Es geht mit vor allen um die Frage:
WARUM wird das "Berufsbild Prostituierte" so negativ angesehen?
Ohne Zweifel herrschen auf dem Strassenstrich und in Verbindung mit Drogen, Zuhältern und Menschenhandel furchtbare Bedingungen, aber:
Kann man aber tatsächlich davon ausgehen, dass Prostitution eine üble und leider notwendige Sache ist?
Prostitution wurde legalisiert, die Frauen sind versichert und können auch unter sauberen Bedingungen arbeiten. Sie sind also nicht grundsätzlich unglückliche Frauen.
Ich bin der Meinung ,dass es unsere Moralvorstellungen sind, die uns ein schräges Bild vermitteln und habe eigentlich kein Problem damit, dass Frauen als Prostituierte arbeiten. Ich denke, etwas nicht unbedingt verstehen, heißt nicht, das es falsch ist. Vielleicht sehe ich das aber auch total falsch???
 

Giacomo_S

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Vorab: Es gibt Zuhälter, Drogen und Menschenhandel.

Persönlich habe ich aber auch schon Huren gekannt, auf die dieses Bild nicht zutrifft, und ich würde sogar soweit gehen zu sagen: Sie machen die Mehrheit aus.
 

Simple Man

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Weil dabei eine höchst intime Sache, nämlich Sex, die gemäß unserer kulturellen Geschichte und Prägung ein gegenseitiges "Beschenken" zwischen Partnern darstellen soll, geschäftlich genutzt und damit herabwürdigt wird?

Dazu kommt: in der Vergangenheit war Prostitution meist Teil eines Lebensentwurfs, der in der Regel mißlang ... keine Ahnung, wie das heute aussieht (ernsthaft, hier wäre ich an Studien interessiert), aber das wäre eine weitere mögliche Erklärung, warum man dem ablehnend gegenüber steht ...
 

gaia

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Weil dabei eine höchst intime Sache, nämlich Sex, die gemäß unserer kulturellen Geschichte und Prägung ein gegenseitiges "Beschenken" zwischen Partnern darstellen soll, geschäftlich genutzt und damit herabwürdigt wird?

Und genau das, ist vielleicht der Punkt warum das Thema so negativ betrachtet wird. Setzt man hier nicht vorraus das anerzogene Moralvorstellungen immer ihre Gültigkeit und Richtigkeit haben ?
 

Simple Man

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Nö. Die Annahme einer ewigen und universellen Gültigkeit ist da keine Vorausetzung ... es besagt lediglich, wie es aktuell und geschichtlich ausschaut und warum Prostitution momentan eher negativ gesehen wird ... wir können aber gerne darüber diskutieren, warum Sex möglicherweise keine intime Sache darstellt ... oder, wenn er es tut, warum der "Verkauf" einer intimen Sache keine Herabwürdigung darstellen muss ...
 

gaia

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wir können aber gerne darüber diskutieren, warum Sex möglicherweise keine intime Sache darstellt ... oder, wenn er es tut, warum der "Verkauf" einer intimen Sache keine Herabwürdigung darstellen muss ...
Ich bitte darum. Was denkst du? Was denkt ihr?
 

Giacomo_S

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Simple Man schrieb:
Weil dabei eine höchst intime Sache, nämlich Sex, die gemäß unserer kulturellen Geschichte und Prägung ein gegenseitiges "Beschenken" zwischen Partnern darstellen soll, geschäftlich genutzt und damit herabwürdigt wird?

Unsere kulturelle Geschichte ist da höchst bigott (ich empfehle hierzu: Karlheinz Deschner, Das Kreuz mit der Kirche. Die Sexualgeschichte des Christentums).

Im Mittelalter gab es keine Stadt ohne mindestens ein Bordell. Die Kirche hat öffentlich die Prostitution als notwendiges Übel legitimiert. Vor allem aus dem Grund, um den Ehebruch klein zu halten (Prostitution wurde nicht als solcher angesehen). Vor allem aber wurde kassiert. Der Bau der Münchener Frauenkirche wurde maßgeblich mit Hurenzins finanziert. Darüber hinaus gab es gleich mehrere Bischöfe, die sich sogar als Betreiber von Hurenhäusern hervorgetan haben.
 

haruc

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Ich denke dass Prostitution immer auch mit den individuellen Wertvorstellungen des Freiers zusammenhängt. Gäbe es niemanden der für Sex bezahlt, gäbe es keine Prostitution.

