Köhler, Globalisierung und deutsche Politik

nicolecarina

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Ich sags frei weg: für mich ein Trauerspiel diese Präsidentenwahl.
Und dass Gesine S. so knapp hinten lag, werte ich als hoffnungsvolles Zeichen, dass sich in einigen Köpfen tatsächlich nicht bloß Gewabber abspielt, wie die Interviews nach der Wahl mir deutlich zeigten.

"Super Präsi, ganz klare Worte, alles erkannt" - ich dacht ich steh im Wald. Ein einziger wagte zu sagen, dass das nichts als heiße Luft war. Ums kurz zumachen sage ich, dass die Rede des neuen Präsidenten eigentlich täglich an der Supermarktkasse zu hören ist, von Leuten die weniger Bildung genossen haben als Herr Köhler.

Und dass er ein Präsident für alle sein will, meine Güte, ist das nicht Voraussetzung für das Amt? Entschuldigung aber verkauft man mir demnächst noch die Milch mit den Worten: Klasse oder? Sie ist weiß!
Ich vermute eher, es fehlen ihm wirklich einige Facetten zum ganzheitlichen Bundespräsidenten.

Mehr Kinderfreundlichkeit, mehr Ideen - ist das nicht seit Jahren klar? Zudem präsentierte er - wie jemand treffend bemerkte - keine einzige. Und frag mal jemand der Ideen hat, durch welche Bürokratiemaschine sich so jemand durchwälzen muss. Das schafft nicht jeder. Und die die es nicht schaffen, dürfen zugucken, wie eine Horde Unfähiger das Land zugrunde richtet? Das meine ich parteiübegreifend. Und das soll nicht als obligatorisches Gemecker gemeint sein, das beobachte ich und sicher auch viele andere.

Ottfried Fischer hat es Gott sei Dank für mich auf den Punkt gebracht in dem er sagte: Wenn schon fast der gesamte Staat auf die Wirtschaft ausgerichtet ist, dann sollte der Päsident der Philosoph sein. Und so sehe ich das aus: die Regierung im besten Sinne Aristoteles und kein Kasperletheater scheinbar demoralisierter älterer Menschen? Sry, wahrscheinlich würd ich rot, wenn ich das zu Frau Merkel sagen sollte, aber das denke ich wirklich, wenn ich solche Veranstaltungen wie am Sonntag sehe... Und was mit Frau Maischberger los war, möcht ich gar nicht erst wissen, sie wirkte etwas konfus auf mich. Also nichts von wegen vierter Gewalt im Staate.

Wie hier parteipolitische Interessen mit der Wahl zum Bundespräsidenten verbrämt wurden, hat für mich nichts mehr mit souveräner Politik zu tun. Bleibt zu hoffen, dass die meisten Wähler bis zur nächsten Bundestagswahl begriffen haben, dass es die Union mit Sicherheit genau so vergeigt wie die jetzige Regierung. Außer einem Präsidentschaftskandidaten hattten sie in der vergangenen Zeit ja wohl nicht all zu viel programmatisches zu bieten oder?

Aber den Thread hab ich ja eigentlich deshalb aufgemacht:

http://www.zeit.de/politik/wahlen/bundespraesident_2004
http://www.zeit.de/2004/21/Bundespr_8asident
http://www.attac.de/koehler/

Es musste mal gesagt werden *sauersei*
 

Technoir

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Kannst mir mal sagen was die Rumhackerei auf dem Mann soll?
Er ist ja noch nichtmal vereidigt, da kann er wohl schlecht jetzt schon das komplette Programm bei seiner Rede rauslassen...ich finde die Wahl Köhlers tiptopp.
Er nimmt weder bei der Regierung noch bei der Union ein Blatt vor den Mund
 

nicolecarina

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Ich werd ja wohl noch meine Meinung sagen dürfen oder nicht?
Frag Dich ja auch nicht, was Deine Lobhudelei soll oder?

Aber wo wir grade dabei sind: Köhlers Merkel-Hudelei blieb auch bei renommierten Journalisten nicht unbemerkt :roll: soviel zum Thema Überparteilichkeit...

Die Vorstellung eines ganzen Progamm habe ich auch nicht erwartet, da ja zudem auch noch flexibler Spielraum bleiben sollte... aber gar keins außer einigen Formulierungen die ich wie gesagt seit Jahren von ganz "normalen" Leuten höre find ich net grad vielversprechend :roll:

Köhler hat sicher eine interessante Biografie und als Mensch auch viele gute Eigenschaften (so ist er Schwabe *gg*), als Bundespräsident stelle ich mir trotz aller wirtschaftlichen Probleme ein anderes Format vor. Denn was hier unter Reformen läuft ist doch reine Augenwischerei wenn einige Politik- und Wirtschaftsexperten als einzigen Ausweg die völlige Neustrukturierung der Bundesrepublik sehen.

http://www.zeit.de/2004/22/Johannes_Raut

Du wirst lachen: hab beim Schreiben des Posts schon mit einer ähnlichen Reaktion von Dir gerechnet.....