Ein Blick zu unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen verrät: Auch dort kommt Prostitution vor. Es ist also keine typsisch menschliche Verhaltensweise.

Im ersten Weltkrieg wurden vom kaiserlichen Heer Bordelle nicht nur überwacht sondern sogar betrieben, in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz. Das scheint im Kontext der eher frigiden wilheminischen Sexualnormen etwas eigenartig, war aber ganz pragmatisch gedacht: Die Soldaten werden sich irgendwo ihre sexuelle Befriedigung holen. Wenn nicht in einem halblegalen Bordell, dann halt sonstwo. Also stellen wir ihnen "saubere" Möglichkeiten zur Verfügung. Dies diente vor allem der Vorbeugung von Geschlechtskrankheiten. (Die Soldaten die den Dienst einer Prostituierten in Anspruch genommen hatten mussten sich danach desinfizieren lassen.)

Die statistische Auswertung zeigt: Im Kaiserlichen Heer war die Erkankungsquote durch den ganzen Krieg hinweg niedrig (etwa 2%), während in anderen Armeen (namentlich der britischen und den US-Truppen), bei denen Enthaltsamkeit das vermeintliche Zaubermittel gegen Geschlechtserkankungen war, zeitweise jeder fünfte Soldat an einer Geschlechtskrankheit litt.
Zwar gab es in Frankreich legale Bordelle (maisons de tolerance) aber diese waren für britische Truppen (und die Truppen aus den Dominions) zum Sperrgebiet erklärt worden, da die "Sittlichkeitsverbände" (=hysterische Waschweiber) dagegen Sturm liefen.

Nach diesem kleinen Exkurs wieder zurück in die Gegenwart.

Ich halte Prostitution wenn sie auf freiwilliger Basis geschieht für absolut ok. Die Legalisierung der Prostitution und damit einhergehend die (theoretische) Kontrolle der "Betriebe" halte ich für begrüßenswert und einen wichtigen Fortschritt.

Diejenigen Personen, die solche Dienste in Anspruch nehmen müssen ja nicht zwangsläufig nach den allgemeinen Moralvorstellungen leben. Wobei ich der Meinung bin dass das, was gemeinhin als "Norm" gilt gerade bei solchen "heißen" Themen von vielen Leuten als eine Art sozial erwarteter Antwort gegeben wird; nicht weil sie selbst dieser Meinung sind.
 

Ein_Liberaler

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Simple hat das imho sehr treffend formuliert.

Hinzu kommt, daß die Prostitution durch die soziale und gesetzliche Ächtung in ein halbkriminelles Milieu verdrängt worden war, auch soweit sie nicht originär dort verwurzelt war. Zuhälter, auch bandenmäßig organisierte, wurden geduldet, weil sie für "Ordnung" im Milieu sorgten. Seriöse Wirte und Arbeitgeber, denen die Ausbeutung der Prostituierten fremd gewesen wäre, wurden durch Kuppelei- und Zuhältereiparagraphen abgeschreckt.
 

sercador

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Ein_Liberaler schrieb:
Seriöse Wirte und Arbeitgeber, denen die Ausbeutung der Prostituierten fremd gewesen wäre, wurden durch Kuppelei- und Zuhältereiparagraphen abgeschreckt.
Bis vor wenigen Jahren ist jeder Versuch, die Arbeitsbedingungen in diesem Gewerbe zu ändern, an der Gesetzeslage gescheitert. Selbstorganisationsversuche, genossenschaftliche Strukturen, etc. wurden rigoros verboten. Ein Unding angesichts der "üblichen" Beschäftigungsverhältnisse.

Es ist wohl eine Melange aus Prüderie und Geschäftemacherei, die hierzulande lange dafür gesorgt hat, daß Prostitution hauptsächlich im kriminellen Halbschatten existieren konnte.
Die tatkräftig ablehnenden Kräfte gegenüber Prostituierten in der Gesellschaft waren und sind imo weiblich.
Ob da ein Konkurrenzgedanke ausschlaggebend ist oder eher eine Abneigung des Gedankens der Käuflichkeit vermag ich nicht zu sagen.
 

gaia

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Die tatkräftig ablehnenden Kräfte gegenüber Prostituierten in der Gesellschaft waren und sind imo weiblich.

Ich glaube, das dies sogar ein ziemlich wichtiger Punkt ist. Da ich- wie der Zufall es will- selbst eine Frau bin, kann ich mit meiner Denkweise beitragen.
Ja ich könnte auch niemals Sexualität verkaufen- obwohl ich nicht prüde bin.... Woran liegt das wohl? Ich kann Sex nicht von Gefühl trennen.
Ich vermute aber, das ist anerzogen und vorgelebt. Und weil Frauen im allgmeinen so erzogen wurden( noch vor ein paar Jahren waren sie sogar extrem abhängig vom Mann) betrachten sie Prostitution ganz allgmein als schmutzig und ekelhaft. Sie können sich vielleicht enfach nicht vorstellen das es Frauen gibt die Sexualität sehr nüchtern betrachten und sich nur deswegen schlecht fühlen, weil andere sie abwerten.
Kaum eine Frau wird also sagen:" Meine beste Freundin? Och die ist Hure"
Aber ein Mann wird sich auch nicht ohne weiteres eine Prostituierte als Lebensparnterin suchen, oder?
 

sercador

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gaia schrieb:
Aber ein Mann wird sich auch nicht ohne weiteres eine Prostituierte als Lebensparnterin suchen, oder?
Da bin ich dann wieder etwas kompetenter.
Aber nur ein wenig. Ich bin nicht prüde und althergebrachte Denkmuster beengen mich nicht sonderlich. Eine Prostituierte im Freundes- oder Bekanntenkreis? Kein Problem. Als Lebenspartnerin? Auf gar keinen Fall.

Ich meinte aber nicht nur die Ablehnung der Prostitution, des Geschäfts sozusagen, sondern auch gerade die Ablehnung der in diesem Geschäft tätigen Frauen durch andere Frauen.
Kannst du da qua Geschlechtszugehörigkeit auch etwas zu sagen?
 

gaia

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Ich meinte aber nicht nur die Ablehnung der Prostitution, des Geschäfts sozusagen, sondern auch gerade die Ablehnung der in diesem Geschäft tätigen Frauen durch andere Frauen.
Kannst du da qua Geschlechtszugehörigkeit auch etwas zu sagen?

Klar. Ich denke das das Geschäft für die Frauen angenehmer wird, wenn man weder auf sie, noch auf ihren Job herabsieht, nur weil man es selbst nicht wirklich verstehen kann. Frauen sind da sicher besonders angesprochen. Wenn ich allein von mir ausgehe, so kann jede Frau tun was sie gerne möchte, wenn sie sich verkaufen möchte- geht mich das nichts an.
Aber: Niemand möchte gerne benutzt oder ausgenutzt werden, jeder möchte Respekt. Und keiner möchte in einer Situation gefangen sein.Ich gehe bei meiner Denkweise also davon aus, das dies nicht der Fall ist.

Das Gewerbe sollte sich auf dem Weg zur Anerkennung weiter nach oben bewegen. Man kann die Arbeitsbedingungen sicher auch noch weiter verbessern.
Eine Freundin die als Prostituierte arbeitet, kein Problem für mich- wenn wir ansonsten auf einer Wellenlänge sind. Ich würde mich ja auch mit einer Ärztin anfreunden ;-)
 

haruc

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sercador schrieb:
Freundes- oder Bekanntenkreis? Kein Problem. Als Lebenspartnerin? Auf gar keinen Fall.

Was ist eingentlich mit Frauen die sich wahllos jedem "hingeben" ohne dafür Geld zu nehmen. Ich mein: in der Kosten-Nutzen-Rechnung stehen die doch ziemlich blöd da, oder? Mit Gefühl kann das ja auch nicht viel zu tun haben. Zumindest aus meiner Sicht. Ich bin da tendenziell eher konservativ-altbacken, obwohl ich kein Problem damit hätte/habe wenn meine Freundin/Frau vor mir schon 10 Typen hatte. Wenn sie sich dann für mich entscheidet ist das ja ein Qualitätsmerkmal.

aber zurück zum thema. Eine Prostituierte als Lebensgefährtin? Warum nicht? Kommt natürlich auf die Art der Beziehung an. Kann ich aber nicht kategorisch ausschließen.