Nix für ungut, für mich gibts vorerst nichts weiter hinzuzufügen, außer einem Zitat aus oben genanntem Artikel, das ich für sehr treffend halte:

"Ich verachte keineswegs das Rückgrat der Ökonomie gegenüber dem schöngeistigen Überbau und bin der Letzte, der Intellektuelle in öffentlichen Ämtern sehen möchte. Aber das dislozierte, an falscher Stelle angewendete wirtschaftliche Denken, das die nicht in Geld zu messenden Leistungen – ob nun in Psychiatrien und Kindergärten oder in Universitäten und Verlagen – den schlichten Maßstäben McKinseys unterwirft, ist zum gesellschaftlich wirksamen Kategorienfehler geworden."

Im übrigen macht Die Zeit eine Umfrage zum Thema Direktwahl des Bundespräsidenten:

http://www.zeit.de/

Aber ich glaub, ich guck endlich mal bei der Attac-Gruppe rein....
 

MeisterEder

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hi,
also es kommt drauf an wo man sich über herrn köhler informiert.
wenn man die cdu werbe köhler siete anschaut liest man sowas:
Köhler: "Wir brauchen eine tiefgehende Erneuerung"

Köhler: Behinderte haben das gleiche Lebensrecht wie Nichtbehinderte

Köhler: „Die reichen Länder reden immer noch zu viel und machen zu wenig“
http://www.koehler.cdu.de/position.htm

..das liest sich ja schonmal ganz net. so schlimm kann er ja gar nicht sein :roll:

aber dann liest man sowas ..
Können Sie sich vorstellen, dass Weltbankpräsident James Wolfensohn eines Tages UN-Generalsekretär wird? Eine abwegige Vorstellung, finden Sie? Horst Köhler vom IWF jedenfalls hat gute Chancen, der neue deutsche Bundespräsident zu werden. Wäre er sich seiner Sache nicht sicher, er hätte wohl kaum seinen hochdotierten IWF-Posten aufgegeben. Natürlich ist das Amt des deutschen Präsidenten ein rein dekorativer Posten - aber was für eine Symbolik! Der Internationale Währungsfond (IWF) stellt - neben der Weltbank - eines der wichtigsten Instrumentarien der neoliberalen Globalisierung dar, wobei die Weltbank traditionell unter amerikanischer Leitung, der IWF unter europäischer steht. Teile und herrsche - wenn es gilt, die Welt (in wirtschaftlicher u. militärischer Hinsicht) unter sich aufzuteilen, sind Amerika und Europa Partner. Köhler wurde in Polen geboren. Seine Eltern stammen aus Rumänien. Aufgewachsen ist Köhler in Deutschland. Mit dem IWF stand Köhler bis vor kurzem einer Organisation vor, die - zumal mit ihren ‘strukturellen Anpassungsprogrammen’ - zahllose Staaten in die Armut trieb. Der IWF ist so eine Art Büchsenöffner - er “öffnet” Länder für ausländische Investitionen, für die Exploitation. Köhler hat Glück: Die Deutschen wissen nicht allzuviel über ihn - oder den IWF. Am besten sollte man die Argentinier fragen. Was für eine rabenschwarze Symbolik: ein anonymer ‘Master of Neoliberal Globalisation’ soll EU-Deutschland als Staatsoberhaupt in aller Welt vertreten! Konzern-Europa und das Europa der Militärs - zwei Seiten einer Medaille - in vergleichbarer Weise ist der weltweite imperiale Terror ein siamesischer Zwilling der Konzern-Globalisierung.
http://www.zmag.de/artikel.php?id=1074

..tja was soll man dazu noch sagen
...also für mich ist der herr köhler ein mann des geldes ..und ich stimme ottfried zu. wenigstens als bundespräsident hätte man einen "philosophen" nehmen sollen.

....ich werde johannes rau vermissen :!:
 

bstaron

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nicolecarina

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so sehens andere:

In London erhielt Köhler im Jahr 2000 den Ruf nach Washington an die Spitze des Internationalen Währungsfonds. Vorausgegangen war ein politisches Taktieren um Caio Koch-Weser. Gleichsam als "weißen Ritter" präsentierte Bundeskanzler Schröder - begleitet von vorbereitenden Gesprächen Waigels - den Amerikanern den Kandidaten Köhler für die Spitzenposition des Internationalen Währungsfonds. Washington ging darauf ein, weil es die ertragreiche Zusammenarbeit mit Köhler in guter Erinnerung hatte. Doch bequem für die Regierung Bush war der Deutsche nicht. So wird Köhler nicht müde, die Amerikaner vor den hohen Defiziten im Haushalt und der Leistungsbilanz zu warnen und deren Korrektur zu fordern. Auch die Bundesregierung hat sich von Köhler schon einige unangenehme Kritik anhören müssen. "Es fehlt in Deutschland der Wille zur schöpferischen Zerstörung alter Strukturen", hatte er im Herbst 2003 in einem Gespräch mit dieser Zeitung gesagt. Außerdem hätten die Deutschen das Bewußtsein verloren, daß der erreichte Wohlstand jeden Tag aufs neue verteidigt werden müsse.
Aber auch Selbstkritik zeichnet Köhler aus: Während seiner Zeit in der Regierung Kohl seien große Fehler gemacht worden. Die "christlich-liberale Koalition habe nach der Wiedervereinigung und den damit verbundenen Soziallasten die Sozialsysteme viel zu großzügig ausgebaut."

http://www.faz.net/s/RubF7879F89A57...7AA9701BFE3CD64665~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Keine Frage - klingt menschlich integer.
Bleibt für mich trotzdem die bohrende Überlegung, wie ein "Weißer Ritter" die argentinischen Zustände - die er mit herbeigeführt hat oder zumindest nicht verhindern konnte - wirklich sieht.
 