Das Stigma des "unreinen" haftet diesen Frauen halt immer noch an.
Wenn aber eine im Krankenhaus den Kot von Leuten aufwischt, dann stellt niemand die Frage nach der "Reinheit"? Komisch.
 

haruc

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Liberaler schrieb:
Warum Wehrdienst und keinen Wehrersatzdienst? Ja, altbackenes Zeug.

Ich hätt meine Wehrdienstzeit gern bei der Marine oder der Artillerie verbracht. Aber meine Freundin hat mich davon abgehalten. Wohl weil in ihrem weiteren Familienkreis damals ziemlich viele Ehemänner/Freunde im schwarzen Sack aus Bagdad und Kabul zurück kamen... zumindest vermute ich das.
 

sercador

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haruc schrieb:
aber zurück zum thema. Eine Prostituierte als Lebensgefährtin? Warum nicht? Kommt natürlich auf die Art der Beziehung an. Kann ich aber nicht kategorisch ausschließen.

Das Stigma des "unreinen" haftet diesen Frauen halt immer noch an.
Unrein? Den Gedanken kann ich für mich ausschließen.
Und auf das Vorleben meiner Lebensgefährtin habe ich in diesem Kulturkreis, in dem Hochzeiten nicht von den Eltern arrangiert werden, keinen Einfluß. Aber ich bin auch nicht scharf darauf, daß mir meine Freundin erzählt, wie das mit den anderen so war. Im Bett. Ich habe auch seltenst eine Frau getroffen, die wissen wollte, wie sich andere Frauen so "geschlagen" haben. Auf dem Gebiet bin ich eben Amateur und möchte mich nicht mit Profis messen.
 

InsularMind

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Hier kommt wahrscheinlich noch die über die Zeit entstandene Wertschätzung in der Betrachtung von Liebe oder dem Privatleben von Leuten hinzu, die Konstruktion der Ehe und der ganzen moralischen Vorstellungen als Ausdruck eines vielbesungenen Ideals in der jüngeren Zeit. Da hat man den Geschlechtsakt zu etwas beinahe schon Heiligem reduziert, und auf die religiös überkleidete Sichtweise an die Menschen wieder als "nur zwischen Eheleuten" gestattetes Gut zurückgegeben.
Daraus gefolgert sind alle anderen Motive für sexuelle Betätigung schlecht, siehe schon Masturbation ect. und so auch die Promiskuität. darunter mussten auch die Huren leiden, man hat sie in diese Schmutz-Ecke gedrängt und als HelferInnen im Südenpfuhl empfunden. Ein Schatten dieser früheren Sichtweise ist auch heute noch zu erkennen. Es wird zwar offener und differenzierter behandelt, wo wir den letzten 35 Jahren echt danken können, aber die verbliebene Bigoterie in vielen Köpfen und Haltungen ist noch nicht völlig erloschen. So wurden die Huren sicher auch von jedem in die Schmuddel- und Kriminellen-Ecke gestellt, wer diese zweigeteilte Haltung unterstützt.

Der Beruf an sich ist ja uralt und war vielleicht sogar schon einer der ersten Berufe überhaupt. Wir können dankbar sein, dass es den Beruf gibt, das ist eine erleichterung für viele, die in einengenden weil nach altgewürdigter Vorstellung entstandenen Beziehungsverhältnissen stecken, und weil die Idee des "monogamen" Menschen an sich nur von einer Mindherheit wirklich praktisch gelebt werden dürfte. Außerdem sind die Huren für alle erreichbar, denen das Lebensglück von Beziehungen ect. nicht zugeneigt ist, aus welchen Gründen auch immer. Wir müssen die Huren nicht gerade heiligen, aber anerkennen und ihre Arbeit als gewöhnlichen Beruf sehen, das müsste doch drin sein. Vernünftige Strukturschaffung, in denen die in der Prostitution arbeitenden Frauen nicht länger ausgenützt werden können, ein Ende des "Handels" mit Mädchen und Frauen von anderswo, eine Huren-Gewerkschaft, wenn es das nicht eh schon gibt, das wäre da schon mal die sinnbringende Richtung.
 

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