Leontral

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Ich würde gerne eine Frage stellen....hoffe hierzu von euch eine Antwort zu bekommen......

Köhler war ja ein Kanditat der christlich-Liberalen Opposition.....es wurde ja zeitweise davon gesprochen, dass es nun zu einem Machtwechsel kommen würde.....alles blabla?

Kann es sein, dass unser Bundespräsident mehr Machtbefugnisse bekommen wird? Kann es sein, dass der Regierungswechsel gleichzeitig eine komplette Änderung des Grundgesetzes beinhaltet....??

Köhler spricht ziemlich deutlich an, was geändert werden muss und scheint dies auch in ganz anderer Form zu tun als (zumindest bis zu letzt) Herr Rau.....
Vermutlich kann er mit seiner etwas popolistischen Art, ganze Teile der Bevölkerung mobilisieren etwas zu unternehmen?

Trotz seiner eher wirtschaftlich orientierten Argumentation, könnte dies ja alles Taktik sein......Ich will hier niemenden etwas unterstellen, aber der Mann kann viel und hat viele Freunde im In-und Ausland...vor allem was die Geldgeber dieser Welt betrifft....

Grüsse
Leo
 

Gestreift

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Bleibt für mich trotzdem die bohrende Überlegung, wie ein "Weißer Ritter" die argentinischen Zustände - die er mit herbeigeführt hat oder zumindest nicht verhindern konnte - wirklich sieht.

Die Situation in Argentinien ist nicht monokausal zu erklären und vor Allem ist sie nicht Köhler in die Schuhe zu schieben.

Vielmehr handelt es sich um eine langjährige Fehlentwicklung, die nicht nur eine Ursache hat und für die mehrere Menschen die Verantwortung tragen. Letztlich begann das Elend schon während der Militärdiktatur.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass wir Herrn Köhler eine Schonfrist zugestehen sollten. Er wird das ihm verliehene Amt schon auskleiden. Fragt sich nur wie.
 

MeisterEder

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die cdu csu hätte gern das die wahl des bundespräsidenten ein signal der machtübernahme wäre (...was mich ürbigens sehr an die nationalsozialisten erinnert die ebenfalls das amt des "bundesspräsidenten" für ihre zwecke ausgenutzt haben).

ich glaube kaum das der bundespräsident mehr rechte bekommen wird.er hat halt die aufgabe deutschland im ausland zu vertreten und ende.

@gestreift
..na warten wir einfach ab ..was bleibt uns auch anderes übrig ;)
 

nicolecarina

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Nach einigen Recherchen erscheint mir Horst Köhler als Mensch durchaus als Gewinn für die deutsche Politik und in der Lage, die notwendigen Weichen zu stellen - allerdings trotzdem lieber als Wirtschaftsminister, denn als Bundespräsident.

Aber ich schließe mich den Vorpostern an:
abwarten.....
 

Fantom

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Leontral schrieb:
Kann es sein, dass unser Bundespräsident mehr Machtbefugnisse bekommen wird?
Kann es sein, dass der Regierungswechsel gleichzeitig eine komplette Änderung des Grundgesetzes beinhaltet....??

das ist doch utopisch.

wenn merkel kanzlerin wird, wird doch ihre erste amtshandlung nicht darin bestehen, das amt des präsidenten auf- und somit das amt des kanzlers abzuwerten. so blöd kann doch kein mensch sein.
 

nicolecarina

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Eine Änderung des Grundgesetzes ist eigentlich auch gar nicht nötig, schließlich öffnet sich die deutsche Verfassung vorbehaltlos dem EU-Recht. Und bislang macht sich wohl auch keiner die Mühe, die etwa 300 Verordnungen die dort WÖCHENTLICH erlassen werden mitzuverfolgen. Im Grunde richte ich mich schon mal auf eine Art zentralistische Regierung in Brüssel und auf eine Verstärkung kapitalistischer Tendenzen ein. Außer wir entdecken tatsächlich - wie Horst Köhler fordert - unsere Eigenverantwortung wieder und wirken dem entgegen. Ob er das allerdings in dem eigentlichen Sinn gemeint hat, da bin ich ehrlich gesagt gespannt...
 

nicolecarina

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ich sehs ein - hab den Thread "Bundespräsidentenwahl" wohl nicht rechtzeitig durchgelesen. Wollte nicht zwingend parallel toben.... :?
 

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